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Apotheker kritisieren Medizini-„Figurtest“

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Berlin -

Anfang Januar hat Abnehmen Hochsaison. Viele Medien greifen das Thema auf. Bei Google werden die einschlägigen Diätmittel besonders oft gesucht. Auch das Kindermagazin „Medizini“ vom Wort & Bild Verlag hat in der Januar-Ausgabe einen Figurtest abgedruckt. Die Post-Apotheke in Neckarhausen will die Abgabe verweigern, da sie den Schlankheitswahn bei der Zielgruppe des Hefts nicht unterstützen will. Auch verschiedene Zeitungen wie Bild sowie der Stern berichten über den Boykott. Der Verlag weist die Kritik zurück.

Medizini erscheint monatlich. Das Postermagazin klärt Kinder in einem Alter zwischen fünf und zwölf Jahren laut Verlag auf spielerische und altersgerechte Art über ihren Körper und ihre Gesundheit auf. Neben Eislauf-Tipps, Informationen zu Tieren und Leserwitzen gibt es für die jungen Leser in der aktuellen Ausgabe einen Test, wie zufrieden sie mit ihrer Figur sind.

Die Kinder sollen sieben Fragen wie etwa „Wie genau kennst du dein Gewicht?“, „Du siehst Fotos von schönen, schlanken Stars. Was denkst du?“ oder „Andere Kinder hänseln dich, weil du angeblich zu dick bist. Wie reagierst du?“ beantworten. Danach erhalten sie eine Auswertung.

In der Post-Apotheke von Thomas Luft wird das Heft nicht abgegeben. „Als Eltern von kleineren und größeren Kindern finden wir es falsch, bereits in diesem Alter Druck in Richtung 'Bin ich zu dick?' aufzubauen beziehungsweise den Blick in Richtung Schlankheitswahn zu schärfen“, heißt es als Begründung auf der Internetseite der Apotheke.

Lufts Beitrag findet auf Facebook zahlreiche Unterstützer – rund 180 Personen gefällt die Entscheidung, der Post wurde fast 60 Mal geteilt. Die Idee zum Boykott gehe auf die Kollegin Ann-Katrin Kossendey zurück, sagt er. Der Apotheker hält den Test für falsch: „Aufgabe als Eltern – und auch als Apotheker und PTA – ist es, Kindern die Grundlagen einer gesunden und ausgewogenen Ernährung zu vermitteln.“

Im Kindesalter solle noch nicht auf die Figur geachtet werden, da diese durch verschiedene Wachstumsphasen geprägt sei und sich oft verändere. Durch den Test werde eher das falsche Figurbewusstsein gefördert und „unbedarften Kindern eingeimpft, dass dies wichtig und richtig sei.“ Ein Beitrag zum Thema „Gesunde Ernährung für Kinder“ wäre geeigneter gewesen. Den Wort & Bild Verlag will Luft noch anrufen.

Auch in sozialen Netzwerken wird der Inhalt kritisiert: Dr. Stefan Noé, Inhaber der Karlsruher Bären-Apotheke, schreibt über Twitter: „Kein gutes Thema für Kids.“ Eine andere Nutzerin wird ironisch: „Sollte Ihr schulpflichtiges Kind mal zu glücklich mit sich selbst sein, einfach die nächste #Medizini besorgen.“ Die Post-Apotheke erhält für den Boykott über den Kurzmitteilungsdienst viel Zuspruch.

Bei Facebook ist der Figurtest ebenfalls Thema: Der Verein „Freie Apothekerschaft“ hat für Apotheker eine Briefvorlage veröffentlicht, damit sie sich dem Protest anschließen: „Die Ausgabe wird in meiner Apotheke wegen des Beilegers, speziell wegen des Artikels 'Wie zufrieden bist Du mit Deiner Figur', nicht abgegeben“, heißt es darin. Der Rechnungsbetrag solle storniert oder bis spätestens Ende Januar an das entsprechende Konto erstattet werden. Wenn der Verlag die Exemplare zurück haben wolle, sollten 6,99 Euro für das Porto überwiesen werden. „Ansonsten teilen Sie mir schriftlich mit, dass die medizini vernichtet werden können.“

Bei Medizini weist man die Kritik zurück: „Der Test ist für ältere Kinder ab neun oder zehn Jahre gedacht, für die Figur beispielsweise auf dem Schulhof ein Thema ist“, sagt Chefredakteur Harald Lorenz. Die Seite im Heft in der Rubrik „Wunderwerk Mensch“ richte sich in diesem Fall nicht an junge Kinder. Deshalb sei auch ein Mädchen im präpubertärem Alter abgebildet. „Wir drängen die Kinder nicht in irgendeine Richtung, sondern klären sie über das Thema auf“, sagt er. Über den Beitrag könne man streiten. „Vielleicht ist er zu offensiv und zu mutig.“

Medizini hat laut Verlag eine verkaufte monatliche Auflage von rund 1,5 Millionen Exemplaren. Das Heft gibt es seit 1974. Das Magazin besteht demnach aus zwei großen, auf DIN-A4-Format gefalteten Postern: Auf der Vorderseite des „Super-Posters“ im Format DIN-A1 werden Tiere abgebildet. Ein zweites Poster im kleineren Format präsentiert Sachthemen mit kurzen Texten und Illustrationen für Kinder. Das Heft müssen Apotheken gesondert bestellen. Pro Stück werden rund 50 Cent fällig.

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