Streit um Kennzeichnung

Biosan: Hexal gibt Entwarnung Nadine Tröbitscher, 29.11.2019 10:44 Uhr aktualisiert am 29.11.2019 18:15 Uhr

Berlin - 

Das Oberlandesgericht (OLG) München hat Hexal untersagt, im geschäftlichen Verkehr mit bestimmten Bezeichnungen für seine Biosan-Produkte zu werben. Gilt das nur für die Werbeflyer – oder auch für die Verpackungen an sich? Laut dem Verband Sozialer Wettbewerb (VSW) ist der Vertrieb aufgrund des Urteils nicht mehr zulässig, Hexal sieht das grundlegend anders: Laut Konzern können die vorhandenen Bestände weiter abverkauft werden. Und es gibt Entwarnung für die Apotheken.

Das Urteil fiel Ende Oktober, das Eilverfahren ist damit abgeschlossen. Im Prozess ging es um Werbematerialien, die der Konzern zur Markteinführung erstellt hatte. Die Produkte selbst waren nicht Gegenstand des Verfahrens – weil sie zum Zeitpunkt der Abmahnung noch nicht auf dem Markt waren und aus prozessualen Gründen nicht nachträglich eingebracht werden konnten.

Laut Hexal bezieht sich das Urteil daher nur auf die Werbung – und man sei bereits dabei, alle Vorgaben des Gerichts umzusetzen, so Dr. Gregor Wenzel aus der Rechtsabteilung von Hexal: Man habe die Apotheken proaktiv angeschrieben und ihnen neue Werbematerialien zur Verfügung gestellt. „Wir sind nach bestem Wissen und Gewissen compliant mit dem Urteil.“

Auf keinen Fall lasse sich dem Urteil ein Vertriebsverbot entnehmen; das habe das Gericht in der mündlichen Verhandlungen auch explizit geäußert, da nur die Werbung im Streit gestanden habe. Seine Botschaft an alle Apotheker, die jetzt verunsichert sind: „Es gibt derzeit keine Entscheidung gegen die Vertriebsfähigkeit der Produkte.“

Der VSW, der gegen Hexal, aber auch andere Hersteller mit ähnlichen Produkten vorgegangen war, sieht das komplett anders: Aus Sicht des Wettbewerbsvereins dürfen die Produkte in ihrer derzeitigen Aufmachung nicht mehr verkauft werden. Das Problem: Auf den Werbeflyern, über die vor Gericht gestritten wurde, waren die Biosan-Packungen abgebildet. Und das Gericht hat sich in seiner Begründung auch dezidiert mit den Produktbezeichnungen und den Behauptungen auf der Verpackung auseinander gesetzt und diese für unzulässig erklärt. Laut VSW sind damit auch die realen Umkartons und somit die Produkte angreifbar.

Gegen diese Lesart spricht, dass das Gericht die Verbote entsprechend der vorliegenden Anträge auf die konkreten Darstellungen beschränken musste. Außerdem findet sich ganz am Ende in der Entscheidung zur Frage der Sicherheitsleistung tatsächlich der Hinweis, dass nur Werbung und Kennzeichnung, nicht aber der Vertrieb verboten worden seien.

Auch wenn also kein explizites Vertriebsverbot ausgesprochen wurde, so steht nach Auffassung des VSW die Zulässigkeit der Kennzeichnung grundsätzlich in Frage. Hexal beruft sich dagegen auf die mündliche Verhandlung und die Aussage im Urteil, dass die Verbote nicht hinsichtlich des Vertriebs der Produkte ausgesprochen sind. Laut VSW laufen Apotheker dagegen Gefahr, selbst wegen der Produkte abgemahnt zu werden. Pläne diesbezüglich gibt es zumindest beim VSW nicht.

Im Gegenteil: „Wir sind im Moment in Gesprächen mit dem VSW bezüglich der Auslegung des Urteils. Es sieht im Moment nach einer einvernehmlichen Lösung aus, bei der auch die Produkte im Markt berücksichtigt werden“, so Wenzel: „Der VSW hat zugesichert, dass er während der Vergleichsgespräche nicht gegen Apotheken und Großhändler vorgehen wird.“

Bei Hexal ist man bemüht, den Fall abzuschließen. Es werde keine neue Ware mehr in der alten Aufmachung ausgeliefert, so der Jurist. „Wir werden die Packungen selbstverständlich ändern.“

Im schlimmsten Fall hätte Hexal vielleicht sogar einen Rückruf bei den Apotheken veranlassen müssen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte 2016 in einem ähnlichen Fall entschieden, dass ein Hersteller dazu verpflichtet gewesen war, weil ihm zuvor verboten worden war, bestimmte Produkte unter einer Marke „zu bewerben und/oder zu vertreiben“. Der Verbotsbereich eines Unterlassungstitels beschränke sich nicht auf die konkreten Verletzungsformen, sondern umfasse auch „kerngleiche Verletzungshandlungen, in denen das Charakteristische des titulierten Verbots zum Ausdruck kommt und die bereits Gegenstand der Prüfung im Erkenntnisverfahren gewesen sind“, so die Erläuterung: Das „Charakteristische des Verbots“ sei die Bezeichnung des Produkts gewesen, daher war laut BGH auch der weitere Vertrieb unzulässig.

Laut Wenzel ist das Urteil aufgrund der klaren Aussage des OLG nicht übertragbar, zumal es damals um die Produkte und nicht um die Werbematerialien ging.

Hexal darf laut Urteil unter anderem nicht mehr mit den Bezeichnungen „Biosan Stress“ im Zusammenhang mit dem hervorgehobenen Hinweis auf Darmbakterien und die Abbildung von Darmschlingen sowie „Biosan AAD Plus“ werben. Untersagt wurde auch der Verweis auf „natürliche Darmbakterien“ bei „Biosan Immun“ und „Biosan Basis“.