Einkaufskonditionen

Gutachten zur Skontofrage Alexander Müller, 09.10.2018 10:17 Uhr

Berlin - 

Die Skontofrage scheint geklärt – sofern der Kabinettsentwurf zum Terminservicegesetz (TSVG) in diesem Punkt im parlamentarischen Verfahren nicht noch maßgeblich verändert wird. Doch die Verunsicherung in der Branche nach dem politischen Hin und Her in der Frage der Rabattsperre ist allerorten spürbar. Der Großhändler AEP – dessen Geschäftsmodell an dieser Frage hängt – hat sich vom Rechtsanwalt Bernhard Koch-Heintzeler ein Kurzgutachten zur Skonto-Frage anfertigen lassen. Aus dessen Sicht müssen sich weder seine Mandantschaft noch die Apotheker Sorgen machen. Mehr noch: Der Rechtsanwalt findet sogar die Rabattsperre verfassungswidrig.

Auslöser für die aktuelle geplante Klarstellung des Gesetzgebers ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) im „Skonto-Prozess“. Der hatte entschieden, dass der Wortlaut der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) nur eine Obergrenze für die Großhandelsmarge vorsieht, aber keine Untergrenze. Mit dem TSVG bringt der Gesetzgeber jetzt seinen – unveränderten – Willen deutlich zum Ausdruck, dass Rabatte nur aus dem variablen Teil der Großhandelsmarge von 3,15 Prozent auf den Herstellerabgabepreis gewährt werden dürfen und das Fixum von 70 Cent unangetastet bleiben muss.

Weil die Karlsruher Richter schon von einer fehlenden Untergrenze ausgegangen seien, hätten sie sich mit der Skonto-Frage gar nicht befassen müssen, erklärt Koch-Heintzeler. Mit dem TSVG stellt der Gesetzgeber dem Anwalt zufolge nun auch im Wortlaut des Arzneimittelgesetzes (AMG) klar, dass „Preisreglungen für ihn auch etwas mit dem Versorgungsauftrag der Hersteller und Großhändler zu tun haben“ – statt wie bisher nur in der Begründung. Von elementarer Bedeutung ist aus Sicht des Anwalts aber die geplante Änderung der AMPreisV, mit dem die Preisuntergrenze nunmehr auch im Wortlaut eindeutig und ausdrücklich fixiert werde.

Allerdings hält der AEP-Anwalt diese Begrenzung der unternehmerischen Freiheit der Großhändler nach wie vor für nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Denn während die Preisobergrenze durch „sachliche Gründe gerechtfertigt“ sei, treffe dies auf eine Preisuntergrenze eben nicht zu. Koch-Heintzeler zufolge ist die Begründung des Gesetzgebers, mit einem nicht rabattfähigen Fixum einen funktionsfähigen Großhandel sicherzustellen, keineswegs zwingend.

Sein Argument: Gemäß § 52b AMG habe der Großhandel ohnehin einen gesetzlichen Versorgungsauftrag, „und er muss selbst wissen, welche Preiskonditionen er unter welchen Voraussetzungen gewähren kann, um diesen Auftrag zu erfüllen, ohne ‚wirtschaftlichen Selbstmord‘ zu begehen“. Ohnehin gebe es eine Ungleichbehandlung der Rabattierung gegenüber geldwerten Vorteilen wie einer Vergütung auf Genossenschaftsanteile, kostenlose Schulungen, Werbemittel oder kostenlose Beratungsleistungen.

Wenn schon das Rabattverbot bei den 70 Cent verfassungsrechtlich kritisch sei, so gelte dies umso mehr für ein Skontoverbot, so der AEP-Anwalt. Denn Skonto sei keine Preiskondition, sondern eine Zahlungskondition – eine Gegenleistung für eine besonders kurzfristige Zahlung. Aus diesem Grund lässt Koch-Heintzeler auch jenes Urteil des OLG Stuttgart nicht als Gegenargument gelten, das die Gewährung von Skonti als versteckte Rabatte gewertet hatte. Denn in diesem Fall hatte eine Apotheke den Nachlass gewährt, obwohl im Einzelhandel fast immer direkt bezahlt wird und es entsprechend eben keine vorfällige Zahlung gibt.

Die vorgesehene Neufassung der AMPreisV enthalte keine Aussage dazu, ob Skonti oberhalb der 3,15 Prozent Rabattgrenze zulässig seien oder nicht, so Koch-Heintzeler. Das beunruhigt den Anwalt, der AEP auch im Skonto-Prozess vertreten hatte, aber nicht – im Gegenteil: Schon damit, dass es eine solche Aussage im Verordnungstext selbst nicht gebe, sei rechtlich klar, dass Skonti keinesfalls ausgeschlossen sind.

Auf die Begründung im Entwurf – in der übrigens explizit zwischen Skonto und Rabatt unterschieden werde – komme es insofern überhaupt nicht mehr an, so Koch-Heintzeler. Er habe überhaupt keine Zweifel, dass Skonti weiterhin gewährt werden dürfen – und zwar unabhängig vom Rabatt. Entscheidend sei nur, dass der Skontosatz in einem angemessenen Verhältnis zum Vorteil des Großhändlers stehe. Und dabei falle nicht nur der Zinsvorteil ins Gewicht, sondern etwa auch die Reduzierung des Vorfinanzierungsaufwands sowie ein geringeres Ausfallrisiko. Zudem würde neuen Unternehmen mit der Skonto-Gewährung der Marktzutritt erleichtert.

„Auch unter all diesen Gesichtspunkte hat die Zulässigkeit von Skonti, auch soweit sie bei der Zahlung zu einer Minderung des Festzuschlags führen würde, eine beachtliche wettbewerbspolitische Komponente und im Übrigen eine nach meiner Einschätzung entscheidende verfassungsrechtliche Komponente“, so das Fazit von Koch-Heintzeler.

Politisch sieht er sogar eine klare Linie: Dass Apotheken das Skonto ziehen könnten, habe der heutige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in seiner damaligen Funktion als gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion selbst geäußert. Allerdings kam die Klarstellung zu Skonti nach Informationen von APOTHEKE ADHOC in diesem Fall aus dem Bundeswirtschaftsministerium (BMWi).

In den Kreisen der Phagro-Großhändler vermutet man übrigens eine andere treibende Lobbykraft hinter dem Kurswechsel: die Importeure und namentlich Branchenprimus Kohlpharma. Als im Direktgeschäft sehr aktive Unternehmen haben die Importeure ein vitales Interesse an einer liberalen Rabattgestaltung. Der Verdacht: Kohlpharma als bedeutendes Unternehmen im kleinen Saarland soll seinen starken Einfluss auf den Landesverband der CDU geltend gemacht haben, um die Änderung im Gesetzesentwurf durchzudrücken. Das Indiz: Der merkwürdige Bezug auf den Herstellerabgabepreis in der Gesetzesbegründung. Der Beweis: Den gibt es nicht.