Versandapotheken

Gericht verbietet Freiumschläge von DocMorris Alexander Müller, 27.02.2017 09:19 Uhr

Berlin - 

Seit dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darf DocMorris Kunden mit Rx-Boni locken. Doch bis das E-Rezept eingeführt wird, müssen sich ausländische Versandapotheken die Papierrezepte mühsam schicken lassen. Um trotzdem an möglichst viele rosa Zettel zu kommen, werden munter Freiumschläge verteilt. Doch damit könnte in dieser Form bald Schluss sein – wenn eine Apothekerin vor Gericht weiterhin so erfolgreich ist.

Nach dem Urteil aus Luxemburg hat DocMorris nicht nur eine Werbekampagne im Fernsehen geschaltet, sondern auch immer wieder Flyer in den Markt gedrückt. Sogar im Mitgliedermagazin der DAK-Gesundheit gab es einen Beileger. Wo möglich, gibt es Briefumschläge mit dem DocMorris-Logo gleich dazu, adressiert an das Aachener Postfach der niederländischen Versandapotheke und natürlich portofrei.

Einer dieser Flyer mit Freiumschlag landete kurz vor Weihnachten auch im Briefkasten einer Apothekerin aus Baden-Württemberg. Sie mahnte DocMorris ab. Aus ihrer Sicht verstößt die Versandapotheke gegen die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO). Nach dieser sei die Abfrage einer Telefonnummer beim Kunden eine zwingende Voraussetzung, um überhaupt Versandhandel betreiben zu dürfen. Diese Vorschrift gelte auch für Versandapotheken. Da DocMorris seine Kunden nicht darauf hinweise, sei die Werbung unzulässig und wettbewerbswidrig.

Das Landgericht Stuttgart (LG) sah das ebenso und erließ Ende vergangener Woche eine einstweilige Verfügung gegen DocMorris. Der Versandapotheke wird damit verboten, mit dem monierten Flyer „für die Einsendung von Rezepten zu werben, ohne zugleich dem Verbraucher mitzuteilen, dass für die Einlösung der Verschreibung die Angabe einer Telefonnummer für telefonische Rückfragen erforderlich ist“. DocMorris kann gegen diese Entscheidung noch in Berufung gehen.

Aus Sicht der Richter verstößt DocMorris gegen die ApBetrO. Im entscheidenden § 17 heißt es wörtlich: „Bei dem […] Versand hat der Apothekenleiter sicherzustellen, dass die behandelte Person darauf hingewiesen wird, dass sie als Voraussetzung für die Arzneimittelbelieferung mit ihrer Bestellung eine Telefonnummer anzugeben hat, unter der sie durch pharmazeutisches Personal der Apotheke […] auch mittels Einrichtungen der Telekommunikation ohne zusätzliche Gebühren beraten wird.“

DocMorris frage jedoch an keiner Stelle die Telefonnummer des Kunden ab, monierten die Richter. Die Versandapotheke könne sich auch nicht mit ihrer kostenlosen Hotline herausreden. Denn damit könne zwar der Verbraucher die Apotheker erreichen, nicht aber umgekehrt. Aus Sicht der Zur Rose-Tochter reichen Hotline, E-Mail und Videochat als Angebot aus.

Die Versandapotheke hatte zur Verteidigung auch noch vorgetragen, man könne über den verordnenden Arzt den Patienten ausfindig machen. Doch die Richter ließen auch das nicht durchgehen und argumentieren lebensnah: „Ärzte sind häufig telefonisch nicht gut erreichbar bedingt durch telefonische Terminvergaben über die Praxistelefonnummer, eingeschränkte Anwesenheiten, Patientengespräche und -behandlungen, Urlaubsabwesenheiten und dergleichen mehr.“ Fraglich sei zudem, ob der Arzt ohne Weiteres die Nummer seines Patienten an die Apotheke weitergeben würde. Für den Versender sei die Hürde der Kontaktaufnahme jedenfalls deutlich größer.

Selbst wenn Apotheker Rückfragen zur Therapie meist mit dem Arzt zu klären hätten, ändere dies nichts an ihrer Beratungspflicht gegenüber dem Patienten, so das LG. Rückfragen beim Patienten seien vielleicht die Ausnahme – es geht laut Urteil jedoch immerhin um den Umgang mit Arzneimitteln. Der Gesetzgeber habe auch für diese seltenen Fälle eine Kontaktaufnahme seitens der Apotheke vorgesehen.

Schließlich spielte DocMorris noch die EU-Karte. Die ApBetrO sei für Apotheken in den Niederlanden gar nicht anwendbar. Zudem würden ausländische Versender davon diskriminiert. Letzteres bügelten die Richter damit ab, dass deutsche Versandapotheken ebenfalls eine Telefonnummer erfragen müssten, von einer Ungleichbehandlung also keine Rede sein könne.

Auch das von DocMorris ins Spiel gebrachte EuGH-Urteil zu Rx-Boni rettete die Versandapotheke nicht, Stichwort: Einschränkung der Warenverkehrsfreiheit. Die Richter am LG finden nicht nur die Vorschrift der ApBetrO gerechtfertigt, sie sei auch ein weniger starker Eingriff als die Preisbindung. Es würden damit lediglich „Regelungen zur Durchführung des Handels“ gesetzt.

DocMorris sieht in den Vorgaben dagegen eine gezielte „Abschottung des deutschen Apothekenmarktes“. Denn Verbraucher würden nur sehr ungern persönliche Daten preisgeben, vor allem nicht ihre Telefonnummer. Die Versandapotheke spielte damit wohl auf ungefragte Werbeanrufe an.

Schließlich wurde darum gestritten, ob der Verstoß gegen die ApBetrO überhaupt wettbewerbsrechtlich relevant ist. DocMorris wollte dies – wenn überhaupt – unterhalb der Bagatellschwelle sehen. Doch die Richter ließen auch in diesem Punkt nicht mit sich verhandeln: Die menschliche Gesundheit als Schutzgut könne gefährdet sein, wenn eine erforderliche Beratung durch die Apotheke unterlassen werde. Die Anforderungen an die Relevanz seien in solchen Fällen grundsätzlich gering. Mit anderen Worten: Es gibt keine Bagatellverstöße, wenn es um das Leben geht.

Was die Apothekerin womöglich auch noch zu ihrer Klage bewog: In dem Flyer, den sie kurz vor Weihnachten erhielt, war die Aussage hervorgehoben, jeder bei DocMorris sei bereit, das entscheidende Bisschen mehr zu leisten. Besonders betont wurden in diesem Zusammenhang die Leistungen: pharmazeutische Beratung, Doppelverordnungskontrolle, 4-Augen-Prinzip und Wechselwirkungsprüfung.