Österreich

Falsche Rezeptur: Arzt muss Etikett prüfen

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Berlin -

Eine Patientin aus Österreich hat aufgrund einer mit Alkohol hergestellten Pantocain-Lösung Verletzungen an der Nasenschleimhaut davongetragen. Sie klagte gegen den Apotheker, der das Arzneimittel falsch hergestellt hat. Schuld trägt laut einer Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) in Wien auch der Arzt: Der Mediziner hätte das korrekt beschriftete Etikett lesen müssen.

Die Frau wurde laut einem Bericht von DiePresse.com 2014 bei einem HNO-Arzt mit dem Oberflächenanästhetikum behandelt. Obwohl in der Pantocain-Lösung eigentlich destilliertes Wasser sein sollte, lieferte die Apotheke das Präparat mit einer Alkoholmenge von 96 Prozent. Der Gehalt war in kleiner Schrift auf dem Etikett gedruckt.

Seit fünf Jahren hatte sich der Arzt laut Bericht von der Apotheke beliefern lassen. Stets sei die Pantocain-Lösung korrekt gemischt worden. Auf der Flasche des falsch hergestellten Produkts stand in fett gedruckter Blockschrift der Name: „2% PANTOCAIN-LÖSUNG“. Darunter befanden sich demnach in feinerer Schriftart Informationen, aus denen hervorging, dass es sich um eine Lösung mit Alkohol in hoher Konzentration handelte.

Das Kleingedruckte las der Arzt laut Bericht jedoch nicht. Er habe die Lösung im Glauben verwendet, es handle sich um die richtige Mischung mit destilliertem Wasser. Der Mediziner habe sich seit Jahren auf die Rezepturen der Apotheke verlassen können, hieß es. Die Patientin verklagte vor dem Landgericht Salzburg (LG) jedoch beide Heilberufler und forderte knapp 24.000 Euro Schmerzensgeld.

Das LG gab dem Arzt Recht: Zwar hätte sich der Mediziner vergewissern müssen, dass er das korrekte Medikament verwendete. Das habe er aber getan, zumal er auf das Wort Pantocain geachtet habe. Von einem durchschnittlichen Arzt könne man aber nicht verlangen, bei jedem regelmäßig in der Apotheke in Auftrag gegebenen Medikament auch noch die korrekte Zusammensetzung zu überprüfen, zitiert DiePresse.com aus dem Urteil. Zumal die korrekte Rezeptur für die Pantocain-Lösung seit 2009 unverändert sei.

Das Oberlandesgericht Linz (OLG) gab der Vorinstanz Recht: Der Arzt habe davon ausgehen können, dass der Apotheker das Präparat so herstellte wie vom Arzt verschrieben, hieß es. Dem Mediziner könne man nicht anlasten, dass er die auf dem Etikett im Kleindruck angeführten Daten nicht gelesen habe.

Die Patientin legte Revision ein. Der OGH legte die Prüfpflicht des Arztes strenger aus: Die Richter in Wien verwiesen laut Bericht auf einen Paragrafen in der Apothekenbetriebsordnung, nach dem die Bestandteile des Präparats in deutlich lesbarer Aufschrift anzubringen sind.

Diese Vorschrift bezwecke, dass der Anwender Kenntnis von ihren Bestandteilen habe. „Die Vorschrift richtet sich daher und vor allem an jene Fachärzte, die die von ihnen verschriebene Arznei bei ihren Patienten anwenden“, erklärten die Höchstrichter laut Bericht.

Es bedeute „keine Überspannung des gebotenen Sorgfaltsmaßstabs, wenn der Arzt die ihm auf der Arzneiflasche zur Verfügung stehenden Informationen vor dem Einsatz der Arznei überprüft“, hieß es weiter. Der Arzt hätte durchaus einen kurzen Blick auf die Flasche werfen können, bevor er sie anwendete.

Ein Mediziner dürfe sich „gerade bei magistralen Zubereitungen nicht darauf verlassen, dass seiner Verschreibung entsprochen wurde, wenn Gegenteiliges augenfällig ist“. Die Richter entschieden, dass auch der Arzt und seine Versicherung für die Folgen der Verätzung haften.

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