Versandhandel

Amazon-Blister in Deutschland – eine Einschätzung

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Berlin -

Der Versandriese Amazon hat den auf Blister spezialisierten Versender PillPack übernommen. APOTHEKE ADHOC sprach mit Hans-Werner Holdermann, Chef der Deutschen Blistergesellschaft, über die Bedeutung für den deutschen Markt und worauf die Branche ihre Hoffnungen stützt.

ADHOC: Amazon kauft eine Versandapotheke, die eigentlich ein Verblisterer ist. Eine Option für den deutschen Markt?
HOLDERMANN: Was Amazon macht, ist nachvollziehbar und ich kann verstehen, dass sich der ein oder andere jetzt noch mehr Sorgen macht. Aber deutsche Apotheken benötigen eine Herstellerlaubnis, wenn sie industriell für Dritte verblistern wollen. In den USA ist das über die Apothekenerlaubnis abgedeckt, das ist der große Unterschied. Hier würde für keinen Patienten mehr oder weniger verblistert, nur weil es über den Versand geht.

ADHOC: Was macht Sie da so sicher?
HOLDERMANN: Schon der Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist heute ein schwieriges Geschäft. Für das Verblistern gilt dies umso mehr. Sie müssen das Rezept rechtzeitig bekommen, das ist das Entscheidende. Für deutsche Apotheken ist das Rezeptmanagement das leidige Thema. Ärzte lassen sich nicht sagen, dass sie ein neues Rezept ausfüllen müssen und wann oder dass sie keine teilbaren Tabletten verordnen sollen. Die Informationen des Medikationsplans sind auch nur mit großer Mühe aktuell zu halten. Diese Dinge muss man vor Ort diskutieren.

ADHOC: Was ist mit ambulante Pflegediensten?
HOLDERMANN: Es gibt Apotheken, die das massiv bewerben, aber es wird nur sehr bedingt angenommen. Die Wahrheit ist: Nur ein Bruchteil der ambulanten Pflegedienste verblistert. Das logistische Problem bleibt: die Arzneimittel am nächsten Tag beim Patienten zu haben. Das ist schwierig, solange der Patient immer erst zum Arzt muss, um sein Rezept zu bekommen. In der Heimversorgung ist das anders: Da kommt der Arzt zum Patienten.

ADHOC: Wird sich mit der Einführung des elektronischen Rezeptes daran etwas ändern?
HOLDERMANN: Das E-Rezept vereinfacht sicherlich die Kommunikation. Die spannende Frage wird sein: Wer nimmt dann Einfluss auf die Verordnung? Jeder wird versuchen, mit diesen Daten Geld zu verdienen. Und das Bundesgesundheitsministerium (BMG) hat sich ja nun explizit einen Wettbewerb um die beste Lösung gewünscht. Man darf gespannt sein, was dabei am Ende herauskommt und wie sich die Apotheker positionieren können.

ADHOC: Wie viel Vorlauf benötigen Sie denn, um für einen Patienten im ambulanten Bereich zu verblistern?
HOLDERMANN: Wenn der Patient gut eingestellt ist, geht das schnell. Nachbestellte Arzneimittel bekommt die Apotheke über Nacht. Im ambulanten Bereich sprechen wir dann allerdings von ganz anderen Logistikkosten. Inklusive Medikationsplanung kommt man da mit fünf Euro pro Blister nicht hin.

ADHOC: Die Vergütung ist immer noch das leidige Thema?
HOLDERMANN: Natürlich, heute geht das voll zu Lasten der Apotheke. Selbst von den Pflegeheimen werden die Apotheken quasi „erpresst“, dass sie die Leistung aus ihrer eigenen Marge bezahlen. Ein Pflegedienst im ambulanten Bereich bekommt dagegen 10 Euro für das Stellen der Arzneimittel pro Patient und Woche. Wenn extra jemand hinfahren muss, sind es 20 Euro und wenn jemand bei der Einnahme helfen muss 50 Euro. Von solchen Zahlen können Apotheker aktuell nur träumen.

ADHOC: Wieso sträuben sich die Kassen, die Leistung der Apotheker zu vergüten?
HOLDERMANN: Das Verblistern ist immer teurer als der Verwurf. Der unbestrittene Mehrwert liegt darin, dass Fehlmedikationen und dadurch bedingte stationäre Aufenthalte messbar abnehmen. Das wissen auch die Krankenkassen. Nur: Diese Einsparungen kommen nicht bei ihnen an, erzählen uns die Kassen. Die Budgets würden in den Kliniken an anderer Stelle ausgegeben. Deswegen zahlen sie nie freiwillig für diese Dienstleistung.

ADHOC: Das Problem ist alt. Haben Sie Hoffnung, dass sich etwas ändert?
HOLDERMANN: Der gesundheitspolitische Schwerpunkt liegt auf der Pflege, das macht mir Hoffnung. Im Pflegesektor sollen 13.000 neue Stellen geschaffen werden. Das ist sehr ambitioniert. Aber: Für je 100 Betten, bei denen die Patienten mit Blistern versorgt werden, spart die Pflegeeinrichtung eine Kraft. Bei 800.000 Betten können wir damit einen erheblichen Beitrag leisten.

ADHOC: Wie viele Patienten werden aktuell so versorgt?
HOLDERMANN: Von Blisterzentren werden schätzungsweise 100.000 Patienten versorgt, vielleicht noch einmal halb so viele maschinell von Apotheken vor Ort, wobei diese Zahl stagniert. Manuell verblistern Apotheken für 40.000 bis 70.000 Patienten, doch gerade in den neuen Bundesländern fordern die Kassen von den Heimen mittlerweile eine strengere Dokumentation bei der Arzneimittel-Versorgung. Und man kann mit Blick auf die Fehlerquote schon behaupten, dass das industrielle Verblistern die sicherere Versorgungsform ist. Man muss sich über die Sinnhaftigkeit eigentlich keine Gedanken machen, das macht nur die ABDA.

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