Acht Kandidaten in Phase-III

Update: Impfstoffe gegen Covid-19

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Berlin -

Mehr als 150 Impfstoffe gegen das Coronavirus werden weltweit getestet. „Bis vor wenigen Jahren hätte man von der Virusanalyse bis zur Zulassung des Impfstoffs 15 bis 20 Jahre angesetzt“, so der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VfA). Diese Zeit kann und will sich bei Sars-CoV-2 niemand nehmen. Insgesamt befinden sich aktuell acht Impfstoffkandidaten in Phase-III – die russische Vakzine eingeschlossen.

Russland hat am 11. August den weltweit ersten für die breite Verwendung zugelassenen Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen. In Erinnerung an sein Vordringen in den Weltraum 1957 wurde er „Sputnik V“ getauft. Der vom Moskauer Gamaleya-Forschungszentrum für Epidemiologie und Mikrobiologie entwickelte Impfstoff ist nach internationalen Standards noch nicht ausreichend erprobt, denn mit der Zulassung beginnt erst die Phase-III-Studie.

Neben dem russischen Impfstoff befinden sich aktuell sechs weitere Kandidaten in der Phase-III, eine weitere Vakzine ist in der Phase-II/III.

1) Oxford University (UK) / AstraZeneca Life Science

Der Impfstoff der Kooperation zwischen dem Pharmariesen AstraZeneca und der Oxford University in Großbritannien trägt aktuell noch den sperrigen Namen ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222). Es handelt sich um einen Vektorimpfstoff, der seit seit Ende Juni in Brasilien am Menschen erprobt wird. Die Produktion soll durch AstraZeneca und weitere Biotechunternehmen erfolgen, darunter das Serum Institute of India, Halix, PallLife Science, Cobra Biologics, Oxford Biomedica, SK Bioscience aus Südkorea und R-Pharm aus Russland. Für die Zukunft ist auch eine Herstellung im britischen Vaccines Manufacturing and Innovations Centre (VMIC) geplant.

Auch für Europa scheint dieser Impfstoffkandidat vielversprechend: Die EU hat sich 300 Millionen Dosen des möglichen Impfstoffes gesichert. Die EU-Kommission schloss nach eigenen Angaben einen ersten entsprechenden Rahmenvertrag mit AstraZeneca. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach vom „ersten Grundpfeiler“ einer europäischen Impfstoffstrategie. „Diese Strategie wird es uns ermöglichen, Europäer sowie unsere Partner anderswo in der Welt mit künftigen Vakzinen zu versorgen.“

2) Wuhan Institute of Biological Products / Wuhan Institute of Virology / Sinopharm

Der Impfstoff beinhaltet inaktivierte Viren und befindet sich in Phase-III in China, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain. Sinopharm bot den Impfstoff für besonders gefährdete Personen bereits Ende Juli an. Laut chinesischen Medienberichten sollen auch Mitarbeiter staatseigener Unternehmen die Möglichkeit zur Impfung vor einer Auslandsreise erhalten haben.

3) Beijing Institute of Biological Products / Sinopharm

Sinopharm hat gleich zwei Impfstoffe in der Pipeline. Auch für den gemeinsam mit dem Beijing Institute of Biological Products entwickelten Totimpfstoff wurde die klinische Phase-III genehmigt. Die Produktion findet in der eigenen Anlage statt. Zu eventuellen finanziellen Unterstützungen liegen keine Angaben vor.

4) Sinovac Biotech

Der Impfstoffkandidat des chinesischen Biotech-Unternehmens Sinovac trägt den Namen CoronaVac. Die Vakzine besteht aus einem inaktivierten Virus. Sinovac startete bereits am 21. Juli mit einer klinischen Phase-III-Studie seines Impfstoffkandidaten in Brasilien, die in Partnerschaft mit dem Instituto Butantan durchgeführt wird. Seit August läuft eine weitere Phase-III-Studie in Bangladesh. Die Arbeiten zur Entwicklung eines Impfstoffes begannen im Januar in Zusammenarbeit mit weiteren akademischen Forschungsinstituten in China. Im April erhielt Sinovac die Genehmigung zur Durchführung der Phase-I/II-Studien.

Zuletzt gab das Unternehmen an, dass der Impfstoff gegen verschiedene Stämme des Coronavirus wirken würde. Sinovac gibt in einem Interview mit dem chinesischen Fernsehsender CGTN an, dass alle Arten von Sars-CoV-2 – unabhängig davon, von wo sie stammen – neutralisiert werden konnten. Der Impfstoffkandidat CoronaVac sei fähig gewesen, alle Mutationen zu neutralisieren. Der Serotyp des Virus hätte sich demnach nicht geändert.

5) Moderna (USA)

Das US-Biotech-Unternehmen Moderna setzt auf einen neuartigen mRNA-basierten Impfstoff. Er trägt den vorläufigen Namen mRNA-1273 und wird seit dem 27. Juli in einer Phase-III-Studie in den USA erprobt. Die Produktion soll durch Lonza an den Standorten in Portsmouth, New Hampshire und in Visp (Schweiz) erfolgen, die Abfüllung bei  Catalent  in Amerika. Moderna hat den Vorteil, von einem breiten öffentlich-privaten Bündnis gefördert zu werden. Die Impfung ist zweigeteilt: Nach der ersten Impfdosis sollen die Probanden eine zweite, sogenannte „Boost“-Impfung mit dem auf RNA-Viruserbgut basierenden Vakzin nach 28 Tagen bekommen.

6) CanSino Biologics (China) / Beijing Institute of Biotechnology, Academy of Military Medical Sciences, PLA of China

Mitte August startete auch der chinesische Corona-Impfstoff „Ad5-nCoV“ in Pakistan in die Phase-III der klinischen Prüfung. Das Interesse in der Bevölkerung sei groß – bereits über 10.000 Freiwillige hätten sich für die Tests gemeldet und registriert, erzählt der leitende Koordinator der Studie, Hasan Abbas Zaheer. Überwacht wird die Studie von Pakistans Institut für Gesundheit (NIH). Aktuell werden die ersten Probanden in Pakistan mit „Ad5-nCoV“ geimpft. Nach wenigen Monaten sollen die Ergebnisse mit China geteilt werden. Auch Saudi Arabien bekundete Interesse am chinesischen Impfstoff und kündigte an, ebenfalls klinische Test der Phase-III mit dem chinesischen Impfstoff durchführen zu wollen.

7) BioNTech / Pfizer // BioNTech / Fosun Pharma

Ende Juli hatte die Mainzer Biopharma-Firma BioNTech gemeinsam mit Pfizer grünes Licht für den Start der finalen Studie ihres Corona-Impfstoffkandidaten bekommen. Firmenchef Ugur Sahin teilte damals mit, dass mehr als 30.000 Probanden an der an der globalen Studie teilnehmen werden. In den USA hatten die Unternehmen bereits die Genehmigung für eine beschleunigte Zulassung für ihren Impfstoffkandidaten BNT162 erhalten. Bei der Vakzine handelt es sich um einen mRNA-Impfstoff.

Mit positiven Ergebnissen rechnen die Unternehmen schnell – begonnen. Später soll die Studie auf Argentinien und Deutschland ausgedehnt werden. Beide Unternehmen streben an, bereits im Oktober die Marktreife zu erreichen. Fosun Pharma hatte im März vom deutschen Unternehmen die Lizenz zur exklusiven Entwicklung und Vermarktung der von Biontech entwickelten mRNA-Impfstoffe für den chinesischen Markt erhalten.

8) Spezialfall Russland: Sputnik V (Gam-Covid-Vac Lyo)

Russland hat als erstes Land einen Impfstoff gegen Covid-19 zugelassen. Das gab Staatspräsident Wladimir Putin am 11. August im russischen Staatsfernsehen bekannt. Dass der Impfstoff in Europa und Nordamerika also schon zum Einsatz kommt, kann als ausgeschlossen gelten: Die Arzneimittelbehörden EMA und FDA haben bereits klargestellt, dass eine abgeschlossene Phase-III-Studie trotz beschleunigter Zulassungsverfahren Mindestvoraussetzung für eine Freigabe ist.

Doch auch die geplante Anwendung in Russland steht stark in der Kritik. Der internationale Verband der Auftragsforschungsinstitute (Acro) wandte sich eigens mit einem Brief an den russischen Gesundheitsminister Michail Muraschko und warnte deutlich vor dem flächendeckenden Einsatz des Impfstoffs. Gerade einmal 100 Menschen hätten ihn bisher offiziell erhalten, massenhafte Impfungen könnten demnach ungeahnte Gefahren bergen. „Warum halten sich alle Unternehmen an die Regeln, nur die russischen nicht?“, zitiert die Nachrichtenagentur Bloomberg Acro-Geschäftsführerin Svetlana Zavidova. „Die Regularien für klinische Studien sind in Stein gemeißelt und dürfen nicht verletzt werden. Das ist eine Büchse der Pandora und wir wissen nicht, was mit Menschen geschieht, die einen nicht ausreichend getesteten Impfstoff injiziert bekommen.“ Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat bereits letzte Woche vor einer vorschnellen Zulassung des Impfstoffs gewarnt.

 

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