Mittelständler auf Wachstumskurs

Medice holt Ex-Bionorica-Vorstand, stellt sich neu auf Patrick Hollstein, 03.06.2021 11:32 Uhr

Berlin - 

Gerade erst hat Dr. Uwe Baumann den Sinupret-Hersteller Bionorica verlassen, schon hat er einen neuen Job. Bei Medice leitet er künftig das weltweite OTC-Geschäft. Der Mittelständler aus Iserlohn stellt sich in der Geschäftsführung neu auf, die Weichen für weiteres Wachstum wurden gestellt.

Mit Baumann bekommt Medice einen ausgewiesenen OTC-Profi: Der studierte Mikrobiologe war seit 2004 bei Bionorica, zunächst als Leiter Marketing und Vertrieb, seit 2005 als Vorstand für das weltweite Geschäft verantwortlich. Zuvor hatte er, nach Studium in Promotion in Münster, in leitenden Funktionen für Roche und Novartis gearbeitet. Über die Gründe für sein plötzliches Ausscheiden bei Bionorica ist nichts bekannt.

Für Medice kommt der Wechsel genau zur richtigen Zeit. 1949 gegründet, hatte das Unternehmen 1953 mit der Einführung Meditonsin den Grundstein für den wirtschaftlichen Erfolg gelegt. 2006 wurde der Bereich mit der Übernahme der OTC-Sparte von Rentschler mit Marken wie Dorithricin, Soventol und Tannacomp deutlich ausgebaut. 2012 sicherte sich Medice beim französischen Hersteller Biocodex die Vertriebsrechte für Perenterol, zuvor hatte UCB Pharma 20 Jahre die Lizenz an dem Hefemittel gegen Durchfallerkrankungen gehalten.

Nach einigen kleineren Übernahmen (Omnival) und Neueinführungen (Aqualibra, Medigel, Aktivaderm) in den vergangenen Jahren gab es zuletzt wieder Zukäufe: Von Hager Pharma übernahm Medice den Hustenstiller Stilaxx, im April sicherte man sich die Mehrheit an dem OTC-Hersteller Schaper & Brümmer (Esberitox, Remifemin, Cystinol, Sedacur).

Der Ausbau des OTC-Geschäfts ist Teil eines systematischen Transformationsprozesses: Vom klassischen Pharmaunternehmen soll Medice zu einem holistisch agierenden Gesundheitsunternehmen ausgebaut werden, wie die beiden Firmeninhaber Dr. Katja Pütter-Ammer und Dr. Dr. Richard Ammer erklären. Bereits in den vergangenen Monaten gab es intern zahlreiche Veränderungen, die nun auch nach außen sichtbar werden.

Dazu gehören auch die jüngsten Neugründungen MediVentures und Sustainable4U, die sich verstärkt den Zukunftsmärkten Digital Health und Nachhaltigkeit widmen sollen. MediVentures investiert in innovative Healthcare-Startups und entwickelt gemeinsam mit dem in Basel ansässigen Dienstleister Eyelevel neue digitale Gesundheitsanwendungen (DiGA). Sustainable4U wurde ebenfalls vor zwei Jahren ins Leben gerufen und hat sich auf nachhaltige Ernährungskonzepte und Waste-Management spezialisiert.

Verantwortlich für den neuen Geschäftsbereich „Unternehmenskommunikation und Strategische Entwicklung“ ist Dr. Jürgen Kreimeyer, der in der Geschäftsführung bisher unter anderem für das Deutschlandgeschäft war. Weiterhin wird Kreimeyer seine Erfahrungen im Marketing bei Medice einbringen und den Ausbau von Schaper & Brümmer hin zu einem führenden, international agierenden Phyto-Hersteller eng begleiten. Verantwortlich für die Tochterfirma in Salzgitter bleibt der bisherige Geschäftsführer Nils Wolcke.

Im Zuge des Umbaus gibt es einen weiteren Neuzugang in der Geschäftsführung: Karsten Sternberg ist für das weltweite Geschäft mit rezeptpflichtigen Arzneimittel verantwortlich, ausgenommen ist das nephrologische Sortiment. Sternberg ist bereits seit einem Jahr bei Medice, davor war er zuletzt als Deutschlandchef für Norgine tätig. Auch in diesem Bereich will Medice wachsen; gerade in der Indikation ADHS sei man mit einem breiten Produktportfolio rund um Attentin und Medikinet bereits unumstrittener Marktführer in Europa, so das Unternehmen. Die Produktpipeline sei gut gefüllt.

Kaufmännischer Geschäftsführer und damit für die Finanzen verantwortlich bleibt Eric Neyret, der bereits seit zehn Jahren bei Medice ist und laut Unternehmensangaben entscheidend zum Erfolg beigetragen hat: So habe er insbesondere die Weiterentwicklung der Strukturen im Ausland geprägt hat und stehe für eine effiziente und zuverlässige finanzielle Führung der Gruppe. Neyret ist auch zuständig für den IT-Bereich und damit die digitale Transformation im Unternehmen.

Medice hat seinen Umsatz in den vergangenen zehn Jahren auf zuletzt 220 Millionen Euro (2019) nahezu verdoppelt. Ein Drittel davon entfällt auf das Ausland, Niederlassungen und Beteiligungen gibt es in Österreich und der Schweiz, Griechenland, den Niederlanden, Dänemark und Norwegen, Russland sowie in den USA. Aktuell wird ein Gruppenumsatz von mehr als 300 Millionen Euro angepeilt.