Apotheke, DocMorris oder Amazon

Zu wem wandern die E-Rezepte?

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Berlin -

Der Launch des E-Rezepts holpert zwar noch, aber irgendwann wird es auch in Deutschland flächendeckend eingeführt werden. Die Frage, die den Markt seit Jahren umtreibt: Wo werden die Patient:innen ihre Verordnungen hinschicken. Laut einer Studie des Pharma Analytics Anbieters Smile BI wären vor allem online-affine Menschen bereit, ihre Rezepte auch an Amazon zu schicken – oder gleich beim Hersteller einzulösen, wenn das ginge.

Als größtes Schreckgespenst gilt vielen Apotheker:innen der mögliche Einstieg von Amazon ins Arzneimittelgeschäft. Der Versandriese hat sich in kürzester Zeit schon andere Branchen einverleibt und ist in den USA den Schritt zu „Amazon pharmacy“ bereits gegangen. Laut Umfrage können sich zwar zwei Drittel der 1494 Teilnehmer:innen einer Online-Befragung nicht vorstellen, Medikamente bei Amazon zu bestellen. Doch 8 Prozent haben über die Plattform bei angeschlossenen Händlern schon Medikamente bestellt, die Hälfte davon schon öfter.

Und besonders alarmierend für die Apotheken: Von den Personen, die schon mehr als einmal bei Amazon Medikamente bestellt haben, würden zwei Drittel hier auch ihr Rezept einlösen, wenn das möglich wäre. Das sind absolut gesehen noch kleine Zahlen, zeigt aber, wohin die Reise gehen könnte, wenn der Versandriese hierzulande ernst macht. Auch unter allen Befragten können sich immerhin 12 Prozent vorstellen, E-Rezepte an Amazon zu schicken.

Die Versandapotheken warten sehnlich auf die Einführung des E-Rezepts, versprechen sie sich damit doch endlich einen nennenswerten Anteil am Rx-Geschäft. Gleichzeitig wären gerade für sie Amazon ein gewaltiger Konkurrent: 39 Prozent der Personen, die heute schon online rezeptpflichtige Arzneimittel bestellen, würden diese auch bei Amazon ordern.

Viele Patient:innen hätten zudem offenbar wenig Berührungsängste, ihre Medikamente beim Hersteller zu beziehen – was rechtlich derzeit nicht möglich ist. 26 Prozent der Befragten könnten sich vorstellen, ihr Rezept direkt beim Pharmahersteller einzulösen. Und die meisten würden dann auch gleich OTC-Präparate dort mitbestellen. Vor allem die jetzt schon online-affinen Kund:innen können sich diesen Bezugsweg vorstellen.

Bislang ist die Kenntnis über das E-Rezept in weiten Teilen der Bevölkerung noch überschaubar. Entsprechend weiß die Mehrheit von 58 Prozent der Befragten noch gar nicht, was sie mit ihrer Verordnung auf dem Smartphone machen werden. 28 Prozent sind sich sicher, dass sei weiter in die Apotheke gehen, 9 Prozent würden eine Versandapotheke bevorzugen. Keine gute Nachricht für die Plattformbetreiber: Nur 6 Prozent der Befragten gaben an, sie würden das E-Rezept digital über eine Vor-Ort-Apotheke beziehen, selbst wenn diese liefert.

Das Apothekensterben dürfte sich mit Einführung des E-Rezepts deutlich beschleunigen, so die Prognose von Smile BI, einer Schwesterfirma der Marketingagentur Dr. Kaske. Im mittleren Szenario etabliert sich die elektronische Verordnung nach einigen Anfangsschwierigkeiten. Der andauerndem Corona-Online-Boom sowie die Möglichkeit der Ausstellung von Folgenrezepten könnten zusätzlich Auftrieb geben. In diesem Modell würde die Zahl der Apotheken in den kommenden zehn Jahren auf unter 15.000 fallen.

Sollte auch noch Amazon einsteigen und den Markt an sich reißen, ist laut Prognose der Studie sogar ein Absturz auf etwa 12.500 Vor-Ort-Apotheken zu befürchten. Selbst wenn sich die Einführung des E-Rezepts weiter verzögert, rechnet man bei der Marketingagentur mit einem weiteren Rückgang der Apotheken, dann aber moderat auf etwa 17.000 Standorten in zehn Jahren.

Smile BI hat auch 85 Hersteller zu ihrer Einschätzung zum Onlinehandel befragt. Sie sind sich jedenfalls sicher, dass Amazon auf dem einen oder anderen Weg in den deutschen Apothekenmarkt einsteigt: 58 erwarten, dass der Versandriese eine große Versandapotheke übernimmt, weitere 47 Prozent glauben eher, dass Amazon mit einer eigenen Apotheke an den Start gehen wird.

Für sich selbst erwarten die Hersteller, dass der Online-Marktanteil bei OTC und Freiwahl schon im kommenden Jahr auf etwa 30 Prozent steigt. „Das E-Rezept könnte durch die Rezepteinlösung auch OTC-Zusatzverkäufe verstärken“, so die Einschätzung von Smile BI. Die reinen OTC-Hersteller erwarten bis zum Jahr 2025 sogar einen Onlinemarktanteil von 45 Prozent.

Ausgehend von einem derzeitigen Anteil von 1,5 Prozent des Rx-Marktes im Onlinehandel erwarten die Hersteller mindestens eine rasche Verdopplung. Schon 2022 könnte der Anteil demnach auf 3,6 Prozent steigen. Allerdings dürfte dies stark davon abhängen, wann und wie das E-Rezept sich etabliert. Perspektivisch – bis 2025 – rechnen die Unternehmen damit, dass 9,1 Prozent des Rx-Marktes online abgewickelt wird. Hersteller von Rx-Produkten erwarten sogar 13,1 Prozent.

Smile BI hat hierzu einen Vergleich mit anderen europäischen Ländern geführt, die die Einführung des E-Rezepts schon hinter sich haben. Dänemark als eines der führenden Länder in Sachen E-Health etwa hat schon 2002 mit der Umstellung begonnen und schon seit 2010 gibt es quasi nur noch E-Rezepte. In Norwegen, wo 2008 schrittweise mit dem Wechsel begonnen wurde, liegt der Anteil laut Studie heute bei 90 Prozent.

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