Unkrautvernichtungsmittel

Glyphosat-Prozess: Eklat zum Auftakt dpa, 26.02.2019 09:37 Uhr

Turbulenter Prozessbeginn: Dem zuständigen Bundesrichter Vince Chhabria ging bereits das Auftaktplädoyer der Klägeranwältin Aimee Wagstaff zu weit. Foto: Bayer
San Francisco - 

Wegen der umstrittenen Geschäfte der US-Tochter Monsanto ist der deutsche Pharma- und Chemieriese Bayer in Amerika mit Tausenden Klagen konfrontiert. Nun hat der zweite Prozess begonnen. Der Auftakt verlief konfrontativ und lieferte bereits den ersten Eklat.

Die Bayer-Tochter Monsanto findet sich in den USA wegen ihrer Unkrautvernichter mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat erneut auf der Anklagebank wieder. Nachdem der Saatgutriese im vergangenen Jahr bereits eine bittere Schlappe vor einem US-Gericht kassiert hatte, begann am Montag in San Francisco der zweite Prozess. Auch hier geht es um angebliche Krebsrisiken von Monsantos Verkaufsschlager Roundup. Der Konzern wird beschuldigt, die Gefahren bewusst verschwiegen zu haben. Für Bayer geht es um viel Geld – und der gute Ruf steht auf dem Spiel.

Der erste Verhandlungstag vor dem Bundesbezirksgericht in Nordkalifornien startete direkt mit einem heftigen Schlagabtausch. Dem zuständigen Bundesrichter Vince Chhabria ging bereits das Auftaktplädoyer der Klägeranwältin Aimee Wagstaff zu weit – er drohte ihr wegen angeblicher Verstöße gegen die im Vorwege festgelegte Prozessordnung mit Sanktionen. Der Richter verdonnerte die Juristin, noch im Laufe des Tages eine schriftliche Erklärung zu ihrem Verhalten abzugeben, um einer möglichen Bestrafung zu entgehen. Was war passiert?

Chhabria hatte im Januar entschieden, das Verfahren in zwei Phasen zu teilen. Dadurch wird es zuerst um die Frage gehen, ob Glyphosat krebserregend ist. Sollten die Kläger dies belegen können, so würde dann im weiteren Verlauf erörtert, ob Monsanto arglistig über Risiken seiner Produkte hinweggetäuscht hat. Diese Regelung hat auch Auswirkungen auf die Argumente, die von den Streitparteien vor der Jury vorgebracht werden dürfen. Die Anschuldigungen, Monsanto habe gezielt versucht, die Gefahren des Unkrautvernichters Roundup zu vertuschen, müssen zunächst warten. Daran soll sich Anwältin Wagstaff jedoch nicht gehalten haben. Ihr Mandant, der Kläger Edwin Hardeman, macht Roundup für seine Erkrankung an Lymphdrüsenkrebs verantwortlich. Monsanto habe das „für die menschliche Gesundheit gefährliche“ Produkt ohne hinreichende Warnungen verkauft und müsse dafür zu Schadenersatz verurteilt werden, heißt es in der Anklageschrift.

Bayer und Monsanto weisen die Vorwürfe energisch zurück. Doch das Risiko für den Konzern ist groß – insgesamt gibt es in den USA rund 9300 Kläger, die Prozesswelle kommt also gerade erst in Fahrt. Das erste Urteil in einem US-Rechtsstreit um Glyphosat hatte im August für großes Aufsehen gesorgt und klargemacht, wie riskant die rund 63 Milliarden Dollar teure Monsanto-Übernahme für Bayer ist. Eine Geschworenenjury hatte entschieden, dass das Unternehmen dem Krebspatienten Dewayne Johnson insgesamt 289 Millionen Dollar zahlen müsse. Zwar senkte die Richterin die Summe später auf rund 78 Millionen Dollar (69 Millionen Euro) und auch der geringere Schadenersatz sagt bislang wenig aus, da der Konzern Berufung eingelegt hat. Dass es aber überhaupt zu einem Schuldspruch kam, war ein Schock, der die Bayer-Aktie auf Talfahrt schickte und massiv am Börsenwert zehrte.

Nun wird es jedoch erst richtig ernst. Denn anders als beim ersten Prozess handelt es sich jetzt um den ersten Fall, der auf Bundesebene verhandelt wird und Teil eines Massenverfahrens ist. Bei Richter Chhabria sind Hunderte Klagen von Landwirten, Gärtnern und Verbrauchern gebündelt, der Fall Hardeman ist ein „Bellwether Case“, dessen Ausgang als richtungsweisend für die vielen anderen Klagen gilt. Monate lang hatten sich sich die Anwälte bei der Prozessvorbereitung beharkt, etwa als es darum ging, welche Studien als potenzielle Beweismittel zugelassen werden.

Chhabrias Standpunkt war bislang relativ schwer einzuschätzen. Er hatte sich zwar zunächst skeptisch gezeigt, ob die Beweislage eindeutig genug sein könne, um zu dem klaren Schluss zu kommen, dass Glyphosat – wie von den Klägern behauptet – Krankheiten wie Lymphdrüsenkrebs verursache. Bei der umkämpften Frage, welche Beweismittel anerkannt werden, konnte sich aber keine Partei richtig durchsetzen. Nachdem es zunächst schien, als würde jede Menge Material gegen Monsanto aus dem Prozess herausgehalten, soll dieses nun doch zumindest teilweise zugelassen werden. Die Scharmützel im Vorfeld und der turbulente Prozessbeginn zeigen auf jeden Fall bereits, wie schwer es die Jury haben wird.