Die Sache mit der Sachkenntnis

Großhandel braucht Pharmazeuten 3. Klasse

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Berlin -

Wer mit Arzneimitteln handelt, sollte sich auch wenigstens ein bisschen damit auskennen. So die Überlegung der Aufsichtsbehörde, die einer vom Großhändler Sanacorp eingesetzten verantwortlichen Person die pharmazeutische Kompetenz absprach. Die Behörde setzte sich auch vor dem Oberverwaltungsgericht NRW durch, die Begründung überrascht etwas. Sanacorp kann gegen die Entscheidung noch in Revision gehen.

Für ihre Düsseldorfer Niederlassung hatte die Sanacorp 2014 einen gelernten Groß- und Außenhandelskaufmann als „verantwortliche Person“ gemeldet. Der Mitarbeiter war seit Februar 2015 als Betriebsleiter tätig und hatte schon mehrere andere Niederlassungen des Großhändlers geleitet. Die Genossenschaft machte geltend, dass er daher mit den Gegebenheiten und Anforderungen eines pharmazeutischen Großhandelsbetriebes bestens vertraut sei.

Doch die Aufsicht hatte Einwände. Die Bezirksregierung teilte im April 2014 mit, dass der Nachweis der Sachkenntnis „für Herrn Q.“ nicht erbracht worden sei. Sie drohte sogar, das Ruhen der Großhandelsgenehmigung anzuordnen, wenn nicht der erforderliche Sachkenntnisnachweis erbracht oder eine andere Person benannt werde.

Man traf sich vor Gericht. In erster Instanz bestätigte das Verwaltungsgericht Düsseldorf (VG) die Einschätzung der Behörde, dass langjährige Berufserfahrung im Arzneimittelgroßhandel und eine kaufmännische Ausbildung allein nicht ausreichen. Und auch die Berufung der Sanacorp wurde zurückgewiesen. In den jetzt vorliegenden Urteilsgründen führt das OVG aus, dass eine pharmazeutische Ausbildung nicht zwingend erforderlich ist, die Eignung aber im Einzelfall belegt werden muss.

Die Sanacorp hatte sich auf ein Positionspapier des Phagro bezogen, wonach eine naturwissenschaftliche oder pharmazeutische Ausbildung der verantwortlichen Person nicht notwendig sei. Auch die Großhandelsverordnung (AM-HandelsV) verlange nicht, dass die zuständige Person bei der Implementierung und Aufrechterhaltung eines Qualitätssicherungssystems etwa selbst die Standards aufstelle. Produkte mit vergleichbaren Lager- und Transportbedingungen aufzuteilen, könne auch ein Mitarbeiter ohne Staatsexamen, so das Argument.

Viel diskutiert wurde um die Bewertung des Zustands von Arzneimitteln. Sei etwa bei einer Retoure eine Qualitätsbeeinträchtigung nicht auszuschließen, werde sowieso auf die analytischen Verfahren des Herstellers zurückgegriffen, trug Sanacorp vor. „Kein Experte, auch kein Pharmazeut, vermöge für jedes einzelne vom Großhändler vorgehaltene Produkt eine sachkundige wissenschaftliche Bewertung der Auswirkungen eines potentiellen Störfaktors zu treffen. Würde etwa eine als verantwortliche Person benannte pharmazeutisch-technische Assistentin aufgrund ihrer Ausbildung eine solche Einschätzung selbst vornehmen, liefe dies der Arzneimittelsicherheit zuwider“, argumentierte der Großhändler. Die Bewertung der verantwortlichen Personen sei rein dokumentenbasiert.

Die Aufsicht hielt dagegen, dass die Sanacorp ja offenbar selbst von der Erforderlichkeit einer besonderen Fachkompetenz ausgehe. Warum sonst hätte sie in ihrem Betrieb eine „Apothekerkommission“ als interne Expertenfachgruppe bestellt? Bei der verantwortlichen Person sollte nach ihrer Einschätzung mindestens eine Sachkenntnis gemäß § 15 Arzneimittelgesetz (AMG) vorliegen.

Das OVG führt in seiner Begründung jetzt aus, dass Kenntnisse im Umgang mit Arzneimitteln bestehen müssen, die in etwa in einer pharmazeutischen Berufsausbildung vermittelt würden. Pharmaziestudium und auch eine PTA-Ausbildung reichten auf jeden Fall aus, seien aber nicht Voraussetzung. Die Benennung sei „nicht bloße Formsache“, schreibt das Gericht und listet als Aufgabengebiete unter anderem die Implementierung und Einhaltung eines Qualitätssicherungssystems sowie die Entscheidungen über die Verkehrsfähigkeit bestimmter Arzneimittel. Zwar könnten einzelne Aufgaben übertragen werden, nicht aber die Verantwortung.

In den GDP-Leitlinien werde ein abgeschlossenes Pharmaziestudium als „wünschenswert“ genannt. Die verantwortliche Person müsse jedenfalls den aktuellen Stand der Wissenschaft und Technik zur etwaigen Anpassung der Qualitätssicherung kennen und beurteilen können. Diese Sachkenntnis könne im Einzelfall etwa auch „durch eine langjährige einschlägige Berufserfahrung und berufsbegleitende Schulungen oder Fortbildungen“ erworben werden. In Betracht zum Nachweis der Eignung kämen etwa „ein aussagekräftiger Lebenslauf, Bescheinigungen über Praktika oder Hospitationen, aus denen sich die wahrgenommenen Aufgaben ergeben, (Arbeits-)Zeugnisse sowie im Betrieb […] geführte Dokumentationen“.

Jener Herr Q. hatte zwar wiederholt Weiterbildungsseminare bei der Apothekerkammer besucht, aber die richteten sich laut OVG eben an Apotheker mit abgeschlossenem Studium und seien daher wenig geeignet, pharmazeutische Grundlagen zu vermitteln. „Das im Jahr 2014 besuchte Seminar hatte auf dem Gebiet der pharmazeutischen Technologie die „Verpackung und Produktionsplanung“, im Besonderen die „Good Storage Practice / Good Distribution Practice“, zum Gegenstand und umfasste innerhalb von sieben Stunden insbesondere die Themen Qualitätsmanagement, GDP-Leitlinien, Draft-Leitlinie für Wirkstoffe, Zulassung und Genehmigungen, Personal einschließlich Verantwortlichkeiten und Schulungen, Dokumentation, Lager und Transport, Validierung/Qualifizierung, Hygiene sowie Abweichungen und Risk Management.“ Das reichte nicht, befand das OVG.

Und dass es seit 2005 keine einzige Beanstandung der Aufsichtsbehörde gegeben hat, ließen die Richter auch nicht als Argument gelten. Schließlich hätte sich Herr Q. ja von der Apothekerkommission beraten lassen können, die Verantwortung sei aber personengebunden.

Das Gericht hat Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen. Es ist anzunehmen, dass die Sanacorp den Gang nach Leipzig antreten wird. Schließlich geht es um die Klärung einer grundsätzlichen Frage, die sich dem Vernehmen nach auch in anderen Niederlassungen stellt.

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