Gemeinsame Testphase mit Apotheke

E-Rezept in Schleswig-Holstein: Darum ist dieser Arzt weiter dabei

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Berlin -

Seit zehn Jahren ist Dr. Markus Dohrmann niedergelassener Allgemeinmediziner in Barsbüttel. In einem Hausarztzentrum in Schleswig-Holstein bietet er gemeinsam mit Kolleg:innen auch nach dem offiziellen Stopp des Roll-outs durch die Kassenärztliche Vereinigung (KVSH) weiter E-Rezepte an. „Ich kann den Ausstieg komplett verstehen“, sagt er. Die digitalen Verordnungen könnten die Arbeit für Praxen aber erleichtern, ist sich der 48-Jährige sicher.

Dohrmann und seine Kolleg:innen stellen seit etwa anderthalb Monaten testweise E-Rezepte aus. „Wir haben eine Apotheke direkt unter uns und konnten es dort ausprobieren“, sagt er. Wichtig war für ihn, sich die Prozesse auch vor Ort in der Offizin anzusehen. „Es ist blöd, wenn ich den Patienten etwas mitgebe und nicht weiß, was damit in der Apotheke passiert.“ Getestet wurde beispielsweise, was geschieht, wenn eine Verordnung storniert werden muss.

Nur wenige Patient:innen haben Gematik-App

Insgesamt seien bisher zwischen 200 und 300 E-Rezepte ausgestellt worden, davon etwa 50 bis 60 über die Gematik-App. Die Praxis übte vor allem an den ausgedruckten Tokens. Den Patient:innen aber würden keine Ausdrucke mehr mitgegeben. Nur diejenigen mit der Gematik-App erhalten ein E-Rezept. Der Anteil sei sehr gering, sagt Dohrmann. Das liege daran, dass dafür unter anderem eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte (eGK) und ein NFC-fähiges Smartphone nötig seien. „Ich verstehe nicht, warum die App so überbordende Sicherheitsmaßnahmen hat.“

Auf den Papierausdruck verzichtet der Hausarzt auch, weil er für die Praxis keine Vorteile bringe. Es werde mehr Papier benötigt und die Patien:tinnen seien verwirrt, warum sie statt des Papierrezepts einen ausgedruckten QR-Code in den Händen hielten. „Für uns macht das keinen Sinn. Für die Apotheken bringt es vielleicht ein bisschen Vorteile. Für uns ist es nur doppelt so viel Papier.“ Seit 15 Jahren werde in der Praxis auf eine digitale Patientenakte gesetzt und Faxe gingen digital ein. „Wir sind sehr digitalisierungsaffin. Im Rahmen der Telematikinfrastruktur-Arie erleichtert uns das E-Rezept zum ersten Mal die Arbeit.“

E-Rezept punktet bei Folgerezepten

Das E-Rezept werde die Abläufe für größere Praxen vereinfachen, sagt Dohrmann. Gerade in Bezug auf Folgerezepte werde es zu viel weniger Patientenkontakten mit der Praxis kommen. Geschätzt handele es sich bei jedem zweiten Patientenkontakt um ein Folgerezept. „Wenn morgens um 10 Uhr 40 Leute in der Schlange stehen, wollen 20 davon nur Rezepte. Die Patienten müssen dann nicht mehr nur deshalb in die Praxis, sie müssen sich nicht mehr anstellen, wir müssen nicht mehr sortieren und raussuchen.“ Auch für Heimpatient:innen biete die digitale Verordnung viele Vorteile, wobei Dohrmann bezweifelt, dass viele Senior:innen dort die Gematik-App hätten.

Den Ausstieg der KVSH kann Dohrmann nachvollziehen – die Einführung sei dadurch mindestens um ein halbes Jahr ausgebremst worden, vermutet er. „Es gibt nur drei bis vier Praxisverwaltungssoftware-Anbieter, die es vernünftig umsetzen.“ Die meisten Ärzt:innen hätten technische Probleme, verbunden mit gleichzeitig hohen Kosten. „Die Pauschalen reichen für die Softwareaktualisierungen nicht aus.“ Jahrelang sei in Sachen Digitalisierung nichts passiert. Die Einführung der neuen Lesegeräte für die Krankenkassenkarten seien der Anfang von viel Ärger gewesen. „Da ist viel Vertrauen verprellt worden.“

Werbekampagne fehlt

Andererseits betont der Hausarzt, dass man irgendwann mit der Einführung des E-Rezepts anfangen müsse – egal ob die App verbreitet sei oder nicht. „Kein Patient lädt sich die App herunter, wenn es E-Rezepte nicht gibt.“ Es sei schade, dass die neuen digitalen Verordnungen vom Bund nicht beworben würden: „Ich höre im Radio, dass man zur vierten Corona-Impfung gehen soll. Vom E-Rezept hat noch keiner etwas gehört.“

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