1000 mg statt 500 mg pro Tablette

Schweiz: Vergiftungen durch Highdose-Paracetamol APOTHEKE ADHOC, 13.11.2020 09:40 Uhr

Höhere Dosis, schnellere Vergiftung: Paracetamol-Tabletten mit 1000mg Wirkstoff führen in der Schweiz zu vermehrten Überdosierungen. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Der Wirkstoff Paracetamol gehört zu den gängigsten Schmerzmitteln in der Apotheke. Er ist außerdem für seine leberschädigenden Wirkungen bekannt. Hierzulande ist daher vor allem die Stärke mit 500 mg pro Tablette vertreten*, außerdem ist die Abgabemenge klar geregelt. In der Schweiz sind Präparate mit einer Stärke von 1000 mg Paracetamol pro Tablette auf Rezept erhältlich. Eine Untersuchung zeigt, dass es seitdem vermehrt zu Vergiftungen mit dem Analgetikum gekommen ist.

Paracetamol ist als Schmerzmittel sehr beliebt: Es ist gut magenverträglich, beeinflusst die Blutgerinnung nicht und ist zudem nierenschonend. Dennoch hat auch Paracetamol seine Risiken: Wird es überdosiert, kann es schnell zu Leberschäden kommen – diese können schlimmstenfalls irreversibel sein und Folgeschäden nach sich ziehen. So ist der Wirkstoff beispielsweise eine der häufigsten Ursachen für ein Leberversagen, welches eine Lebertransplantation notwendig macht.

Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medzinprodukte (BfArM) hatte die verschreibungsfreie Packungsgröße in Deutschland daher bereits 2009 auf 20 Stück begrenzt, um Missbrauch und Überdosierungen zu verringern. Die meisten Tabletten enthalten außerdem maximal 500 mg des Wirkstoffs. Die Maximaldosis für Erwachsene beträgt 4000 mg pro Tag – das entspricht einer Menge von höchstens acht Tabletten.

Hohe Dosis, viele Vergiftungen

In der Schweiz sind seit Ende 2003 jedoch auch Präparate mit 1000 mg pro Tablette im Handel. Diese sind zwar nur mit einem Rezept erhältlich, dennoch sind sie offenbar sehr beliebt: PharmaSuisse zufolge wird das Highdose-Paracetamol in Schweizer Apotheken 10-Mal mehr abgegeben als die Standard-Dosierung. Durch die doppelte Dosis kommt es offenbar vermehrt zu Überdosierungen.

*in einer vorherigen Version des Beitrags hieß es fälschlicherweise, dass alle Präparate nur 500 mg Wirkstoff enthalten

Die Schweizer Informationszentrale für Vergiftungsfälle meldete schon kurz nach der Einführung gestiegene Überdosierungen. Eine Analyse der ETH Zürich zeigt nun, dass die Vergiftungen kontinuierlich zunehmen. Die Anrufe bei der Vergiftungszentrale sind demnach mehr als 3-Mal so hoch wie vor der Einführung des Highdose-Paracetamols. Besonders kritisch: Der Anteil der Vergiftungen mit einer Einnahme von mehr als 10.000 mg ist am stärksten gewachsen.

Die Überdosierungen erklärt sich das Team wie folgt: Nicht jeder Patient spricht auf jedes Schmerzmittel gleich gut an. Kommt es nach der Einnahme einer 1000 mg-Tablette nicht zur gewünschten Schmerzstillung, sei die Versuchung groß, eine weitere Tablette einzunehmen. Durch die hohe Dosis ist dann bereits bei vier Tabletten die Maximaldosis erreicht. Ärzte sollten daher nach Ansicht der Wissenschaftler wieder vermehrt die 500mg-Stärke verordnen, um versehentliche Überdosierungen zu vermeiden. Außerdem sollte die hohe Dosierung in kleineren Einheiten angeboten werden.

Fresh-up: Steckbrief Paracetamol

  • Wirkmechanismus: starke Hemmung der cerebralen, schwache Hemmung der peripheren Prostaglandinsynthese, Beeinflussung des hypothalamischen Temperaturregulationszentrums
  • Indikation: leichte bis mäßig starke Schmerzen, Fieber
  • Dosierung: Paracetamol wird in Abhängigkeit von Körpergewicht und Alter dosiert, in der Regel mit 10-15 mg/kg als Einzeldosis, bis maximal 60 mg/kg als Tagesgesamtdosis. Kinder, Jugendliche ab 12 Jahren und 43 kg sowie Erwachsene nehmen 500 bis 1000 mg als Einzeldosis. Tagesmaximaldosis: 4000 mg.
  • Schwangerschaft und Stillzeit: Anwendung möglich
  • Absolute Kontraindikationen: Überempfindlichkeit gegenüber Wirkstoff oder Hilfsstoffe
  • Wechselwirkungen: unter anderem mit Probenecid, Phenytoin, Carbamazepin, Rifampicin
  • Nebenwirkungen: Überempfindlichkeitsreaktionen, Anstieg der Lebertransaminasen, Thrombozytopenie, Agranulozytose