Mysteriöser Impfstoffname

„Sypkevax“: Falsche Chargenetiketten für die richtige Impfung APOTHEKE ADHOC, 21.06.2021 11:33 Uhr

Phantom-Impfstoff: Eine Apothekerin in Rüsselsheim erhielt vergangene Woche einen Impfpass mit einer "Sypke Vax"-Impfung. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Mindestens in Hessen und womöglich auch darüber hinaus sind Impfpässe mit falschen Chargenaufklebern im Umlauf: „Sypkevax“ ist dort als Impfstoff vermerkt. In digitale Impfzertifikate können die trotzdem übertragen werden – man muss nur wissen, welcher Impfstoff damit gemeint ist. Dank der vorbildlichen Arbeit einer Rüsselsheimer Apothekerin müssen sich Kollegen keine Sorgen machen, wenn sie einen solchen Impfpass auf dem Tisch liegen haben.

Man hätte es für eine Fälschung halten können, doch Hülya Akboğa-Marankoz hat sich ins Zeug gelegt, um herauszufinden, was ihr da letzte Woche vorgelegt wurde: Ein Kunde kam mit seinem Impfpass zur Übertragung in ihre Europa Apotheke. Die Zweitimpfung war klar: Moderna. Bei der Erstimpfung war Rätselraten angesagt. Die Impfung war im Februar in einem Impfzentrum erfolgt. Der Chargenaufkleber unterschied sich allerdings stark von denen, die landläufig bekannt sind: Er war so groß, dass er drei Zeilen des Impfpasses einnahm, enthielt einen QR-Code, den Herstellungszeitpunkt – sowie einen kryptischen Namen, den die Apothekerin noch nie gesehen hatte: „Sypkevax“.

Was also tun? Akboğa-Marankoz vertröstete den Kunden und begab sich auf Spurensuche. „Ich habe zuerst das Paul-Ehrlich-Institut angerufen, aber die sagten mir, dass sie für Corona-Impfstoffe gar nicht zuständig sind.“ Es folgte eine telefonische und schriftliche Odyssee: Impfzentrum, Gesundheitsamt, Robert-Koch-Institut (RKI). Das Impfzentrum konnte telefonisch nicht weiterhelfen, vorgeblich, weil es keinen Verantwortlich ausfindig machen konnte. Beim RKI wurde gemutmaßt, es würde sich um einen Impfstoff namens „Spykevax“ handeln, dessen Zulassung in Deutschland jedoch fraglich ist. Doch wie soll er dann in ein Impfzentrum gelangt sein? Der Patient war nach eigenen Angaben von einem mobilen Impfteam gespritzt worden.

Eine erste Angabe kam dann vom Leiter des Impfzentrums. Er wies die Behauptung des RKI zurück: „Es handelt sich um den Impfstoff Vaxzevria von AstraZeneca, der zum damaligen Zeitpunkt diesen Namen noch nicht hatte“, schrieb er ihr. Das Impfzentrum habe Vaxzevria im Februar unter diesem Namen verimpft, denn: „Eine andere Möglichkeit sah die Dokumentation beziehungsweise EDV-Lösung des Landes nicht vor. Diese Auswahlmöglichkeit war also vom Land Hessen so vorgegeben.“ Das klang erst einmal nach einer nützlichen Information – einzig: Es stellte sich heraus, dass sie falsch ist.

Es waren weitere Mails und Telefonate mit dem RKI, die letztlich die Lösung brachten: „Die Dame beim RKI war sehr kompetent, sie hat mittels der Chargennummer recherchiert, worum es sich dabei handelte.“ Es handelt sich um den Impfstoff von Moderna. „Mir wurde erklärt, dass das wohl im Medical Office falsch eingespielt wurde“, sagt Akboğa-Marankoz. Welche Impfzentren genau davon betroffen sind, habe sie nicht in Erfahrung bringen können, anscheinend handele es sich aber hauptsächlich um Chargen, die von mobilen Impfteams in Hessen genutzt wurden. Am Montagmorgen hat ihr auch das Gesundheitsamt die Angaben bestätigt.

Der Kunde konnte sein Zertifikat damit erhalten: Die Inhaberin hatte sich seine Nummer notiert und ihm Bescheid gegeben, dass mit seiner Impfung alles in Ordnung ist. Er kann sich sein Zertifikat nun ausstellen lassen. Ihr sei wichtig, dass die Info nun Verbreitung findet, damit andere Apotheken sich die Arbeit sparen können, sagt Akboğa-Marankoz. „Das war ein Aufwand von zwei bis drei Tagen.“ Letztlich könne sie aber Entwarnung geben: Wer einen solchen Chargenaufkleber vorgelegt bekommt, könne ihn guten Gewissens als Moderna-Impfung übertragen.