Interview mit Gematik-Chef

Leyck Dieken über Spahn, die Ärzte und die Testphase

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Gematik-Chef Dr. Leyck Dieken im Video-Interview.Foto: Andreas Domma
Berlin -

Wann wird das E-Rezept in der Fläche verfügbar sein? Wann wird es die Versorgung dominieren? Und hätte Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auch den Mut gehabt, die verpflichtende Einführung noch abzusagen? Gematik-Chef Dr. Markus Leyck Dieken spricht im Interview mit APOTHEKE ADHOC im Rahmen der Zukunftskonferenz VISION.A Klartext und verrät auch, wie er die Ärzteschaft motivieren will.

Ob er persönlich enttäuscht ist, dass die Einführung des E-Rezepts nicht so klappt wie geplant? Zumindest hätte Leyck Dieken erwartet, dass „ein nationaler Appell auch alle nationalen Kräfte mobilisieren wird“. Doch er habe gelernt, dass es bei großen IT-Projekten länger dauern kann. Immerhin: „Ich glaube, dass wir ein sehr solides Produkt nach vorne bringen werden, was sich in diesem Jahr auch solide durchsetzen wird.

Die Gematik hatte nach außen bis zuletzt an der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts festgehalten – auch wenn sich intern nach und nach eine andere Sicht auf die Lage durchgesetzt hatte. „Die Gematik konnte diese Haltung ja gar nicht selbst erarbeiten, weil es ein Gesetz gewesen ist. Unser Anliegen war von Anfang an, die neue Bundesregierung darüber zu informieren, dass eine Entscheidung getroffen werden muss im Dezember. Die richtige korrekte Entscheidung ist auch getroffen worden.“ Denn ohne diese hätte es eine verpflichtende Einführung zum 1. Januar gegeben. „Das wäre eine absurde Situation geworden.“

Das Ziehen der Notbremse wird in der politischen Wahrnehmung dem neuen Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zugeschrieben. Hätte sein Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) dieselbe Entscheidung getroffen? „Er hätte es intrinsisch machen müssen“, so Leyck Dieken. „Und wir haben immer in allen Berichten darauf hingewiesen, dass solch eine Entscheidung im Dezember erfolgen muss, weil sonst eine nicht haltbare Situation entstanden wäre.“

Die Entscheidung sei immer mehr kulminiert, berichtet der Gematik-Chef. „Weil wir immer mehr gesehen haben, dass wir durch die mangelnde Präsenz der IT-Softwarehäuser und die noch nicht vollständige Mitarbeit aller Krankenkassen in eine Situation hereingekommen sind, die sich erst zum Jahresende so klar entwickelt hat. Insofern erfolgte die Entscheidung, als dieses Bild so klar wurde, zur rechten Zeit.“

Gleichzeitig habe man sich sehr klar dafür entschieden, dass sich jetzt alle Gesellschafter aktiv in die Testphase einbringen müssen. „Es gibt viele Ansprüche, deshalb erwarte ich, dass auch alle ihren Beitrag leisten.“ Damit meint Leyck Dieken vor allem die Ärzteschaft, die sich zuletzt immer wieder öffentlich über das Projekt beschwert hatte.

Die Gematik erhöht hier mit mehr Transparenz den Druck auf die Softwarehäuser. „Wir machen öffentlich, wer da ist, und in welchem Reifegrad.“ Die Apotheken-Softwarehäuser beispielsweise sammelten längst Testerfahrungen, auch bei der Ärzteschaft nehme es jetzt Fahrt auf, Leyeck Dieken erwartet im zweiten Quartal eine deutliche Beschleunigung. „Im letzten Jahr hatten wir: Stell dir vor, es ist Test und keiner kommt. Jetzt haben wir: Es ist Test und jeder ist da.“ Die andere Strategie sind die 15 Testimonials, die in Videos zeigen, wie einfach das mit dem E-Rezept ist. „Die Ärzteschaft ist aufgerufen, selber Erfahrungen zu sammeln.“

Die Apotheken müssen sich Leyck Dieken zufolge keine Sorgen machen, dass die Abrechnung nicht klappt. Im Gesellschafterbeschluss gebe es ein klares Agreement, dass über etwaige Retaxationen zunächst intern gesprochen werde. Bislang gebe es kein einziges Rezept, das in diese Zone gekommen wäre. „Wir haben eine Fehlerquote insgesamt, die nahe Null ist.“ Es sei aktuell auch keine Arbeitshypothese, dass es noch zu Problemen bei der Abrechnung kommt.

Und wann rechnet Leyck Dieken selbst mit der flächendeckenden Einführung? „Wir gehen bislang davon aus, dass wir im Spätsommer die Qualitätsziele erreichen.“ Dann werde entschieden, ob es regionale Projekte geben wird oder bereits einen bundesweiten Rollout.

Erfahrungen in anderen europäischen Ländern ohne verpflichtende Nutzung des E-Rezepts prägen Leyck Diekens Erwartungshaltung. In Frankreich oder Spanien etwa könnten die Bürger:innen frei entscheiden. Hier liege der Anteil der E-Rezepte vier Jahre nach der Einführung bei rund 50 Prozent. Gerade für chronisch Kranke gebe es sehr offensichtliche Vorteile. „Es ist eben nicht nur ein beleuchtetes Papier, es ist ein völlig neues Produkt mit vielen zusätzlichen Dimensionen.“

Die CoV-Pass-App habe gezeigt, dass Bürger:innen abgerundete Produkte sehr gerne annehmen, wenn sie nutzbar und sicher sind. „Das E-Rezept ist extrem sicher, es hat einen hohen Nutzen und es wird sich durchsetzen“, ist der Gematik-Chef überzeugt.

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