Schweiz

Protestaktion: Apotheker bedienen in Schwarz

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Berlin -

Schweizer Apothekenkunden erwartet heute vielerorts ein ungewohntes Bild: Statt weißer Kittel stehen ihnen schwarz gekleidete Pharmazeuten gegenüber. Der Apothekerverband Pharmasuisse startet damit die nächste Stufe seiner Protestkampagne gegen die geplante Reform der Apothekenvergütung: Sie haben den 7. Mai zum „Nationalen Sammeltag“ für ihre Petition „Auch morgen medizinisch gut umsorgt“ ausgerufen.

12.000 Unterschriften hatte die Petition schon vor ihrem offiziellen Beginn erhalten. Vier Wochen später sind es 65.000. Um noch eine kräftiger Schippe draufzulegen, lassen die eidgenössischen Apotheker ihre weißen Kittel am Haken. Denn am 7. Mai soll der große Endspurt eingeleitet werden: Der nationale Sammeltag soll dazu dienen, landesweit möglichst viele Bürger auf die Anliegen der Apotheker aufmerksam zu machen. Dazu hat Pharmasuisse Material an alle 1500 Mitgliedsapotheken geschickt: einen Aufsteller im A3-Format, der Petitionsbögen enthält, sowie verschiedene Infomaterialien. „Die Apotheken sind frei darin, ob und wie sie sich beteiligen. Am effektivsten ist aber natürlich die direkte Ansprache des Kunden“, erklärt eine Verbandssprecherin. „Den Kunden kann man besipielsweise die Situation erklären und dann sagen: ‚Wenn Sie zufrieden waren mit der Beratung und wollen, dass wir erhalten bleiben, dann unterschreiben sie doch bitte‘“.

Und die Apotheker zeigen Tatendrang. „Da ist sogar ein kleiner Wettbewerb zwischen den Kantonen entstanden, wer heute am meisten sammeln kann“, so die Verbandssprecherin. „Eine Kollegin von mir, die seit 18 Jahren bei Pharmasuisse ist, hat heute zu mir gesagt, dass sie in dieser Zeit noch nie so ein Engagement wie heute gesehen hat.“

Deutsche und Schweizer Kollegen sind dabei in einer vergleichbaren Ausgangslage: Vor allem kleine, inhabergeführte Apotheken sind wegen des wirtschaftlichen Drucks zusehends vom Aussterben bedroht. Rund 20 Prozent der Apotheken sind laut Pharmasuisse bereits in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage und stehen mittelfristig von der Schließung. Die Regierung wiederum sieht Reformbedarf im Gesundheitswesen – und legt Hand an die Vergütung der Apotheken an1, um Geld zu sparen. Damit hat sie die Apothekerschaft gegen sich aufgebracht. Vor allem zwei geplante Maßnahmen erzürnen sie: Die Reduktion des Vertriebsanteils und die Einführung eines Referenzpreissystems für Generika. „Diese wirren Schnellschüsse missachten den Willen der Bevölkerung für hochwertige Gesundheitsangebote und bedrohen die Existenz der Grundversorger“, beklagt der Verband. Für die Schweizer Pharmazeuten ist das inakzeptabel, sie wehren sich seit April mit einer öffentlichkeitswirksamen Kampagne und einer Petition, in der sie Front machen gegen die „unkoordinierten Abbaumaßnahmen“ des Bundesrats.

„Die Apothekerschaft ist überzeugt, dass die Bevölkerung keine Abstriche bei der medizinischen Grundversorgung hinnehmen wird“, so Pharmasuisse am Dienstag. Der Verband macht sich auch aufgrund der politischen Großwetterlage Hoffnung: Am 20. Oktober sind Nationalratswahlen, der Wahlkampf beginnt bald und Gesundheitsthemen spielen darin eine zentrale Rolle. „Das große Thema vor den Wahlen ist bisher die Krankenkassenprämie“, so eine Verbandssprecherin. „Deshalb denken wir, dass die Politiker und die Menschen in der Schweiz im Moment auch für die Anliegen der Apotheker hellhörig und sensibel sind.“

Dafür versucht der Verband Öffentlichkeit zu schaffen: Am 8. April versammelten sich auf dem Berner Bundesplatz 200 Apotheker, um zu protestieren. Die Demo sollte ein Blickfang werden, ein Großteil der Teilnehmer erschien in weißen Kitteln und ein eigens engagierter Künstler wollte mit einem vier mal vier Meter großen grünen Kreuz – das Schweizer Pendant zum Apotheken-A – Aufsehen erregen. Er besprühte es mit Begriffen, mit denen sich die Apotheker brüsten: „wohnortnah“, „persönlich“, „Beratung und Betreuung“ sowie „Hilfe ohne Voranmeldung“. Danach wurde es unter Pfiffen und Buhrufen von mehreren Maskierten in einem Müllcontainer entsorgt – eine Metapher für die Gesundheitspolitik der Regierung.

Denn Pharmasuisse hat auch ein Gegenkonzept in petto: Der Verband setzt sich gemeinsam mit dem Versicherungsverband Curafutura dafür ein, das jetzige Modell zur Berechnung des Vertriebsanteils zu ersetzen. Bisher gibt es in der Schweiz sechs Preisklassen, in denen der Fixzuschlag von 4 bis 240 Schweizer Franken (3,65 bis 214 Euro) und der Prozentzuschlag von 12 bis 0 Prozent gestaffelt sind. Pharmasuisse will diese Preisklassen abschaffen und stattdessen für jede Rx-Packung einen Fixzuschlag von 14,85 Schweizer Franken (13,22 Euro) und ein Prozentzuschlag von 3 Prozent des Fabrikabgabepreises einführen. Dieser kombinierte Zuschlag soll bei 300 Schweizer Franken gedeckelt werden. „Wir möchten, dass die Apotheker nicht für den Preis eines Medikaments entlohnt werden, sondern für die Beratungsleistung“, so eine Verbandssprecherin.

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