Österreich

Ärzte erkämpfen sich Apothekerrechte

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Berlin -

Ärztliche Hausapotheken führen in Österreich immer wieder zu Streit zwischen Apothekern, Medizinern und Gemeinden. Bei den Pharmazeuten ist die Dispensation durch Ärzte unbeliebt. Doch gerade im ländlichen Bereich kommt der Hausapotheke eine wichtige Rolle zu, nicht nur wegen der großen Entfernung zur nächsten Apotheke, sondern auch als Einnahmequelle für den Arzt. Ohne Hausapotheke gestaltet sich die Suche nach einem Nachfolger mitunter schwierig. Deshalb sollen die Vorgaben nun gelockert werden.

Damit eine Hausapotheke genehmigt wird, darf sich in der Gemeinde, in der der Arzt seinen Berufssitz hat, keine öffentliche Apotheke befinden und die nächste Apotheke muss mindestens sechs Kilometer entfernt sein. Die Genehmigung muss zurückgegeben werden, wenn in weniger als vier Kilometer Entfernung eine neue Apotheke eröffnet. Ist die Apotheke weiter entfernt, darf der Arzt die Hausapotheke zunächst behalten – sein Nachfolger muss sie aber neu beantragen.

Da dann die sechs Kilometer gelten, müssen immer wieder Hausapotheken schließen. Ärzte argumentieren, dass die Abgabe von Arzneimitteln eine wichtige Einnahmequelle sei und sich nur damit eine Niederlassung auf dem Land lohne. Gemeinden versuchen mitunter sogar, die Kilometergrenze zu umgehen – etwa durch die Sperrung von Straßen, neue Entfernungsberechnungen oder den Bau einer Containerpraxis auf der grünen Wiese.

Nun soll das Apothekengesetz teilweise gelockert werden: Der Gesundheitsausschuss des Nationalrats hat heute mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ grünes Licht für eine entsprechende Initiative der Koalitionsparteien gegeben. Versehentlich votierten auch die Grünen für das Gesetz, sie hatten allerdings zuvor gemeinsam mit den NEOS heftige Kritik an den neuen Bestimmungen geübt.

Der Antrag der Koalitionsparteien sieht vor, dass Ärzte künftig unter bestimmten Umständen auch in Gemeinden, in denen bereits eine öffentliche Apotheke vorhanden ist, eine Hausapotheke betreiben dürfen. Voraussetzung ist aber nach wie vor, dass die Praxis mehr als sechs Kilometer von der nächsten Apotheke entfernt ist.

Auch bei der Übernahme von Praxen soll es Erleichterungen geben: Für Hausärzte, die einen Arztsitz mit angeschlossener Hausapotheke übernehmen, gilt ein Mindestabstand von vier Kilometern. Diese Sonderregelung war 2006 abgeschafft worden und wird nun wieder eingeführt. Klargestellt wird aber auch: Wenn die Praxis näher an die Apotheke zieht, kann die Erlaubnis zurückgenommen werden. Die Nachfolgeregelung soll rückwirkend ab Mai 2015 gelten und zwar unerheblich davon, ob die Nachfolge lückenlos oder nach einer Vakanz erfolgt.

Gesundheitsministerin Dr. Sabine Oberhauser (SPÖ) begrüßt, dass eine Lösung im Sinne der Patienten gefunden worden sei. Rund 90 Hausapotheken könnten in die Neuregelung fallen. Allerdings glaubt Oberhauser nicht, dass das Nachfolger-Problem im Bereich der Hausärzte mit dem Antrag gelöst werden kann. Sie setzt auf ein größeres Paket, das derzeit verhandelt wird und unter anderem die Einrichtung von Primärversorgungszentren sowie die Liberalisierung der Öffnungszeiten von Apotheken zum Gegenstand hat.

Generell hätten für sie öffentliche Apotheken Vorrang, sagte Oberhauser. Hausapotheken seien in bestimmten Regionen aber notwendig, um die Bevölkerung mit Medikamenten zu versorgen. Die Ärztekammer und die Apothekerkammer haben ihr zufolge ein Jahr über die vorliegende Novelle verhandelt.

Auch FPÖ-Gesundheitssprecherin Dr. Dagmar Belakowitsch-Jenewein geht nicht davon aus, dass das Problem des Landärztemangels mit der vorliegenden Novelle gelöst werden kann. Trotz Kritik am Zustandekommen des Gesetzesantrags kündigte sie jedoch die Zustimmung ihrer Fraktion an. Nachdem sich Apotheker- und Ärztekammer geeinigt hätten, solle die Politik die Gesetzesänderung nicht blockieren, argumentierte sie.

SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger und sein ÖVP-Kollege Dr. Erwin Rasinger sehen in den geplanten Gesetzesänderungen „einen wichtigen Beitrag zur Sicherstellung der allgemeinmedizinischen Versorgung im ländlichen Raum“. Rasinger machte aber auch auf andere Gründe aufmerksam, aus denen der Beruf des Hausarztes immer weniger attraktiv werde: enorme Bürokratie und geringe Verdienstmöglichkeiten im Vergleich zu anderen Arztberufen.

Die Opposition sieht den Vorstoß kritisch. Die Gesundheitssprecherin der Grünen, Dr. Eva Mückstein, argumentierte, es gebe keinen Notstand auf dem Land, also bestehe auch keine Notwendigkeit, noch mehr Ärzten Hausapotheken zu erlauben. Sie fürchtet, dass Ärzte versucht seien, zu viele Medikamente zu verschreiben, wenn sie damit zusätzlich Geld verdienten.

Der Gesundheitssprecher der NEOS, Gerald Loacker, bezeichnete den Antrag als „Klientelpolitik reinsten Wassers“. Der Sinn von Hausapotheken sei nicht, Landärzten mit einem besseren Einkommen zu versorgen. Sowohl Mückstein als auch Loacker plädierten dafür, die Liberalisierung der Öffnungszeiten von Apotheken zu fördern und die Hauszustellung zu erleichtern, statt zusätzliche Hausapotheken zu genehmigen. Auch beim Versandhandel mit Medikamenten könnte man großzügiger sein, erklärte Loacker.

Mit dem Änderungsantrag wird außerdem auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2014 reagiert: Der hatte die Vorgabe, dass für eine Apothekenkonzession mindestens 5500 potenzielle Kunden im Umkreis der Apotheke leben müssen, als zu starr kritisiert. Künftig soll in ländlichen und abgelegenen Regionen in Ausnahmefällen von diesem Kriterium abgewichen werden können, wenn dies im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung dringend erforderlich ist.

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