Walgreens Boots Alliance

Pessina: Zahltag auf Gibraltar

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Berlin -

Seit einem Jahr gehört Alliance Boots zu Walgreens, nach Ablauf der vertraglich vereinbarten Sperrfrist ist der Deal jetzt endgültig unter Dach und Fach. Konzernchef Stefano Pessina hat alles auf eine Karte gesetzt – und sein Anteilspaket am britischen Pharmahändler komplett gegen Aktien an Walgreens Boots Alliance (WBA) eingetauscht. Sein Vermögen hat er damit mehr als verzehnfacht; auch für Anleger wie die Strüngmann-Brüder war die Einlage ein Erfolg.

Gemeinsam mit dem US-Finanzinvestor KKR hatte Pessina Alliance Boots im Juni 2007 von der Börse genommen – gerade ein Jahr nach der Fusion des britisch-italienischen Pharmahändlers Alliance UniChem und der britischen Drogeriekette Boots. Die 12,4 Milliarden Britische Pfund schwere Übernahme war der bis dahin größte fremdfinanzierte Zukauf in Europa.

Jeweils rund eine Milliarde Pfund an Eigenmitteln wendeten die beiden Investoren für den Deal auf: KKR über verschiedene Fonds in bar, der italienische Magnat durch die Übertragung der bis dahin von ihm gehaltenen Aktien an Alliance Boots. Knapp 9 Milliarden Pfund streckten Investmentbanken vor, darunter die Deutsche Bank, Citigroup, J.P. Morgan, UniCredit, Barclays, Merrill Lynch, die Bank of America und die Royal Bank of Scotland.

Parallel investierten die Banken als sogenannte „Equity Underwriters“ zusammen 1,4 Milliarden Pfund in die eigens gegründete Holdinggesellschaft mit Sitz im Steuerparadies Gibraltar. Für die Anteile gab es keinerlei Stimmrechte; dafür wurde den Banken die Möglichkeit eingeräumt, ihre Beteiligungen an institutionelle Anleger zu übertragen. Auf diese Weise kamen unter anderem die Strüngmann-Brüder ins Spiel: Für 295 Millionen Euro erwarben die ehemaligen Hexal-Eigentümer rund 5 Prozent der Anteile.

So hielten Pessina, KKR und die Gruppe der stillen Gesellschafter jeweils rund ein Drittel der Anteile; die Stimmrechte teilten sich die beiden Hauptinvestoren. Während Pharma- und Finanzbranche grübelten, wie Pessina jemals seine Geldgeber ausbezahlen wollte, tüftelte der Italiener bereits am nächsten Deal. Exakt fünf Jahre nach der Übernahme präsentierte er gemeinsam mit Walgreens-Chef Greg Wasson seine Pläne für den ersten globalen Apothekenkonzern: Die US-Kette sollte zunächst 45 Prozent der Anteile am europäischen Pharmahändler kaufen; die restlichen Anteile sollten nach Zustimmung der Aktionäre später folgen.

Schon der erste Teil der Deals spülte ordentlich Geld in die Kasse: Etwas mehr als vier Milliarden US-Dollar zahlten die Amerikaner in bar, außerdem erhielten die Europäer Walgreens-Aktien im Wert von knapp 2,7 Milliarden Dollar. Wie die neuen Partner Geld und Anteilsscheine unter sich aufteilen würden, blieb ihnen überlassen – solange kein einzelner Investor allzu große Positionen aufbauen würde.

Pessina verzichtete komplett auf die Barabfindung und strich fast 90 Prozent der Aktien ein – also fast dreimal soviel, wie sein Anteilspaket bei paritätischer Abfindung eigentlich zugelassen hätte. Die vier Milliarden Dollar gingen daher fast zu gleichen Teilen an KKR und die stillen Gesellschafter, nur rund 300 Millionen Dollar wurden in Walgreens-Aktien ausgezahlt.

Am 30. Dezember 2014 winkten die Walgreens-Aktionäre auch den zweiten Teil der Transaktion durch; eine große Wahl hatten sie freilich nicht mehr. Wieder gab es Geld und Anteilsscheine, mittlerweile hatte sich der Aktienkurs von Walgreens aber von 32 auf 76 Dollar mehr als verdoppelt hatte. Auch diesmal garantierte der Italiener, Mitgesellschaftern, die aussteigen wollten, ihre Aktien bis zur Obergrenze von einer Milliarde Dollar gegen Bargeld einzutauschen.

Ein Jahr lang mussten sich die Investoren gedulden, bevor Dollar und Aktien tatsächlich transferiert werden konnten. Diesmal blieben auch andere Aktionäre dabei, KKR etwa ließ sich keine Optionen mehr abkaufen und kommt jetzt auf 2,6 Prozent der WBA-Aktien. Das Paket hat nach aktuellem Kurs einen Wert von knapp 4 Milliarden Dollar, weitere 3,5 Milliarden Dollar haben die Finanzinvestoren bar überwiesen bekommen.

Auch die ehemaligen stillen Gesellschafter sind mit Aktien im Wert von 2,4 Milliarden Dollar noch an Bord – nachdem sie bereits 5,5 Milliarden Dollar in bar eingestrichen haben. Alleine das Paket der Strüngmann-Brüder war am zwischen 1 und 1,3 Milliarden Dollar wert.

Pessina selbst hatte im November noch einmal nachgelegt und sich für 200 Millionen Euro Optionen für weitere 2,3 Millionen Aktien gesichert. Mit 13 Prozent ist Pessina nach beiden Runden heute größter Einzelaktionär bei WBA. Indem er auf eine Barabfindung in Höhe von 5,5 Milliarden Dollar verzichtete, konnte er sich für 7,4 Milliarden Dollar Walgreens-Aktien sichern – die nach heutigem Kurs bereits 11 Milliarden Dollar wert sind.

Nachdem der zweite Teil der Transaktion zur Zufriedenheit aller Beteiligter abgeschlossen ist, haben Pessina & Co. ihre Zelte in Gibraltar abgebrochen und sind in andere steuerlich günstige Gefilde weitergezogen. Der 75-jährige Italiener steht seit einem Jahr an der Spitze des Konzerns und hat auch die übrigen Vorstandsposten mit Gefolgsleuten besetzt.

Auch wenn er sich das Recht vorbehalte, Anteile zuzukaufen oder abzugeben, habe er langfristig investiert, versichert Pessina. Geld spielt für ihn nach eigenem Bekunden eine untergeordnete Rolle. Er sieht sich als Architekt, sowohl seines Unternehmens, als auch der Pharma- und Apothekenmärkte insgesamt. Die geplante Übernahme von Rite Aid zeigt, dass Pessina längst noch nicht am Ziel ist.

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