Rechtsstreit um TI-Anschluss

Pharmatechnik: Keine E-Rezepte für Red-Medical-Kunden

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Berlin -

Pharmatechnik darf andere Konnektoren-Anbieter von der Anbindung an seine Warenwirtschaft ausschließen – auch wenn die Spezifikationen der Gematik klar vorschreiben, dass die Systeme interoperabel sind. Das hat das Landgericht München I entschieden und sich dabei auf das Kartellrecht bezogen. Denn das Softwarehaus sei nicht marktbeherrschend genug, so das Argument. Red Medical zeigt sich empört – und verweist darauf, dass es sich beim gestrigen Urteil nur um einen Einspruch gegen eine einstweilige Verfügung handelt. Das Hauptsacheverfahren stehe erst noch bevor und die Chancen, da zu gewinnen, stünden nicht schlecht. „Der Kuchen ist noch nicht gegessen“, sagt Geschäftsführer Alexander Wilms.

Noch vergangenes Jahr wollte sich Pharmatechnik ausweislich einer Preistabelle von den Apotheken knapp 1000 Euro dafür bezahlen lassen, „fremde“ Konnektoren an die eigene Warenwirtschaft anzubinden. Red Medical, der Anbieter jener „Fremdkonnektoren“, wehrte sich dagegen, weil es in diesen „Strafzöllen“ eine Wettbewerbsbehinderung sah. „Obwohl die Verbindung zwischen Ihrem Warenwirtschaftssystem und dem Angebot unserer Mandantin technisch ohne weiteres möglich ist, insbesondere keine weiteren Zusatzleistungen erforderlich sind, verhindern Sie jedoch durch die Erhebung nicht gerechtfertigter Entgelte einen Bezug des Konnektors über unsere Mandantin“, mussten Pharmatechnik, aber auch Noventi und CGM aus der Feder von Wettbewerbsanwältin Dr. Anne Bongers-Gehlers lesen. „Die von Ihrem Unternehmen geforderten Entgelte dienen keinem anderen Zweck, als den Kunden, die ihr Warenwirtschaftssystem bei Ihnen beziehen, den Zugang zur Leistung unserer Mandantin zu verwehren.“

Red Medical hatte damit gegen Pharmatechnik eine einstweilige Verfügungen erwirkt, die eine Interoperabilität von Konnektoren und Warenwirtschaftssystemen ermöglichen. Doch Pharmatechnik erhob Einspruch und erhielt nun vor dem LG Recht. Auf technische Probleme hat sich das Softwarehaus dabei nicht berufen. Im Gegenteil: „Die Antragsgegnerin behauptet, sie kopple das Angebot des TI-Moduls nicht zwingend an den Bezug des Konnektors bei ihr“, heißt es im Gerichtsprotokoll. „Sie schließe auch TI-Komponenten an, die Apotheken nicht bei ihr, sondern bei anderen Anbietern bezögen. Die Antragsgegnerin nennt drei Apotheken, die die TI nicht bei ihr bezogen hätten und trotzdem aktiv an das Warenwirtschaftssystem angeschlossen worden seien und hierzu auch das TI-Modul geliefert erhalten hätten.“ Pharmatechnik beteuerte, „nicht aktiv auf Apotheken hinsichtlich deren Vertragsbeziehung“ mit Red Medical hinzuwirken.

Doch das LG hat nicht anhand technischer Vorgaben geurteilt, sondern anhand des Kartellrechts – und da nur im ganz konkreten Einzelfall. „Pharmatechnik hat vor Gericht so argumentiert, dass es eine Lösung aus einer Hand anbieten will und nur so fehlerfreien Betrieb garantieren könne“, erklärt Wilms, der bei der Verhandlung anwesend war.

Und mit dieser Begründung war Pharmatechnik erfolgreich, denn: „Die Antragsgegnerin behauptet, dass sie nicht marktbeherrschend sei und starkem Wettbewerb durch andere Anbieter von Warenwirtschaftsleistungen für Apotheken sowie TI-Leistungen ausgesetzt sei.“ Das Softwarehaus hatte damit argumentiert, dass es unter 20 Prozent Marktanteil hat und deshalb keine Marktbehinderung vorliegt, wenn Red Medical ausgeschlossen wird. „Das Gericht hatte außerdem ein Problem damit, den Markt klar abzugrenzen, da es sich sowohl um Warenwirtschaftssysteme als auch den Anschluss an die Telematikinfrastruktur handelt und damit eigentlich zwei Märkte sind“, sagt Wilms. „Wenn man das aus Sicht des einzelnen Apothekers sieht, ist das sehr wohl marktbeherrschend. Er ist Pharmatechnik hilflos ausgeliefert.“

Auf Anfrage erklärt Pharmatechnik wiederum, man empfehle den Apotheken „weiterhin ausdrücklich, die betriebskritische TI aus einer Hand beim Apotheken-EDV-Partner zu bestellen, installieren und betreuen zu lassen, der auch die Apotheken-Software liefert“. Denn nur so könne „im Tagesgeschäft schneller Support aus einer Hand erfolgen“. Pharmatechnik habe deshalb mit ausgewählten Partnern Abläufe und Systemkonfigurationen entwickelt, welche auch im Supportfall schnelle Hilfe und Wiederherstellung ermöglichen. „Pharmtechnik unterstützt TI-Angebote im Zusammenhang mit der Pharmatechnik-Apotheken-EDV-Lösung nur, wenn sie den Kriterien der Pharmatechnik-eigenen TI-Gesamtlösung entsprechen.“ Diese Kriterien würden sich nicht auf einzelne TI-Anbieter beziehen, „sondern auf die technischen und organisatorischen Voraussetzungen einer TI-Produktlösung inklusive aller für den Betrieb erforderlichen Prozesse.“

Das heißt: Es geht nicht um Red Medical, aber Red Medical ist der einzige Betroffene. Denn anders als die großen Softwarehäuser setzt das Münchner Unternehmen nicht auf ein dezentrales Modell, bei dem in jeder Apotheke ein Konnektor steht, sondern auf Konnektorenfarmen in den Rechenzentren, mit denen wiederum die jeweiligen Apotheken verbunden sind. Pharmatechnik sieht sich offenbar nicht in der Lage, bei diesem Modell den gleichen Support zu bieten. „Bei TI-Komponenten, die bereits im Eigentum unserer Kunden stehen, die aber den gleichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen entsprechen wie die von Pharmatechnik angebotenen Produkte und Lösungen, werden außerdem Haftungs- und Mitwirkungspflichten zwischen Pharmatechnik und Kunde ausdrücklich geregelt und abgegrenzt.“

Die Frage ist nun, warum Pharmatechnik dann bereits Apotheken mit der Red-Medical-Lösung an seine Warenwirtschaft angeschlossen hat. Ihre Zahl ist weitaus größer als die drei erwähnten Apotheken. Was wird nun aus ihnen? Dem Vernehmen nach ist Pharmatechnik bereits an Apotheken herangetreten und hat ihnen nahegelegt, ihre Verträge bei Red Medical zu kündigen und zu ihnen zu wechseln. „Man muss sich fragen, wovor die Angst haben, dass sie ihren eigenen Kunden so vor den Bug schießen. Wir raten unseren Kunden, noch abzuwarten und sich nicht von Pharmatechnik erpressen zu lassen“, sagt Wilms. „Denn es gibt noch einiges, was man tun kann. Und das werden wir tun.“

Morgen werde sich Red Medical mit den Anwälten des Unternehmens beraten und die weitere Strategie erarbeiten, sagt Wilms. Denn es handele sich bei Urteil nur um den Einspruch von Pharmatechnik gegen die einstweilige Verfügung, die Hauptverhandlung stehe noch bevor. „Auch vor dem Hintergrund, dass bereits Mitte August ist, werden wir das mit Eile vorantreiben.“

Parallel zur juristischen Klärung werde Red Medical auch politisch tätig werden, kündigt Wilms an. „Wir werden das auf keinen Fall so stehen lassen und auch das Bundesgesundheitsministerium einschalten“, kündigt er an. „Wir sind auch gespannt, was die Gematik als Aufsichtsbehörde dazu zu sagen hat.“ Von beiden seien die Vorgaben klargewesen: Die Systeme müssen miteinander funktionieren, Pharmatechnik ignoriere das, „weil sie nicht wollen, dass sich zwischen sie und ihre Kunden ein weiterer Anbieter drängt“, so Wilms. „Es kann aber nicht sein, dass Apotheken von der TI ausgeschlossen werden, weil sie ihren freien Willen nutzen und sich für günstigere Angebote am Markt entscheiden. Für diese Apotheken werden wir kämpfen – und das war bis jetzt nur ein Scharmützel, kein finales Urteil, wie es Pharmatechnik jetzt darstellt.“

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