Innovative Herstellungsmethoden

Individualisierte Tabletten durch 3D-Druck APOTHEKE ADHOC, 01.02.2020 09:11 Uhr

Individualisierte Kleinst- und Kleinchargen: Forscher der TH Köln und der Heinrich-Heine-Universität (HHU) in Düsseldorf testen den 3D-Druck von Kapseln. Foto: nito/shutterstock.com
Berlin - 

Werden 3D-Drucker in Zukunft die Arzneimittelherstellung revolutionieren? Forscher der TH Köln und der Heinrich-Heine-Universität (HHU) in Düsseldorf beschäftigen sich seit Sommer mit den Möglichkeiten des 3D-Drucks in der pharmazeutischen Produktion – im Fokus stehen individualisierte Arzneimittel.

Die Vorteile von individualisierten Medikamenten sind eine erhöhte Wirksamkeit, die gleichzeitig mit weniger Nebenwirkungen einhergeht. Mit dem 3D-Drucker könnten solche Arzneien effektiv in kleinen Mengen hergestellt werden: Daher beschäftigen sich die Wissenschaftler mit Arzneimitteln unterschiedlicher Dosis für individualisierte Kleinst- und Kleinchargen. Für das Projekt verwenden die Forscher einen pharmazeutischen Schmelzextruder: In ihm werden die Ausgangssubstanzen für die jeweiligen Medikamente vermischt und unter anderem mit bioresorbierbaren Polymeren, die der Körper abbauen kann, aufgeschmolzen.

Ebenfalls verwendet wird ein neu entwickeltes Drucksystem, mit dessen Hilfe orale Darreichungsformen hergestellt werden können. „Unser Augenmerk liegt darauf, ein absolut homogenes Gemisch herzustellen, das den Qualitätsstandards der Arzneimittelherstellung entspricht und jederzeit reproduzierbar ist“, erklärt Dr. Julian Quodbach vom Institut für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie der HHU, das für die Entwicklung und Erforschung der Wirkstoff-Polymermischungen zuständig ist. Insbesondere die Produktion von Medikamenten mit sehr geringer Wirkstoffdosierung sei dabei die Herausforderung.

Das neuartige Drucksystem wird vom Labor für Fertigungssysteme der TH Köln entwickelt. Es schließt direkt an den Extrusionsprozess an und soll etwa 100 Tabletten pro Stunde produzieren. „Wenn der Extruder einmal optimal eingestellt ist, muss er dauerhaft fördern und kontinuierlich Material liefern, um die Qualität und Gleichförmigkeit der Tabletten zu garantieren“, erklärt Tilmann Spitz von der TH Köln. Das Drucksystem hingegen arbeite diskontinuierlich und müsse prozessbedingt kurze Pausen einlegen, damit die einzelnen Darreichungsformen nicht durch Stränge verbunden seien und kein Material vergeudet werde. Um diese Problematik zu umgehen, will das Team ein Puffersystem entwickeln: In ihm soll das Material für eine gewisse Zeit bei Schmelztemperatur gespeichert und später wieder abgegeben werden können.

Auch hitzeempfindliche Wirkstoffe können verarbeitet werden: Denn da der Druckkopf direkt hinter dem Extruder platziert ist, wird ein Zwischenprodukt gespart. Die Polymere müssen nur einmal aufgeschmolzen werden. Bei einem herkömmlichen 3D-Druck wird die Polymer-Wirkstoffmasse nach dem Verlassen des Extruders zu langen Kunststoffsträngen – sogenannten „Filamenten“ – verarbeitet. Diese werden dann in einem 3D-Drucker ein zweites Mal aufgeschmolzen und gedruckt. Die Forscher erhoffen sich von der neuen Technologie zudem die Verarbeitung einer größeren Bandbreite von Polymer-Wirkstoffkombinationen, Wachsen und sogar Lipiden.

„Es gibt eine Reihe von Polymeren, die dabei helfen, schwer lösliche Wirkstoffe besser in den Körper aufnehmen zu können. Diese möchten wir gerne verarbeiten. Wachse und Lipide zeigen andere interessante Effekte, lassen sich aber nicht zu 3D-druckbaren Filamenten verarbeiten. Mit dieser neuen Technologie hoffen wir, auch diese vielversprechenden Substanzen für den pharmazeutischen 3D-Druck zugänglich zu machen“, sagt Quodbach. Das Projekt wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) von Juni 2019 bis November 2021 gefördert.

Auch andere Wissenschaftler beschäftigen sich mit dem 3D-Druck: Forscher der Hebräischen Universität von Jerusalem entwickelten ein Konzept, mit dem Kapseln mittels 3D-Drucker angefertigt werden können. Die Technologie basiert auf individuell gedruckten 3D-Hydrogelen mit verzögerter Freisetzung. Dadurch sei ein komplexes Design von Freisetzungssystemen möglich, das derzeit bei herkömmlichen pharmazeutischen Herstellungstechniken nicht verfügbar sei. Dieser Ansatz ermögliche das Drucken von angepassten und personalisierten Medikamenten aus Hydrogelobjekten, die sich nach einem zeitlichen Versatz ausdehnen, ihre Form verändern und aktiviert werden können.