Bewerbungsgespräche für Neugründungen

Apothekenchaos auf Mallorca: Gericht kippt 18 Konzessionen

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Berlin -

Wer Pharmazie studiert hat, kann überall eine Apotheke eröffnen, denn in Deutschland gilt die Niederlassungsfreiheit. In anderen Ländern gibt es dagegen eine Bedarfsplanung – und die treibt mitunter die seltsamsten Blüten: Auf Mallorca etwa hat ein Gericht die Vergabe von Konzessionen für 18 Apotheken für ungültig erklärt. Vollkommen unklar ist, wie es jetzt weiter geht.

Früher wurden Konzessionen für Apotheken in Spanien anhand von demografischen und geografischen Kriterien vergeben – alle 17 autonomen Regionen durften eigene Regeln aufstellen. Auf den Kanaren etwa galt die Vorgabe, dass auf jede Apotheke rein rechnerisch 2400 Einwohner kommen mussten. Außerdem war ein Abstand von 250 Metern zur nächsten Apotheke vorgeschrieben.

Parallel zum deutschen Fremd- und Mehrbesitzverbot prüfte der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2009 auch das spanische System. Die Bedarfsplanung wurde zwar im Grundsatz für zulässig erklärt, die damaligen rigiden Vorgaben in der Region Asturien waren für die Richter aber zu starr und damit unvereinbar mit Gemeinschaftsrecht.

Mittlerweile gibt es überall im Land ein neues System: Die Bezirksregierung prüft anhand von Landkarten und Bevölkerungsdaten, wo Bedarf für eine neue Apotheke besteht. Am Ende werden zwar keine Straßennamen, aber doch ziemlich eingegrenzte Areale vorgegeben, für die sich dann die Apotheker:innen bewerben dürfen. Anhand einer Skala, die auch öffentlich einzusehen ist, werden Punkte vergeben. Wichtigstes Kriterium ist die Berufserfahrung, aber auch Schulungen oder etwa eine Promotion fließen in die Bewertung ein.

Bewerbungsgespräch für Apothekengründer

Am Ende müssen die Kandidat:innen sogar zu einem Bewerbungsgespräch antreten. Hier müssen sie nicht nur sich selbst einschätzen, sondern auch ihren Lebenslauf präsentieren und begründen, warum bestimmte Leistungen angerechnet werden sollen. Angehört werden sie durch vier Vertreter:innen der Gesundheitsabteilung sowie einer Juristin oder einem Juristen der Bezirksregierung. Außerdem sitzen zwei Delegierte der Apothekerkammer mit am Tisch.

Eine Kollegin, die einer solchen Kommission angehört hat, schildert die Probleme: „Du willst natürlich absolut unparteiisch sein. Aber du hast 600 Bewerbungen auf dem Tisch – und kannst dich beim besten Willen nicht an alle Details erinnern. So kann es passieren, dass du an einem Tag einen Kurs anerkennst, den du eine Woche zuvor bei einem anderen Bewerber noch abgelehnt hast.“ Und sie macht auch kein Geheimnis daraus, dass gerade etablierte Kolleg:innen oft gar kein Interesse daran hätten, dass Zuschläge für neue Apotheken erteilt werden.

Am Ende wird eine Liste mit allen Bewerber:innen erstellt – wer ganz oben steht, kann sich zuerst für einen Standort entscheiden. Sind alle ausgeschriebenen Standorte vergeben, endet das Verfahren. Alle anderen Kandidat:innen haben Pech gehabt. Doch natürlich wollen sich die Unterlegenen nicht immer mit dem Ergebnis abfinden. Zahlreiche Ausschreibungen beschäftigen die Gerichte – oft dauert es Jahre, bis überhaupt die Anhörung stattfindet.

Ausschreibung wird rückabgewickelt

Der oberste Gerichtshof der Balearen (Tribunal Superior de Justicia de las Islas Baleares) gab jetzt mehreren solche Klagen gegen Zuschläge aus dem Jahr 2012 für Apotheken auf Mallorca außerhalb der Hauptstadt Palma de Mallorca statt – und erklärte gleich das gesamte Vergabeverfahren für unrechtmäßig, da der Gleichheitsgrundsatz nicht beachtet worden sei. Die Ausschreibung müsse komplett neu aufgerollt werden, da nicht auszuschließen sei, dass potenzielle Interessenten aufgrund der Vorgaben von vornherein auf eine Bewerbung verzichtet hätten.

Damit sind die Eigentumsverhältnisse von 18 Apotheken, die seit mehr als einem Jahrzehnt in Betrieb sind und von denen einige bereits weiterverkauft wurden, vollkommen ungewiss. Die Gesundheitsbehörde (Conselleria de Salut) prüft nun, wie sie mit dem Urteil umgehen soll. Immerhin haben die bisherigen Eigentümer:innen in ihre Betriebe investiert und drohen mit Schadenersatzklagen. Auf der anderen Seite drängen die Prozessgewinner darauf, dass das Ausschreibungsverfahren schnellstmöglich gestartet wird. Immerhin haben sie jetzt nicht nur die Aussicht auf einen Standort, sondern auf eine etablierte Apotheke.

Streit um Bedarfsplanung

Hierzulande gibt es die Niederlassungsfreiheit seit dem „Apothekenurteil“ des Bundesverfassungsgerichts von 1958. Als vor mehr als zehn Jahren vor dem EuGH über das Fremd- und Mehrbesitzverbot gestritten wurde, brachten Befürworter der Liberalisierung allerdings auch das System der Bedarfsplanung als vermeintlich bessere Alternative wieder ins Spiel: Auch Konzerne sollten Apotheken betreiben dürfen, allerdings sollte für Neugründungen ein Genehmigungsverfahren etabliert werden. So argumentierte Celesio in einem White Paper, und so propagierte es der spätere Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem Gastbeitrag im Handelsblatt. Kein Wunder: Immerhin konnte auch der Kettenkonzern kein Interesse daran haben, dass etwa Drogerieketten ihnen nebenan Konkurrenz machen würden.

Auch andere Länder kennen solche Systeme, darunter Österreich. Befürworter solcher Regelungen argumentieren damit, dass Apotheker:innen nur dann wirklich unabhängig sein können, wenn sich der wirtschaftliche Druck aufgrund von Planbarkeit in Grenzen hält. Am Ende komme dies auch den Verbraucher:innen zugute, die nicht der Gefahr ausgesetzt seien, dass Apotheken nur vorübergehend betrieben würden.

Junge Apotheker:innen stellen solche Systeme dagegen regelmäßig vor Herausforderungen: In Finnland etwa starten Berufsanfänger in der Regel zunächst in einer entlegenen Region wie Lappland in die Selbstständigkeit. Nach einer gewissen Berufserfahrung können sie sich dann für attraktivere Standorte im Süden des Landes bewerben.

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