Neuer Rahmenvertrag in England

Kliniken lagern Medikationsmanagement an Apotheken aus

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Berlin -

Der englische National Health Service (NHS) bedient sich der öffentlichen Apotheken, um dem wachsenden Kostendruck standzuhalten: Ab Juli können englische Kliniken entlassenen Patienten eine öffentliche Apotheke zuweisen, die für deren Medikationsmanagement zuständig ist. Die Kommunikation läuft über das Programm „Transfer of care around medicines“ (TCAM), soll die Zahl erneuter Einweisungen verringern und ist Teil des neuen Rahmenvertrags.

Nicht wenige Patienten kommen aus dem Krankenhaus und wissen mit den verschriebenen Medikamenten nicht so viel anzufangen. Schwieriger wird es noch, wenn sie bereits auf mehrere Arzneimittel eingestellt sind und die Fragen nach Neben- und Wechselwirkungen umso heikler sind. Hier soll die neue Maßnahme angreifen: Das Krankenhaus weist dem Patienten nach dessen Entlassung über einen digitalen Kommunikationskanal eine Apotheke zu, die sich um seine Medikation kümmert, berichtet das Pharmaceutical Journal.

Die Apotheke erhält eine Benachrichtigung mit den Daten des Patienten und konkreten Anforderungen, beispielsweise Beratung zu neuen Medikamenten oder Änderungen im Medikationsplan. Daraufhin ist sie angehalten, den Patienten zu kontaktieren, um einen Beratungstermin auszumachen. Über welche Kanäle die Kommunikation erfolgt, ist im neuen Rahmenvertrag allerdings noch nicht festgelegt – ebenso wie die Kostenfrage: Denn dass der Dienst die Apotheken etwas kostet, steht schon fest. Nur wie viel es sein wird, wird derzeit noch verhandelt.

Ziel des neuen Programmes soll es sein, die Zahl der Patienten zu verringern, die wegen Fragen zu oder Problemen mit ihrer Medikation erneut das Krankenhaus aufsuchen oder schlimmstenfalls wieder eingeliefert werden. Das TCAM-Programm gibt es bereits seit 2014 auf freiwilliger Basis und in mehreren Regionen als Modellprojekt. Die Auswertung jener Daten hat zur Entscheidung geführt, die Zuweisungen künftig strukturiert erfolgen zu lassen. So ergab die Evaluation des Modellprojekts in der Grafschaft Cornwall, dass Patienten, die nach ihrer Entlassung einen Apotheker an die Seite gestellt bekommen, innerhalb der folgenden 30 Tage signifikant seltener ins Krankenhaus zurückkehrten. Eine Studie der University of Bradford kam zu einem ähnlichem Ergebnis bei Patienten, die 65 Jahre oder älter sind.

„Wir wissen, dass viele Menschen von den Änderungen an ihrer Medikation verwirrt sind, die während ihres Krankenhausaufenthalts festgelegt werden“, erklärt Simon Dukes, Vorsitzender des Apothekerverbands PSNC, der den Rahmenvertrag mit den Kostenträgern verhandelt. „Der neue NHS-Entlassmedikationsdienst der Vor-Ort-Apotheken wird den Menschen helfen zu verstehen, welche Arzneimittel sie nehmen müssen und warum.“ Durch die Verringerung der Wiedereinweisungen werde der NHS jedes Jahr Millionen Pfund sparen, so Dukes.

Für NHS-Chefapotheker Bruce Warner ist das Entlassmedikationsmanagement erst der Anfang. Im Laufe des kommenden Jahres werde der NHS anfangen, eine Reihe neuer Maßnahmen einzuführen, durch die beispielsweise Menschen mit nicht diagnostizierten Erkrankungen identifiziert werden können. „Das wird einen noch größeren Nutzen aus den wertvollen und umfassenden medizinischen Kenntnissen von Pharmazeuten ziehen, sodass Patienten die gesundheitliche Beratung und Hilfe erhalten, die sie brauchen“, so Warner.

Die zusätzlichen pharmazeutischen Dienstleistungen sollen in den kommenden zwei Monaten vorgestellt und in weiteren Pilotprojekten getestet werden, derzeit befindet sich der NHS nach eigenen Angaben in Verhandlungen mit verschiedenen lokalen Standesvertretungen der Apothekerschaft, um geeignete Regionen für die Pilotprojekte zu finden. Als zu testende Maßnahmen sind Blutdruckmessungen in Apotheken angedacht, aber auch Streptokokken-Tests und Rauchentwöhnungsprogramme.

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