Internethandel

GreenOffizin: Neue Versandapotheke Patrick Hollstein, 05.01.2018 10:30 Uhr

Berlin - 

Heute noch eine neue Versandapotheke zu etablieren, halten Branchenkenner für so gut wie unmöglich. Doch am 10. Januar soll mit GreenOffizin ein weiteres Angebot live gehen. Unter dem Motto „Natürlich gesund bleiben“ liegt der Fokus auf Naturheilkunde, freiverkäuflichen Arzneimitteln, Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten. Der Hintermann ist ein alter Bekannter, doch das Konstrukt ist noch undurchsichtig. 

Noch vier Tage: Auf der Startseite von GreenOffizin läuft der Countdown bis zum Livegang. Ansonsten erfährt man, dass man bis zu 55 Prozent sparen kann, dass ab 29 Euro die Versandkosten entfallen und dass es eine „Riesenauswahl“ und „kleine Preise“ geben soll.

Im Impressum ist ein Postfach in Bonn angegeben, offenbar hat die Firma eine Lagerhalle im Gewerbegebiet Auerberg angemietet. Telefonisch ist das Unternehmen allerdings unter einer Kölner Nummer zu erreichen, wobei mehrfache Versuche der Kontaktaufnahme auf diesem Weg erfolglos blieben.

Die Website wird als Angebot der „Green Offizin EU Scheepvaart Apotheek“ mit Sitz im niederländischen Maastricht ausgewiesen – eine Firma mit diesem Namen findet sich allerdings nicht. Unter der angegebenen Adresse ist keine Apotheke zu finden, bei Google Street View erscheint stattdessen ein Gemüsebeet in einer Kleingartenanlage. Nach Angaben der Nachbarn gibt es die Hausnummer gar nicht. Als verantwortliche Apothekerin wird die rumänische Pharmazeutin Christina Nikola angegeben. „Bei uns finden Sie ganz sicher in kurzer Zeit für sich und Ihre Liebsten immer das richtige Produkt für Gesundheit und Wohlbefinden“, verspricht sie. Die Dame auf dem Foto daneben ist allerdings ein häufig genutztes Model aus einer Datenbank.

Rezepte können bei GreenOffizin ebenfalls eingelöst werden, allerdings nennt sich der Ansprechpartner hier GreenOffizin24. Dabei wird als Verantwortlicher der Münchener Apotheker Dr. Mohammed Rihani genannt; mit seiner Rihani Apotheke sowie GreenOffizin24 ist er auch im Versandapothekenregister des DIMDI zu finden. Für Nachfragen zum Konzept war er bislang telefonisch nicht zu erreichen.

Letztendlich steht hinter GreenOffizin nach Informationen von APOTHEKE ADHOC der Münchener Unternehmer Lutz Kortmann mit seiner Firma DLS, die sich als „Spezialist für Vertriebslösungen und kundenorientierte Vermarktung in der Gesundheitsbranche“ ausgibt und mit mehr als 25 Jahren Apothekenerfahrung wirbt.

Der ehemalige Chef der Gummibärchen-Firma Alpenland hatte vor einigen Jahren für Schlagzeilen gesorgt, als er über seine Firma Veniapharm in großem Stil Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln, Großhändler und Apotheken abgemahnt hatte. Allein in den Jahren 2013 und 2014 sollen von den Rechtsanwälten Beyerlein mindestens 160 Abmahnungen ausgesprochen worden sein – rechtsmissbräuchlich, wie verschiedene Oberlandesgerichte befanden. Am Ende versandete die Welle in Karlsruhe. Ein Strafverfahren wegen versuchten Betrugs in Tateinheit mit falscher Versicherung an Eides statt wurde vom Amtsgericht München nicht angenommen.

Kortmann war ebenfalls telefonisch nicht zu erreichen. In der Branche rätselt man daher, was es mit dem neuen Auftritt auf sich hat. Um eine neue Versandapotheke aus der Taufe zu heben, hätte es im Vorfeld Kontakt mit den Herstellern geben müssen – dies umso mehr, als sich GreenOffizin derzeit als Mediaplattform für die Unternehmen und ihre Produkte präsentiert: „Für Industriepartner haben wir ein umfangreiches Portfolio vorbereitet, um Ihre Produkte und Ihren Brand in einem exklusiven Umfeld zu platzieren“, heißt es auf der Website, wo – teilweise anhand von Produkten anderer Kortmann-Firmen wie Euviril, Migradolor und Sonosan – zahlreiche Werbemöglichkeiten präsentiert werden.

Tatsächlich ist GreenOffizin unter den führenden Phytoherstellern noch weitgehend unbekannt. Nur ein Unternehmen kann sich erinnern, dass es Kontakt gegeben hat. Allerdings sei nur eine kleine Menge an Ware bestellt worden – als Lieferadresse sei auch nicht das Logistikzentrum in Bonn, sondern die Partnerapotheke in München angegeben worden.

In den Mediadaten, die nicht auf der Website zu finden sind, verspricht GreenOffizin den Firmen: „Erreichen Sie mit uns Millionen Kunden, die sich bei GreenOffizin.de informieren, Gesundheitsprodukte finden und kaufen.“ GreenOffizin biete eine „Riesenauswahl an Naturheilmitteln, freiverkäuflichen Arzneimitteln, hochwertigen Nahrungsergänzungsprodukten und Apothekenkosmetik zu besonders kleinen Preisen“.

Kunden könnten bei GreenOffizin „schnell, und vor allen Dingen günstig, ihren Einkauf von Apothekenprodukten ganz bequem online vornehmen“. Und: „Attraktive Produktauswahl und sorgfältige Beratung stehen im Mittelpunkt eines jeden Kundenkontaktes.“ Modernste Technik und schlanke Logistikprozesse ermöglichten eine zuverlässige und zeitnahe Lieferung direkt an die Haustür.

Kernzielgruppe seien gesundheitsorientierte Frauen, Familien und online-affine Silver Ager. „Nutzen Sie GreenOffizin gezielt als Media Plattform für Ihre Werbe-Botschaften“, lautet daher die Botschaft an die Industrie. Gebucht werden können neben Werbebannern auch Marken- und Themenshops; hier liegt der Einstiegspreis bei 750 Euro bei einer Mindestlaufzeit von sechs Monaten, zuzüglich Einrichtungspauschale von 1000 Euro. Ein umfangreiches Reporting gehört zum Paket dazu.

Kaufen kann man sich auch die Kategorien „Unsere Apothekerin empfiehlt“, „Liebling der Woche“ und „Knaller des Monats“. Auch neben dem Warenkorb und dem Bezahlvorgang sollen „Mitnahmeeffekte“ durch Banner induziert werden. GreenOffizin wirbt damit, dass „die Face-to-Face Beratung aus der Apotheke nachgestellt wird“ und die Werbung „die Form der Apothekenempfehlung annimmt“.

Auch Erinnerungsmails für Produkte, die regelmäßig eingenommen werden, können für 450 Euro gebucht werden. Wer will, kann sich als Hersteller auch in die viermal jährlich geplante Verwöhnbox mit einer Auflage von 3000 Stück einkaufen. Hier sollen Kunden für 24,95 Euro eine Zusammenstellung von Produkten in einem Wert von 60 bis 70 Euro bestellen können, Arzneimittel sind ausgenommen.

Also ist GreenOffizin doch ernst gemeint? Das wird der Blick auf die Website am kommenden Mittwoch verraten. Einstweilen sucht die Versandapotheke in spe schon nach Verstärkung: Apotheker und PKA sollen genauso eingestellt werden wie Kaufleute und Logistikmitarbeiter. Ab August sollen auch Praktika unter anderem an PTA vergeben werden.