Apothekenstärkungsgesetz

EU-Kommission: E-Rezept pusht Arzneiversandhandel APOTHEKE ADHOC, 17.09.2020 14:13 Uhr

Die EU-Kommission hat sich zum deutschen Apothekenmarkt geäußert.
Berlin - 

Seit bald einem Jahr warten die Apotheker auf eine Reaktion von der EU-Kommission zum Apothekenstärkungsgesetz (VOASG). Die Bundesregierung hatte deswegen das VOASG zwischenzeitlich auf Eis gelegt. In einer Stellungnahme für das „Handelsblatt“ bestätigte ein Sprecher der EU-Kommission, dass es mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) immer noch keine Verständigung über das geplante Rx-Boni-Verbot gibt. Allerdings: In der Einführung des E-Rezepts sieht die Kommission einen wichtigen Schritt für mehr Wettbewerbsfreiheit für ausländische Versandapotheken auf dem deutschen Markt.

Die EU-Kommission befinde sich in einem „konstruktiven Dialog“ mit den deutschen Behörden über den aktuellen Gesetzesentwurf, sagte ein Kommissionssprecher in Brüssel auf Anfrage des Handelsblatts. „Was das Verbot von Preisnachlässen anbelangt, so finden noch konstruktive Gespräche zwischen der Kommission und Deutschland über die Vereinbarkeit eines solchen Verbots mit dem Urteil des Gerichtshofs statt.“ Eigentlich wurde das Votum der EU-Kommission bereits für das Jahresende 2019 erwartet. Inzwischen geht man in Koalitionskreisen davon aus, dass sich die EU-Kommission erst nach Verabschiedung des VOASG dazu offiziell äußern wird, weil sie sich gewöhnlich nicht in laufende nationale Gesetzgebungen einmischt.

Seit vergangener Woche bewertet die EU-Kommission nach Darstellung des Handelsblattes aber die Iges/DIW-Studie über die Auswirkungen von Boni auf das gesetzliche Gesundheitssystem. Die EU-Kommission hoffe, dass die geplante Einführung des E-Rezeptes in Deutschland die Barrieren für Versandapotheken aus der EU beseitigt. „Die Einführung von elektronischen Rezepten hat das Potenzial, eine Verlagerung des Verbraucherverhaltens von der stationären Apotheke zum Online-Anbieter zu stimulieren, indem die für den Versand und die Bearbeitung von Rezepten notwendigen Wartezeiten entfallen“, sagte ein Sprecher dem Handelsblatt. „Dies wird allen Apotheken zugutekommen und könnte ein wichtiger Aspekt für die Verbesserung des Marktzugangs für ausländische Online-Apotheken sein.“ Grundsätzlich sehe die EU-Kommission die Entwicklung von Online-Apotheken in Europa positiv.

Gegenüber APOTHEKE ADHOC hatte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD, Sabine Dittmar, zum Auftakt der VOASG-Beratungen im Bundestag erklärt: „Der Entwurf für das Vor-Ort-Apothekenstärkungsgesetz liegt seit vielen Monaten vor und ist in Teilen schon durch andere Gesetzgebungen abgearbeitet.“ Vereinbart sei, dass das Gesetz „in Kenntnis der bis dahin erfolgten Stellungnahme der EU-Kommission weiter beraten werden soll“. Dittmar: „Gesundheitsminister Spahn wird sicherlich ein ureigenes Interesse daran haben, dass das Votum der EU-Kommission entsprechend berücksichtigt wird, damit das Gesetz europarechts- und verfassungskonform verabschiedet werden kann. Er wird sicherlich vermeiden wollen, dass das Apothekengesetz ein ähnliches Desaster wird wie die Maut von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer.“

Die Sorge vor einem Scheitern des Gesetzes kamen auch in der Anhörung im Gesundheitsausschuss zum VOASG zur Sprache. Es sei „bezeichnend, dass die Koalitionsfraktionen dabei nicht einen einzigen Juristen zur Einschätzung der europarechtlichen Konformität der Gleichpreisigkeitsregelung befragt haben“, sagt die Grünenpolitikerin Kordula Schulz-Asche. Einen Rechtswissenschaftler befragte schließlich die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Christine Aschenburg-Dugnus.

Die Argumente für das Rabattverbot seien nicht „kohärent, wie sie vom Europarecht verlangt werden und insofern nicht geeignet, einen Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit zu rechtfertigen“, sagte der Rechtswissenschaftler Dr. Sebastian Kluckert, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Wuppertal. Die Bundesregierung sei schließlich schon einmal vor dem Europäischen Gerichtshof damit gescheitert, eine Gefahr für die deutsche Arzneimittelversorgung durch Rabatte auf rezeptpflichtige Medikamente zu belegen. Auch sieht er keinen Verstoß gegen den Solidaritätsgrundsatz dadurch, was die Bundesregierung als Argument anführt. Dieser sei schon für Wahltarife bei Krankenversicherungen gelockert worden.

Auch GKV-Vorstand Stefanie Stoff-Ahnis sieht keine Bedrohung durch Versandapotheken für Pharmazeuten vor Ort. „Mit einem Anteil von einem Prozent am Gesamtmarkt geht von ihnen keine wirtschaftliche Gefährdung aus“, sagte sie. Vor dem Hintergrund der EuGH-Entscheidung forderte sie, Versandhändlern zumindest einen Spielraum in der Preisgestaltung zu lassen. Abda-Präsident Friedmann Schmidt sieht hingegen schon bei einem Bonus von einem Euro auf Rx-Arzneimittel die Apotheken in die roten Zahlen rutschen: „Deswegen wollen wir darauf bestehen, dass der Preiswettbewerb komplett ausgeschlossen wird.“