Österreich

Hausapotheken: Ärztin zieht vor Verfassungsgericht APOTHEKE ADHOC, 28.09.2017 13:17 Uhr

Berlin - 

Seit Jahrzehnten versucht die Apothekerkammer den Gebietsschutz rund um die öffentlichen Apotheken so gut wie möglich zu verteidigen. Gleichzeitig kämpft die Ärztekammer um Hausapotheken für die Landärzte und Allgemeinmediziner. Nun haben Tirols Landärzte beim Verfassungsgerichtshof eine Klage eingereicht. Sie hoffen, dass das oberste Gericht des Landes die bisherige Regelung wegen Gleichheitswidrigkeit kippt.

Generell beträgt der Gebietsschutz für öffentliche Apotheken in Österreich sechs Kilometer. Innerhalb dieses Umkreises darf keine ärztliche Hausapotheke geführt werden. 2006 wurden zunächst auch die Ausnahmen bei Praxisübergaben gestrichen und nach zähen und langwierigen Verhandlungen in 2016 jedoch wieder eingeführt. Seitdem gilt: Wenn der Abstand bis zur nächsten öffentlichen Apotheke mindestens vier Kilometer beträgt, kann die Hausapotheke der scheidenden Ärzte von ihren Nachfolgern weitergeführt werden. Als Zeitpunkt legte sich die Politik rückwirkend auf den 1. Mai 2015 fest.

Und so kam die Neuregelung für eine Außerferner Allgemeinmedizinerin zu spät. Sie hat bereits im April 2014 die Praxis ihres Vorgängers übernommen. Obwohl die nächste öffentliche Apotheke 4,45 Kilometer entfernt ist, wurde ihr Antrag auf Fortführung der Hausapotheke von der Bezirkshauptmannschaft im November 2016 abgelehnt, berichtet die Tiroler Tageszeitung. Die Begründung: Für sie gelte die Ausnahmeregelung nicht.

Gegen diesen Beschluss hat die Ärztin geklagt. Das Landesverwaltungsgericht hat jedoch vor wenigen Wochen den negativen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft bestätigt. Das Urteil wollte die Medizinerin nicht akzeptieren und zieht nun vor den Verfassungsgerichtshof. „Es ist nämlich in keiner Weise nachvollziehbar, dass ein Arzt, der die Nachfolge 2014 angetreten hat, anders behandelt werden soll als ein Mediziner, der am 1. Mai 2015 eine Praxis übernommen hat“, wird ihr Anwalt in der Zeitung zitiert.

Der Stichtag ist aus seiner Sicht sachlich nicht zu rechtfertigen. Vielmehr werde damit der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Ob die Ärztin damit Erfolg hat, ist zumindest fraglich. Denn schon das Landesverwaltungsgericht verweist in seiner Entscheidung darauf, dass der Gesetzgeber die Wahl eines Stichtages nicht begründen müsse.

„Das Verhältnis zwischen öffentlichen Apotheken und ärztlichen Hausapotheken ist in Österreich im Apothekengesetz klar geregelt. Die vorliegende Klage richtet sich auch nicht gegen den Status quo, sondern stellt vielmehr die gesetzlich getroffene Stichtagsregelung in Frage“, erklärt Dr. Matthias König, Präsident der Apothekerkammer Tirol.

Ohnehin stelle Österreich mit den ärztlichen Hausapotheken im europäischen Vergleich eine Ausnahme dar. In den meisten europäischen Ländern dürften Arzneimittel nur über Apotheken verkauft werden. „Für die Bevölkerung ist eine Apotheke immer eine Verbesserung in Sachen Gesundheit. Überall dort, wo in den vergangenen Jahren eine Apotheke eröffnet hat, hat sich die Arzneimittelversorgung deutlich verbessert“, so König.

Auf der anderen Seite kämpfen Ärzte verbissen um die Hausapotheken. Einerseits, wie Tirols Ärztekammerdirektor Günter Atzl in der Tiroler Tageszeitung erklärte, um die Versorgungssicherheit in den ländlichen Regionen zu gewährleisten – auch in den Bereitschaftsdienstzeiten am Wochenende.Zum anderen bedeute eine Hausapotheke ein Zubrot für die Ärzte im peripheren Bereich, räumte er ein.

Mit den Hausapotheken alleine wird sich der Ärztemangel in den peripheren Regionen zwar nicht lösen lassen, weiß auch Tiroler Ärztekammerpräsident Artur Wechselberger. „Doch sie sind gerade am Land ein wichtiger Service für die Bevölkerung und eine zusätzliche Einnahmequelle für die Mediziner“, betonte er.

Die Situation bei den Ausschreibungen offener Ärztestellen hat sich zuletzt in Tirol offenbar verschärft: Neun Allgemeinmediziner und zwölf Fachärzte wurden gesucht. Nach Angaben der Landesärztekammer gab es für 17 Stellen kein einzigen Bewerber. In den nächsten zehn Jahren würde die Hälfte der 468 Allgemeinmediziner in Rente gehen. Deshalb müsste alles unternommen werden, um den Beruf des Hausarztes attraktiver zu machen.