Oberhänsli über Corona und E-Rezept

„Eine Marktentwicklung wie jetzt in Deutschland gibt es nur einmal“ APOTHEKE ADHOC, 13.06.2020 08:24 Uhr

Corona und E-Rezept: Für Walter Oberhänsli, CEO von Zur Rose, ist die Ausgangslage einzigartig. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Für Walter Oberhänsli, CEO des DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose, ist die Corona-Krise ein „Katalysator“ für den Versandhandel. Im Interview mit „Finanz und Wirtschaft“ erklärt er, welche positiven Effekte die Situation für seine Gruppe gebracht hat.

„Die Coronakrise wirkt als Katalysator, auch wenn es noch nicht greifbar ist“, so Oberhänsli im Interview. Ende März habe man etwa 10 Prozent Neukunden ­gewonnen im Vergleich zu Ende 2019. „Unsere langjährige Erfahrung zeigt, dass Neukunden in aller Regel bei uns bleiben.“ Ein weiteres Beispiel sei die gewonnene Dynamik bei der Einführung des E-Rezepts: „Wir hätten uns nicht träumen lassen, dass der deutsche Gesetzgeber das E-Rezept mit einer solchen Geschwindigkeit auf den 1. Januar 2022 einführt, und erst noch verpflichtend.“

In der Corona-Krise kam Zur Rose zugute, dass nach den Zukäufen der vergangenen Jahre die Struktur nach wie vor dezentral ist: „Die noch vielen Standorte haben sich in der Krise als Vorteil entpuppt, weil wir flexibler auf die Nachfrage reagieren konnten. Wir klären derzeit ab, ob künftig ein einziger Logistikstandort wirklich ausreicht.“

Coronabedingt habe sich auch die Preisaggressivität etwas beruhigt. Die Marktteilnehmer hätten außerdem eingesehen, dass die Zukunft vor allem im Rezeptgeschäft liege, so Oberhänsli. Auf die vor Monaten kolportierten Fusionspläne mit dem Konkurrenten Shop-Apotheke angesprochen, sagte er: „Für die Konsumenten ist eine Konkurrenzsituation sicher attraktiver. Betriebswirtschaftlich gesehen würde ein Zusammenschluss viele Synergien freilegen. Die industrielle Logik wäre vorhanden, gerade mit Blick auf das kommende E-Rezept-Geschäft in Deutschland. Aber eine Fusion würde extrem viele Kräfte binden, und im Moment hat jeder genug zu tun.“

Außerdem habe Zur Rose nach zwei Anleihen „genug Muskelkraft, um die Marktchancen in Deutschland zu nutzen“. Dabei soll es weiter nicht um Gewinne gehen: „In einem Wachstumsmarkt geht es um das Abwägen zwischen Aufbauinvestitionen und Profitabilität. Die Profitabilität hängt davon ab, wie viel wir in Marketing investieren. Wir könnten rasch profitabel sein, wenn wir diese Ausgaben reduzierten. Doch das ginge zulasten von künftigem Wachstum. Eine Marktentwicklung wie jetzt in Deutschland gibt es nur einmal.“

Doch nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa wird aus seiner Sicht der Versandhandel in fünf Jahren ein fester Bestandteil der Versorgung sein, auch im Rezeptbereich. „Da sprechen wir von einem 150-Mrd.-Markt. Das ist eine hoch spannende Ausgangslage.“

Zur Rose habe den Ehrgeiz, auch in Zukunft die Nummer 1 zu sein. „Diesen ­Willen haben wir über viele Jahre bewiesen, ge­gen sämtliche Widerstände und unter Inkaufnahme von Widerwärtig­keiten wie persönlichen Strafverfahren. ­E-Commerce mit Medikamenten dient nicht nur dem Wohl der Patienten, sondern schöpft auch Effizienzreserven im Gesundheitssystem aus.“