Blutzuckermessgeräte

Blackbox Freestyle Libre Nadine Tröbitscher, 22.12.2016 10:32 Uhr

Berlin - 

Freestyle Libre soll die Blutzuckermessung vereinfachen; allerdings vertreibt der Hersteller Abbott das System ausschließlich direkt und an den Apotheken vorbei. Damit reißt der Konzern die Datenhoheit an sich: Niemand weiß, wie viele und welche Diabetiker das System nutzen.

2014 eingeführt, ist Freestyle Libre mittlerweile in 23 Ländern erhältlich. Patienten tragen einen Sensor an der Rückseite des Oberarmes, der über ein etwa fünf Millimeter langes Sensorfilament kontinuierlich Messungen im Zellzwischenwasser des Unterhautfettgewebes vornimmt. Tag und Nacht werden Werte ermittelt, etwa alle 15 Minuten aktualisiert sich dabei der Sensor.

Patienten werden nicht von den Vor-Ort-Apotheken versorgt, sondern ausschließlich per Hotline betreut. Abbott betreibt einen eigenen Webshop, hier müssen die Patienten ein Kundenkonto einrichten und zahlreiche persönliche Daten hinterlegen.

„Für jedes unserer Produkte müssen wir einen entsprechenden Vertriebsweg wählen. Bei unserem Glukosemesssystem Freestyle Libre haben wir einen für Produkte in der Hilfsmittelversorgung etablierten Weg des Vertriebes gewählt“, argumentiert der Hersteller. „Die mit diesem Vertriebsweg assoziierte Webseite beinhaltet Trainingsvideos und die Möglichkeit für Kunden, Experten zu kontaktieren.“ Wie viele Patienten aktuell mit dem Messgerät versorgt werden, will der Hersteller nicht verraten. In den Statistiken der Marktforschungsunternehmen taucht Freestyle Libre nicht auf, da das Geschäft ausschließlich über Abbott direkt läuft. Dem Vernehmen nach nutzen bereits mehr als 100.000 Diabetiker das System alleine in Deutschland.

Der Direktvertrieb hatte unter Apothekern für viel Unmut gesorgt. Der bayerische Verbandschef Dr. Hans-Peter Hubmann hatte in einem Brief an den Hersteller indirekt mit rechtlichen Schritten und dem Bundeskartellamt gedroht. Passiert ist aber nichts. Auch der Apothekerverband Duisburg/Niederrhein hatte sich beim Hersteller beschwert. Bei einer Umfrage von APOTHEKE ADHOC sprachen sich im April 2015 69 Prozent der Teilnehmer gegen das Vertriebskonzept an der Apotheke vorbei aus. Gerade in akuten Fällen sei so eine Versorgung nicht gewährleistet. Bei Ebay und Amazon gibt es einen florierenden Graumarkt.

Das System ist ab einem Alter von vier Jahren zugelassen. Die Kosten werden von einigen Krankenkassen übernommen. Patienten müssen einen Antrag stellen; Voraussetzung ist, dass sie insulinpflichtige Diabetiker sind und eine Erstverordnung von einem Facharzt für innere Medizin, einem Endokrinologen oder Diabetologen vorweisen können.

Die Patienten müssen auf eine intensivierte Insulinbehandlung angewiesen sein und Schwierigkeiten haben, die festgelegten individuellen Therapieziele zur Stoffwechseleinstellung, auch bei Beachtung der jeweiligen Lebenssituation, zu erreichen. Sind alle Kriterien erfüllt, muss für eine Kostenübernahme noch eine Schulung des Messsystems erfolgen.

Die DAK übernimmt pro Sensor maximal 59,90 Euro alle zwei Wochen und die Kosten für das Auslesegerät in Höhe von 59,90 Euro. Die Versicherten können ihr Rezept an die Kasse schicken oder als Antrag auf Kostenübernahme im Abbott-Webshop einreichen. Auch TK und Barmer übernehmen die Kosten für das Messsystem.

Ist der Antrag genehmigt, schickt Abbott automatisch den Bedarf für jedes Quartal. Die Zuzahlung wird per Sofortüberweisung, Paypal oder Kreditkarte abgerechnet. Kommt ein Diabetiker anfangs nicht mit dem System klar, erhält er vom Hersteller als Kulanz in gewissem Umfang auch kostenlosen Ersatz.

Alternativ besteht die Möglichkeit, Freestyle Libre auf eigene Kosten zu nutzen. Auch dann müssen die Patienten ein Kundenkonto anlegen. Bis zum Jahresende gibt es ein Sonderangebot.