Verschuldung wegen Corona-Krise

Schätzung: 85.000 Privatinsolvenzen drohen dpa, 03.09.2020 08:51 Uhr

Experten rechnen aufgrund der Corona-Krise mit einer Welle von Privatinsolvenzen im kommennden Jahr. Foto: APOTHEKE ADHOC
Berlin - 

Die privaten Insolvenzen werden nach den Erwartungen des Informationsdienstleisters Crifbürgel in den nächsten Monaten deutlich zunehmen. Und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) widerspricht der positiven Konjunktureinschätzung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Durch die Corona-Krise steige die private Verschuldung, teilte Crifbürgel am Donnerstag in Hamburg mit. Bereits jetzt gelten rund 6,8 Millionen Verbraucher in Deutschland als überschuldet. Für viele dieser Personen sorge ein Schock auf der Einkommensseite für ein erhöhtes Risiko einer Privatinsolvenz. Soloselbstständige und Honorarkräfte aus unterschiedlichsten Branchen hätten von einem Tag auf den anderen ihr komplettes Einkommen verloren und seien unerwartet in eine finanzielle Schieflage geraten.

So geht Crifbürgel im laufenden Jahr von 85.000 und im nächsten Jahr von 100.000 privaten Insolvenzen aus. Im vergangenen Jahr waren es knapp 87.000. Seit ihrem Höchststand nach der Finanzkrise mit mehr als 139.000 Insolvenzen im Jahr 2010 sind die privaten Pleiten Jahr für Jahr zurückgegangen. Auch das erste Halbjahr 2020 sah mit knapp 37.000 Privatinsolvenzen und einem Rückgang um 8,4 Prozent gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres noch gut aus. Doch bis Mitte März waren die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die meisten Verbraucher noch intakt. „Die Insolvenzstatistiken bilden vor allem die Vergangenheit ab und sind ein Blick in den Rückspiegel“, sagte Crifbürgel-Geschäftsführer Frank Schlein.

Regional sind die nördlichen Bundesländer stärker von privaten Insolvenzen betroffen als die südlichen. Ganz vorn liegt Bremen mit 90 Fällen auf 100.000 Einwohner, vor Niedersachsen mit 68. Der bundesweite Durchschnitt liegt bei 49 Privatinsolvenzen auf 100.000 Einwohner. Die wenigsten Fälle gibt es in Bayern (30), vor Baden-Württemberg (35) und Thüringen (36).

Trotz des bundesweiten Rückgangs im ersten Halbjahr gab es auch vier Bundesländer mit steigenden Fallzahlen. An der Spitze liegt hier abermals Bremen mit einem Plus von 8,3 Prozent, vor Sachsen (plus 2,5 Prozent), Baden-Württemberg (plus 2,3 Prozent) und Hessen (plus 1,6 Prozent).

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat der positiven Konjunktureinschätzung von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) widersprochen. „Wenn wir statt sechs Prozent nur noch fünf Prozent Minuswachstum haben, heißt das noch nicht, dass wir die Talsohle durchschritten haben“, sagte Söder der Passauer Neuen Presse. Die Wirtschaft habe noch immer „erhebliche Probleme“. Die Automobilindustrie und ihre Zulieferer als „Herz der deutschen Industrie“ treffe dies besonders stark. Söder erklärte: „Ich bin in großer Sorge, dass wir hier noch lange nicht über den Berg sind.“

Altmaier hatte am Dienstag erklärt, dass er die Talsohle als durchschritten ansieht und der Aufholprozess eingesetzt habe. Der Weg zu alter Stärke sei aber lang. Das Wirtschaftsministerium hob in einer Zwischen-Prognose seine Konjunkturerwartungen für dieses Jahr leicht an. Ende April war noch mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Deutschland von 6,3 Prozent gerechnet worden – nun ist Altmaier etwas optimistischer und erwartet ein Minus von 5,8 Prozent.