Arzneimittelsucht

Apothekerin schreibt Ratgeber für Eltern

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Berlin -

Die Opioidkrise in Nordamerika ist längst in den Familien angekommen. Aufgewühlt durch betroffene Jugendliche im eigenen Umfeld hat eine kanadische Apothekerin Tipps aufgeschrieben, wie Eltern und Jugendliche verantwortungsvoll mit den stark wirksamen Schmerzmitteln umgehen können.

„Am Valentinstag rief mich mein Mann auf der Arbeit an und bat mich, sofort nach Hause zu kommen“, erzählt Shelita Dattani aus Kanata, einem Vorort der kanadischen Hauptstadt, auf dem Portal „Ottawa Citizen“. Die Apothekerin ist Mutter zweier Teenager. „Eine Mitschülerin meiner Tochter aus demselben Highschooljahrgang war an einer offensichtlichen Drogenüberdosis gestorben. Ein paar Tage später schrieb ein anderer Vater aus unserer Stadt in einem offenen Brief über die Drogenabhängigkeit seiner Tochter.“

Als Apothekerin habe sie sich immer um eine sichere und effektive Verschreibung und Abgabe von Opioiden gesorgt, sagt Dattani. „In diesem Monat landete der Horror der Opioidkrise in unserem Hinterhof. Ich habe mit mir gerungen, wie ich damit umgehen sollte.“ Wie viele Familien aus dem Ort hätten auch sie über die Ereignisse am Abendbrottisch gesprochen. „Manchmal ist es schwer, Teenager dazu zu bringen, sich zu öffnen.“ Doch manche Dinge müssten unbedingt angesprochen werden.

Wer Medikamente aus ungeklärten Quelle kaufe oder annehme, spiele Russisch Roulette mit seinem Leben. „Es gibt keine Möglichkeit herauszufinden, was in ihnen steckt und welche Wirkstoffmenge sie enthalten“, so die Apothekerin. „Die möglichen Schwankungen in der Dosierung sind enorm und extrem gefährlich.“ Nicht immer entpuppten sich die Medikamente als das, was sie zu sein scheinen. „Du glaubst, ein bestimmtes Schmerzmittel gekauft zu haben, das du letztes Jahr gegen deine Hockeyverletzung verschrieben bekommen hast. Aber in Wirklichkeit könnte es mit Fentanyl gestreckt sein.“ Dattanis dringender Rat: „Nehmt nur Medikamente ein, die euch von medizinischen Fachkräften verschrieben und verabreicht worden sind.“

Für Jugendliche sei es heutzutage gar nicht schwer, an der Schule oder auf Partys an illegale Medikamente zu gelangen. Aber nicht jeder wisse, dass viele Teenager ihre ersten Opioide in den eigenen vier Wänden kennenlernen. „Eine leicht zugängliche Dose mit Pillen, die für ein anderes Familienmitglied verschrieben worden sind, kann Neugierige zum Experiment einladen. Sie glauben, dass die Medikamente ungefährlich sind, weil sie ja von einem Arzt verschrieben wurden.“

Dattanis Appell an den Nachwuchs: „Gib der Versuchung nicht nach, verschreibungspflichtige Arzneimittel auszuprobieren, die auf dem Küchentisch herumliegen.“ Eltern seien gehalten, Rx-Medikamente an abschließbaren oder unzugänglichen Orten aufzubewahren. „Bringen Sie überflüssige Tabletten zurück in die Apotheke. Bewahren Sie niemals im Arzneimittelschrank für einen späteren Gebrauch auf!“

Doch auch ein Schmerzmittel, das vom Arzt verschrieben und einem Apothekenmitarbeiter ausgehändigt werde, sei nicht automatisch sicherer als illegale Drogen von der Straße, mahnt die Pharmazeutin. „Sie können genau so süchtig machen. Binnen weniger Tage gewöhnt sich der Körper, es kann sein, dass du zweimal so viel von dem Opioid brauchst als ursprünglich verschrieben, um den Schmerz in Schach zu halten.“ Auch hier gebe sie den Jugendlichen einen dringenden Rat: „Wenn dir Schmerzmittel verschrieben werden, dann führe ein ausführliches Gespräch mit dem Arzt und deinen Eltern.“ Ein weiteres Gespräch mit dem Apotheker könne helfen, die Risiken und Nebenwirkungen von Opioiden zu verstehen.

Süchtig zu werden, sei viel einfacher, und von der Abhängigkeit loszukommen viel beschwerlicher, als sich viele vorstellten, vor allem für Teenager. „Von den Opioiden herunterzukommen, kann zu erhebliche körperlichen Beschwerden führen, das macht den Prozess so schwierig.“ Eltern müssten das ihren Kindern immer wieder bewusst machen. Bei Symptomen einer Überdosis empfiehlt Dattani die schnelle Gabe von Naloxon. Ein entsprechendes Notfallkit gibt es ist in Kanada rezeptfrei in der Apotheke.

Ein Tipp ist universell: „Sie werden vielleicht erleben, dass ihre Teenager mit den Augen rollen, wenn sie mit ihnen über dieses schwere Thema sprechen. Aber bleiben sie auf der Spur.“ Das sei entscheidend für die Sicherheit ihrer Kinder. „Es könnte das wichtigste Gespräch sein, dass sie jemals führen werden.“

Wie steht es um Opioide in Deutschland? Beobachtet ihr bei euren Kunden eine Abhängigkeit? Ist euch Missbrauch schon begegnet? Wie geht ihr damit um? Diskutiert im LABOR von APOTHEKE ADHOC mit euren Kollegen.

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