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Amazon schmeißt Versandapotheken raus

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Berlin -

Amazon hat Versandapotheken, die ihre Produkte via Marketplace verkaufen, aufgefordert, OTC-Medikamente kurzfristig aus ihren Listen zu streichen. Noch ist unklar, ob diese Maßnahme strategische oder rechtliche Gründe hat. Auffällig ist aber, dass eine Apotheke offensichtlich bleiben darf.

Der US-Internetkonzern überrumpelte seine Partner quasi über Nacht. „Als Teil unserer fortlaufenden Bemühungen, das bestmögliche Einkaufserlebnis zu ermöglichen, führen wir Anforderungen zur Freischaltung für Produkte der Marke /SC/MarketplaceGating/OTC_Medication_DE ein“, heißt es in einer E-Mail, die gestern am späten Abend ohne Nennung von Ansprechpartnern von „Amazon Services Europe“ unterzeichnet ist.

Ab dem 23. November seien die bisherigen Partner nicht mehr in der Lage, die betroffenen Produkte aufzulisten, heißt es weiter. Entsprechende Angebote würden entfernt. Nur mit der erforderlichen Freischaltung könnten die betroffenen Produkte weiter angeboten werden. Das ist derzeit allerdings nicht möglich: „Sie sind nicht zugelassen, um dieses Produkt aufzulisten, und wir akzeptieren derzeit keine Anwendungen“, heißt es am Ende der Mail. „Um benachrichtigt zu werden, wenn wir anfangen, Anwendungen zu akzeptieren, schicken Sie eine E-Mail an [email protected].“

Für die betroffenen Versandapotheken ist das ein unerhörter Vorgang. Die Anpassung der Listen sei ein extremer Aufwand, sagt ein Apotheker, der seit heute gesperrt ist. Amazon wisse das auch – und sei trotzdem bereit, auf die Provisionen zu verzichten. Rund die Hälfte der Umsätze, die Versandapotheken via Amazon erzielen, entfallen auf OTC-Medikamente.

Auffällig ist aber auch, dass eine Apotheke nach wie vor im Geschäft ist: Bei zahlreichen OTC-Medikamenten wird nur noch ein einziger Anbieter angezeigt – und das ist die Beraterapotheke. Der Versender aus dem niederländischen Venlo gehört zum Versandhaus „Diabetikerbedarf db“ aus Rheine und war 2014 gegründet worden. Was es mit der Exklusivität bei Marketplace auf sich hat, ist nicht bekannt: Weder bei Amazon noch bei der Beraterapotheke oder beim Stammhaus war jemand zu erreichen.

Die Beraterapotheke hat derzeit als einziger Anbieter bei Marketplace noch 5500 Produkte im Bereich „Arzneimittel“ im Angebot. Abgeschlagen folgen die Petersberg-Apotheke, die Bodfeld-Apotheke sowie Aponeo und Apo-Rot mit jeweils rund 800 Angeboten. Insgesamt sind etwas mehr als 50 Lieferanten gelistet.

Dass Amazon seine Partner komplett rauswirft, ist noch nie vorgekommen. Gerade dass Drittanbieter auch in Bereichen zugelassen werden, in denen Amazon selbst als Händler aktiv ist, sehen Beobachter als Erfolgsrezept des Giganten. „Vielleicht hat die Aktion organisatorische Gründe“, mutmaßt ein weiterer Apotheker, der jetzt gesperrt wurde. „Möglicherweise will Amazon aufräumen und lässt uns dann wieder drauf.“

Dass in München jemand in der Rechtsabteilung aufgewacht ist, glaubt er nicht. Zwar gibt es verschiedene Aspekte, die rechtlich nicht unproblematisch sind – etwa der Anschein, selbst Apotheke zu sein, der Umgang mit Kundendaten und auch die Rücknahme von Ware. Doch aus den Verfahren, die der Münchner Apotheker Dr. Hermann Vogel jr. gegen die Partnerapotheken von Amazon angestoßen hatte, ist bekannt, dass das Apothekenrecht von den Konzernjuristen noch nicht in all seinen Feinheiten verinnerlicht wurde. Der Musterprozess gegen den Verkauf via Amazon ist derzeit bei Gericht anhängig.

Also strategische Gründe? Dass Amazon den Apothekenmarkt ins Visier genommen hat, ist länger bekannt. 40 Mitarbeiter wurden dem Vernehmen nach in den vergangenen Monaten für den Bereich Healthcare/Nutrition eingestellt. In München läuft im Rahmen des Schnelllieferdienstes Amazon Prime ein Pilotprojekt mit der Bienen-Apotheke von Michael Grintz. Im Sommer wurde auch bekannt, dass der Konzern Gespräche mit der Shop-Apotheke führte. Der börsennotierte Versender erklärte daraufhin, aktuell keine Verhandlungen zu führen.

Unabhängig vom Ausgang solcher Gespräche will Amazon demnächst in das Geschäft mit Apothekenmarken einsteigen. Das DIMDI-Siegel hat der Konzern bereits seit einem Jahr. Ursprünglich hieß es, dass ab dem vierten Quartal apothekenexklusive Produkte von Amazon selbst angeboten werden. Entsprechende Pläne werden von Herstellern, mit denen der Konzern gesprochen hat, bestätigt. Zuletzt wurde der Start verschoben, im ersten Quartal kommenden Jahres will Amazon jetzt zur Freiwahl-Apotheke werden. Fest steht also: Die aktuellen Erschütterungen sind nur die Vorboten eines großen Bebens.

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