Buchtipp

Beratungstipps aus Österreich

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Berlin -

Die Apotheke befindet sich im Wandel. Das Produktsortiment ist längst nicht mehr einzigartig, die Konkurrenz durch Versandapotheken und Drogeriemärkte wächst. Was Apotheker tun können, um weiterhin einzigartig zu bleiben, verrät Heidi Gregor in ihrem Buch „Apotheken im Umbruch, mehr für Ihre Kunden – mehr für Sie“. Um zu überleben, müssten die Kollegen umdenken und Fachwissen und Kommunikation verknüpfen.

Gregor stellt die Frage, wie man an den Beruf herangeht: Will man der traditionelle, überwiegend Rezepte beliefernde Apotheker sein? Oder ein moderner Apotheker mit einer neuen kundenorientierten Einstellung, der Fachwissen mit kommunikativem Wissen kombiniert? Für die Österreicherin ist klar, dass es eine neue Herangehensweise braucht und dass die teilweise noch vorherrschende „Beamtenmentalität“ der aktiven Lösungsfindung für die Kunden weichen muss.

Gregor beschreibt den traditionellen Apotheker als denjenigen, der mit dem erhobenen Zeigefinger seinen Kunden gegenüber tritt und nicht laiengerecht beraten kann. Diese Herangehensweise ist für Gregor nicht kundenfreundlich. Auch wenn derzeit noch zahlreiche Apotheken von Rezepten leben könnten, würden diese auf lange Sicht aussterben. Der mündige Kunde werde sich solch ein Verhalten nicht mehr lange gefallen lassen.

Beratung werde heute oftmals auf die Weitergabe von Verhaltensanweisungen reduziert, so Gregor. Apotheker müssten aber „out of the box“ denken und ihre Fachkompetenz nutzen, um den Kunden einen echten Mehrwert zu geben. Auch eine Spezialisierung hält die Österreicherin für notwendig, da das OTC Geschäft durch den Versandhandel weiter rückläufig sein werde.

Apotheken könnten sich zum Beispiel auf die Belange von Frauen in verschiedenen Lebensbereichen spezialisieren. Eine andere Möglichkeit wäre eine Balance-Apotheke, die mehrere kleine Beratungsecken hat, um diskret zu intimen Themen beraten zu können. Stress, Schlafmangel, Nervosität, Vitalität könnten hier Schwerpunkte sein.

Gregor ist seit zwölf Jahren selbstständige Trainerin und Coach. Sie führt keine Verkaufstrainings durch, sondern vertritt einen nachhaltigen Ansatz, bei dem es am Ende drei Gewinner geben soll: den Kunden, den Berater und das Unternehmen. Der schnelle Deal, meint sie, funktioniert in der Apotheke nicht. Das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Kunden und den Mitarbeitern dürfe nicht für das schnelle Geld missbraucht werden.

Sie lehrt alle Facetten der Kommunikation. Ihre Spezialisierung liegt in der Beratung, die auch einen non-verbalen Anteil hat. In ihrem Buch beschreibt sie die Macht des ersten Eindrucks: Binnen 250 Millisekunden habe der Kunde bereits ein Bild von seinem Gegenüber. Die äußere Erscheinung und die Körpersprache sowie Stimme und Wortwahl entscheiden laut Gregor von Beginn an, was der Kunde von seinem Gegenüber denkt und ob er ihm Vertrauen schenkt. Etwa 80 bis 90 Prozent des Erfolges fallen auf diese Faktoren, die man Beziehungsebene nennt, das Gesagte habe nur 10 bis 20 Prozent Anteil an der Kundenentscheidung.

In ihrem Buch zeigt Gregor Fallbeispiele auf und Ansätze für eine gute Kommunikation. Es gehe aber nicht darum „irgendwelche Sätze auswendig zu lernen, sondern seine eigenen Wordings zu finden und die Empfehlungen in die eigene Mundart, den eigenen Dialekt zu personalisieren“. Gregor: „Die Individualisierung ist unerlässlich, damit es nicht aufgesagt klingt.“ Das Talent für Sprache ist laut Gregor wahrscheinlich veranlagt, die eigene Kommunikation könne hingegen jeder verbessern und somit beruflich und privat für Erfolge sorgen.

Den Prozess Kommunikation nachhaltig zu verbessern, brauche seine Zeit. „Zunächst muss man die alten sprachlichen Routinen, die wir schon so lange gewohnt sind, aufbrechen. Dann Neues erlernen, dieses oftmals üben, bis es zur neuen, besseren Routine wird. Das ist nicht einfach, denn wir rutschen gerne mal wieder in die tiefe alte Spurrille ab. Der Weg erfordert anfangs bewusste Konzentration, doch bald stellen sich die ersten Erfolge ein und es wird leichter und leichter“, so Gregor.

Eine Veränderung sei nötig – eine neue Einstellung zum Kunden. Apotheker müssten weg von der Mentalität des „Ich muss etwas verkaufen“. Denn diese passe nicht zu der Grundeinstellung der meisten Apotheker, die eigentlich helfen wollten. Das Geheimnis des zukünftigen Erfolges liege in der Lösungsfindung für das Problem des Kunden und der individualisierten konkreten Produkt-Empfehlung. Die Sicherheit des Kunden und seine rasche Zielerreichung stünden dabei im Vordergrund.

Dazu müsse zunächst eine gute Beziehung zum Kunden aufgebaut werden, dies gelinge zum Beispiel durch Spiegeln: Das Gegenüber wird bewusst auf seiner Ebene abgeholt, indem man sich sprachlich, inhaltlich und körpersprachlich an den Kunden anpasst und sich einfühlt. Das wahre Bedürfnis zu erkennen und den Bedarf zu ermitteln, sei der zweite Schritt. Aus den gewonnenen Informationen ergibt sich die Empfehlung konkreter Produkte mit leicht verständlichem und Sicherheit vermittelndem Wording. Der individuell zu erzielende Nutzen sei dem Kunden aufzuzeigen.

Habe der Kunde den Nutzen des Produktes für sich erkannt, sei auch der Preis kein Thema. Die Summe dieser Schritte ist Beratung, wie Gregor sie versteht. Es gehe dabei nicht darum, mehr zu verkaufen. Gregor will den Apotheker „bei seiner Ehre, seinen eigenen Werten packen“. Enthält der Apotheker seinem Kunden Arzneimittel und für ihn relevante Gesundheitsinformationen in seiner Beratung vor, hilft er weder, noch generiert er Umsatz. Apotheker wollen fair sein und helfen, dies gelingt laut Gregor aber nur, wenn sie bei allen Kunden den gleichen Beratungsstandard anlegen. Die Entscheidung über den Kauf bleibe letztlich beim Kunden.

Für die Zusatzempfehlung in der Beratung hat Gregor das Senf-T-Modell entwickelt. „Wie kann ich ethisch einwandfrei meinen Senf dazugeben“, fragt Gregor. Das Modell ist entstanden, als sie zwei Stunden zum Thema Zusatzempfehlungen schulen sollte. Es ging ihr dabei darum, die Zusatzempfehlung in einen sinngebenden Zusammenhang zu stellen und vom Verdacht des schnellen Deals zu entheben. „Es geht bei einer Zuatzempfehlung um das Schaffen eines individuellen Mehrwertes für den Kunden auf der Basis von Vertrauen und Sensibilität.“ Das Modell lasse sich in allen Beratungssituationen in der Apotheke anwenden, egal ob für den Verkauf von OTC-Produkten, oder eine Rezeptbelieferung.

Das Kommunikationsmodell war Anlass für die Buchidee. Schon der zweite Verlag, den sie anschrieb, der Facultas-Verlag, gab eine Zusage. Es sollte ein „Buch zum Nachschlagen“ werden: praxisorientierte Beratungskommunikation mit dem Senf-T-Modell zur Erleichterung der Zusatzempfehlung. „Ein Übungsheft zum Download und Körpersprache-Cartoons sollen das Lernen unterstützen. Viele selbsterlebte Praxisbeispiele gestalten es lebhaft und amüsant.“

Laut Gregor kommt das Buch gut an und wird von Meinungsbildnern unterstützt.
Ihre Herangehensweise hat sich die Apothekerin basierend auf Kommunikationsstandards und Erlebtem selbst erarbeitet. Ihre Methoden entwickelt sie stets weiter, es ist auch für sie ein ständiger Prozess. Klar sei aber: „Der Erfolg beginnt im Kopf.“

Gregor hatte schon immer Interesse für Sprache. Sie mochte jedoch auch Chemie in der Schule und war vom frauenfreundlichen Beruf der Apothekerin begeistert. Insgesamt hat sie fünf Jahre in der Apotheke gearbeitet. Nach mehreren weiteren Ausbildungen beschloss sie, sich als Trainerin für Kommunikation selbstständig zu machen. Die Arbeit „in der klassischen traditionellen Apotheke hat mich zu Tode gelangweilt, hätte mich damals schon jemand so geschult und mir beigebracht mehr daraus zu machen, wäre ich vielleicht noch in einer Apotheke tätig“, so Gregor.

Heute schult Gregor Apothekenpersonal inhouse und ist Referentin bei Großveranstaltungen für PKA und Pharmazeuten. Zu verschiedenen kommunikativen Themen sowie zur Beratungskommunikation in der Apotheke ist sie auch Ansprechperson für Industriepartner und Großhandel. Sie schreibt bereits an ihrem nächsten Buch über natürliche Methoden, um Alterungsprozesse im Körper zu stoppen und umzukehren. Es trägt den Arbeitstitel „Natürlich – Zeitlos – Schön“.

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