Kommentar

Ein starkes Gift Alexander Müller, 28.05.2019 09:58 Uhr

Injiziertes Gift: Merz provoziert mit seinen Botox-Spritzen den kompletten Fall der Preisbindung. Foto: Kaiser
Berlin - 

Es geht doch nur um ein paar Botox-Spritzen – was soll da schon Schlimmes passieren? Nun, der Tod. Zwar werden neurotoxische Proteine auch in der kosmetischen Medizin eingesetzt, Botulinumtoxin ist in höherer Dosierung aber so ziemlich das tödlichste bekannte Gift. Auch das Preisrecht ist nicht immun. Ein Kommentar von Alexander Müller

Hersteller Merz (Tetesept) wollte sein Botox-Mittel nur mit Rabatt an Ärzte verramschen und hat dazu – statt einfach den Listenpreis zu senken – eine niederländische Versandapotheke eingespannt. Weil die laut Europäischem Gerichtshof (EuGH) einen strukturellen Vorteil gegenüber einer Vor-Ort-Apotheke benötigt, um konkurrenzfähig zu sein, darf sie Patienten mit Rabatten auf eigentlich verschreibungspflichtige Arzneimittel locken. Merz argumentiert: Wie soll die arme Europa Apotheek Rabatte gewähren, wenn sie uns den vollen Preis zahlen muss?

Und die Gerichte geben dem Hersteller bislang recht: Das Preisrecht ist nun auch auf Herstellerseite hinfällig, wenn das Unternehmen seine Ware an eine EU-Versandapotheke verkauft. Man kann das konsequent finden, in der Praxis macht es aber einen erheblichen Unterschied, ob Shop-Apotheke und DocMorris nur aus ihrer eigenen Marge Rabatte gewähren können oder jetzt auch noch im Einkauf bevorzugt werden. Erst vor kurzem hat Walter Oberhänsli, CEO des DocMorris-Mutterkonzerns Zur Rose, die Devise ausgegeben, durch Bündelung des Einkaufs 1 bis 2 Prozent an Marge herauszuholen.

In der Regel gibt es für Hersteller keinen Anreiz, verschreibungspflichtige Arzneimittel günstiger an eine bestimmte Apotheke abzugeben. Den Bedarf steuern die Ärzte. Aber eben nicht absolut. Was ist mit Rabattverträgen mit mehreren Partnern? Wer sich hier beim EU-Versender mit Sondernachlässen die Pole Position kauft, kann seinen Marktanteil erhöhen.

Zugegeben, gerade in dem Bereich haben die Generikafirmen nicht mehr viel Luft zum Atmen, aber auch außerhalb der Rabattverträge kann man kreativ werden: Fast alle Generikahersteller haben ein OTC-Sortiment, das beim Versender mehr oder weniger prominent präsentiert werden kann.

Einkaufsrabatte im Rx-Markt sind immer noch egal, solange der Marktanteil der Versender im unteren einstelligen Bereich herumdümpelt. Doch während sich hierzulande Apotheken für jedes Prozent Skonto rechtfertigen müssen, sollen EU-Versender künftig frei einkaufen können? Die fiebrigen Aktivitäten im Vorfeld der Einführung des E-Rezepts spiegeln die Erwartungshaltung der Branche, was die Frage der künftigen Marktaufteilung betrifft. Bei Zur Rose hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mittlerweile gottähnlichen Status.

Es war das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG), das den Fall zu den DocMorris-Boni dem EuGH vorgelegt hat. Jetzt hat derselbe Richter das Rabattmodell von Merz durchgewinkt – und dies mit dem EuGH-Urteil begründet. Das ist noch nicht der Zusammenbruch des Preisrechts, aber die Risse werden größer. Gegen die Sorgenfalten, die die jüngsten Entwicklung den Apothekern hierzulande verursachen, reicht nicht einmal mehr Botox.