Finanzminister: Arzneimittel nur aus der Apotheke

Österreich: Corona-Boom für Arzneimittelfälscher APOTHEKE ADHOC, 28.10.2021 13:15 Uhr aktualisiert am 28.10.2021 15:06 Uhr

In Österreich warnen Zoll und Finanzminister vor gefälschten Medikamenten. Foto: Interpol
Berlin - 

Seit Jahresbeginn hat die Zollverwaltung in Österreich  insgesamt 3861 Mal geschmuggelte Medikamente sichergestellt. Gegenüber dem Vorjahr entspricht dies einem Anstieg von 12,9 Prozent. In Zahlen: Bis Ende September wurden insgesamt 190 Kilogramm, 2157 Packungen, 556 Flaschen und 275.808 Stück an gefälschten oder illegalen Arzneiwaren aus dem Verkehr gezogen. Der Finanzminister und die Apothekerkammer warnen.

„Bereits 2020 hat der österreichische Zoll aus damaliger Sicht so viele Fälle wie niemals zuvor in einem Jahr verzeichnet“, erklärt der österreichische Finanzminister Gernot Blümel und hält weiter fest: „Dass dieser unrühmliche Rekord heuer noch übertroffen wird, ist nun traurige Gewissheit.“

Große Schmuggelfälle, bei denen üblicherweise Medikamente in Massen aufgegriffen werden, wurden 2021 bis jetzt nicht verzeichnet. Dadurch ist auch die bislang sichergestellte Anzahl an Medikamenten niedriger als in den Vorjahren (2020: 345.966 Stück). „Schmugglerbanden, die hinter diesen großen Schmuggelfällen stehen, reagieren auf Zollkontrollen und weichen rasch auf andere Routen und Destinationen aus. Unser Kontrolldruck hat sich hier also ausgezahlt“, ist der Finanzminister stolz auf die seit Jahren erfolgreiche Arbeit des österreichischen Zolls.

95 Prozent im Postverkehr

Weiter anhaltend gestiegen sind die Beschlagnahmungen in Kleinsendungen auf dem Postweg. Blümel: „Die durch die Pandemie nochmals gestiegenen Internet-Einkäufe machen auch vor Bestellungen von gefälschten oder illegalen Arzneien nicht halt. 95 Prozent, also die überwiegende Anzahl der Medikamente, wurden im Postverkehr beschlagnahmt.“ Konkret fanden 3683 Sicherstellungen von insgesamt 260.259 Stück Medikamenten in diesem Bereich statt.

Auch in telefonischen und Online-Befragungen zum Thema Medikamente, die Unique Research, unter der Leitung des Meinungsforschers Peter Hajek, im Auftrag des Finanzministeriums im September durchgeführt hatte, gaben 8 Prozent an, ihr Einkaufsverhalten bei Arzneimitteln hin zum Onlinekauf verlagert zu haben. 42 Prozent der Befragten vermuten Fälschungen vorwiegend im Bereich der Potenzmittel, 24 Prozent im Bereich Schmerzmittel.

Die Aufgriffe des Zolls zeigen bei den Tabletten nach wie vor Potenzmittel sowie fruchtbarkeitsfördernde Produkte als Spitzenreiter. Beschlagnahmt wurden auch Schlaf- und Beruhigungsmittel, Antihistaminika, Abführmittel, Mittel gegen Epilepsie, schmerz- und entzündungshemmende Medikamenteoder gelenksstärkende und knochenschützende Supplemente.

„Corona-Medizin“ rückläufig

Angebliche Corona-Medikamente wie Chloroquin oder Hydroxychloroquin fanden sich nur vereinzelt unter den Beschlagnahmungen. Interessant fanden die Zöllner allerdings insbesondere Lutschpastillen zur Behandlung diverser Atemwegserkrankungen. „Der Verkäufer empfahl in einem Begleitschreiben, alle zwei Stunden vier Tabletten auf der Zunge zergehen zu lassen, aber nicht zu lutschen. Nach spätestens drei Tagen sollte dann ein Covid-Test bereits negativ ausfallen.“

15 Prozent der in der Umfrage Befragten sind online bereits auf Kanäle mit gefälschten Medikamenten gestoßen. 8 Prozent stießen auf Webseiten mit gefälschten Covid-Tests, -Medikamenten oder -Impfungen. 24 Prozent haben bereits bedenkliche Werbung für Medikamente bekommen.

Blümel warnt vor dem Gebrauch von Präparaten unbekannter Herkunft: „Zusammensetzung der Inhaltsstoffe, Produktion und Vertrieb von geschmuggelten Medikamenten liegen im Unklaren und sind ungeprüft. Diese Unsicherheit sollte jeden vom Kauf außerhalb unserer Apotheken abhalten.“ Das empfindet auch der Großteil der Befragten so. Als bester Schutz vor Fälschungen wird der Einkauf in Apotheken wahrgenommen, 36 Prozent vertrauen aber auch geprüften und bekannten Online-Händlern.

Immer wieder werden beschlagnahmte Medikamente vernichtet; die Dienststelle Süd des Zollamts Österreich hat alleine im Oktober 5396 Medikamente der Vernichtung zugeführt. Diese Präparate (überwiegend Potenzmittel) waren im Jahr 2021 von Beamten der Zollstelle Graz im Zuge von Kontrollen bei Post- und Paketdiensten aufgegriffen und beschlagnahmt worden. Auch die Zollstelle Wien/Dienststelle Nord des Zollamts Österreich hat im Juli rund 200 kg beziehungsweise 46.201 Stück vernichtet, die in den vergangenen fünf Jahren für verfallen erklärt worden waren.

„Der Handel mit gefälschten Medikamenten ist nicht nur illegal, sondern besonders perfide und moralisch verwerflich. Kriminelle setzen die Gesundheit und das Leben der Menschen aufs Spiel, da es bei derartigen Medikamenten keinerlei Qualitäts- und Herkunftskontrolle gibt“, so Raimund Podroschko, Vizepräsident der Österreichischen Apothekerkammer.

Sicherheit nur in der Apotheke

Für die Bevölkerung gebe es nur einen einzigen sicheren Weg: jenen in die Apotheke, wie Podroschko betont. „Ausschließlich dort sollte man Medikamente kaufen. Denn nur Apothekerinnen und Apotheker sorgen für die hundertprozentige Sicherheit, dass es sich nicht um Fälschungen handelt.“

Aufgrund der strengen Auflagen, Sicherheitskontrollen und der engmaschigen Lieferkette hätten Fälscherbanden in den heimischen Apotheken keine Chance. „Apothekerinnen und Apotheker garantieren nicht nur die Echtheit von Arzneimitteln, sie sorgen auch dafür, dass sich mehrere Medikamente gleichsam untereinander vertragen. Daher: Gehen Sie auf Nummer sicher und kaufen Sie Ihre Arzneimittel nur in der Apotheke vor Ort.“