Hoos gewährt Aussonderungsrechte

460 AvP-Apotheken bekommen ihr Geld vorab

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Berlin -

AvP-Insolvenzverwalter Dr. Jan-Philipp Hoos gewährt bestimmten Apotheken Aussonderungsrechte. Insgesamt etwa 460 Offizin- und Krankenhausapotheken kommen damit vorzeitig an ihr Geld, wie Hoos gegenüber APOTHEKE ADHOC bestätigte. Hintergrund sind individuelle Vertragskonstellationen.

So gut wie alle von der Pleite des Rechenzentrums betroffenen Apotheken haben im Insolvenzverfahren solche Aussonderungsrechte geltend gemacht. Sie fordern ihre Ansprüche aus der Rezeptabrechnung zurück. Doch aufgrund der vertraglichen Situation können diese Forderungen im Großteil der Fälle nicht aus der Insolvenzmasse herausgelöst werden. Diese Frage könnte allerdings noch Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzung werden.

Nun teilte Hoos gegenüber zahlreichen Apotheken mit, dass er die Aussonderungsrechte an noch nicht eingezogenen Rezeptforderungen anerkannt habe und auch die Krankenkassen entsprechend informiert worden seien. „Es handelt sich bei den Offizinapotheken (etwa 310) um solche mit den schon häufiger angesprochenen Zusatzvereinbarungen. Darüber hinaus sind etwa 150 Krankenhausapotheken mit bestimmten Fallkonstellationen betroffen“, erklärte Hoos gegenüber APOTHEKE ADHOC.

Nicht bekannt ist, welche Summe nun vorzeitig ausgezahlt wird. Dies lässt sich allenfalls grob überschlagen: 200 Millionen Euro aus der Rezeptabrechnung liegen noch bei den Krankenkassen, diese Forderungen wurden bislang nicht eingezogen. Die Kassen können jetzt an Apotheken mit der entsprechenden Zusatzvereinbarung direkt auszahlen. Wenn 500 von insgesamt 3000 betroffenen Apotheken jetzt bedacht werden, dürfte also ein zweistelliger Millionenbetrag ausgeschüttet werden.

Dass nicht alle Apotheken zwingend gleichbehandelt werden, hatte sich im Insolvenzverfahren schon früher angedeutet. Hintergrund ist, dass AvP die eigenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Abrechnungsverträge in den vergangenen Jahren mehrfach angepasst hatte. Je nach Vereinbarung haben die Apotheken ihre Forderungen gegenüber den Krankenkassen demnach nur unter bestimmten Bedingungen an das Rechenzentrum abgetreten.

Hoos hatte insbesondere sehr alte Verträge aus der Zeit vor 2003 in den Blick genommen sowie eine Zusatzvereinbarung aus jüngerer Vergangenheit. Für die Altverträge sieht der Insolvenzverwalter nach eingehender Prüfung keine Aussonderungsrechte. Doch die Apotheken mit der Zusatzvereinbarung kommen nun vorzeitig an ihr Geld. Weil in diesen Verträgen nur eine bedingte Forderungsabtretung vereinbart ist, steht das Geld der Apotheke zu – und war damit de facto nie Teil der Insolvenzmasse. Der Zahlungsfluss von den Kassen an die Apotheken läuft deshalb jetzt auch einfach an Hoos vorbei.

Da in jedem Insolvenzverfahren davon auszugehen ist, dass nicht alle offenen Forderungen bedient werden können, beeinflussen die nunmehr gewährten Aussonderungsrechte auch alle anderen Gläubiger. Vereinfacht ausgedrückt: Es bleibt weniger Geld im Topf, die Quote für Apotheken ohne Aussonderungsrecht wird damit geringer ausfallen. Theoretisch können andere Gläubiger die Entscheidung der Aussonderung auch anfechten und Hoos verklagen.

Eine gerichtliche Auseinandersetzung will Hoos eigentlich gerne vermeiden, da mit einer letztinstanzlichen Entscheidung und der daran hängenden Ausschüttung der Quote dann erst in einigen Jahren zu rechnen wäre. Bei der Gläubigerversammlung Mitte Dezember hatte der Insolvenzverwalter einen außergerichtlichen Vergleich präferiert – ohne hierzu schon Details nennen zu können.

Die Erfolgsaussichten dieses Ansinnens werden maßgeblich von der Höhe der Quote abhängen, die Hoos den anderen Gläubigern in Aussicht stellen kann. Hierzu hat der Insolvenzverwalter bei der Gläubigerversammlung noch keine Angaben gemacht. Ein Teilnehmer hat etwa konkret gefragt, ob nicht angesichts der präsentierten Zahlen eine Quote zwischen 60 und 74 Prozent zu erwarten sei. Doch Hoos hatte diese Zahlen nicht bestätigt.

Zur Insolvenztabelle angemeldet wurden 615 Millionen Euro. Davon sind 540 Millionen Euro „für den Ausfall festgestellt“. Das heißt: Diese Summe wird erst Teil der Insolvenzmasse, wenn die Gelder nicht direkt an die fordernden Apotheken ausgezahlt werden. Sozusagen verbindlich festgestellt wurden dagegen nur 450.000 Euro. Diese Forderungen werden so wie gestellt anerkannt. Weitere 70 Millionen Euro an Forderungen hat Hoos bestritten.

Ein Problem gab es noch mit den Krankenkassen zu klären. Die wollen rund 200 Millionen Euro an offenen Zahlungen aus der Rezeptabrechnung nicht wie von Hoos vorgeschlagen auf sein Treuhandkonto überweisen, sondern strebten eine eigene Lösung an. Das Problem: Ein externes Treuhandkonto würde zusätzlich Geld kosten.

AvP hatte am 15. September einen Insolvenzantrag gestellt. Mit rund 3500 Kunden und einem jährlichen Abrechnungsvolumen von rund sieben Milliarden Euro gehörte AvP zu den großen Abrechnungsdienstleistern in Deutschland. Allein das Abrechnungsgeschäft mit den Krankenhausapotheken hatte ein jährliches Rezeptvolumen von rund drei Milliarden Euro.

Mehrere Unternehmensteile waren in der Folge verkauft worden: Das ARZ Haan übernahm die Abrechnung der sonstigen Leistungserbringer und sicherte damit bis zu 35 Arbeitsplätze am Standort Hünxe. Noventi kaufte das Krankenhausgeschäft sowie ScanAdhoc und Apofakt.

 

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