8000 Jumbos-Jets im Einsatz

Luftbrücke für Corona-Impfstoff

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Berlin -

Die Zulassung eines Corona-Impfstoffes steht unmittelbar bevor. Teilweise ist die Produktion bereits angelaufen. Aber: Die Entwicklung eines Impfstoffs ist nur das halbe Problem. „Die größere Herausforderung wird die Verteilung von 16 Milliarden Impfstoffdosen in einem unvorstellbaren Umfang sein“, sagt Linus Benjamin Bauer, Managing Consultant bei Bauer Aviation Advisory, einer Unternehmensberatung mit Schwerpunkt Luftfahrtindustrie. Die Luftfahrt werde bei dieser globalen Herausforderung eine wichtige Rolle spielen. „Laut IATA wird dies voraussichtlich die größte Luftbrücke für eine einzelne Ware sein, die es je gab“, so Bauer. 8000 Jumbo-Jets sind nötig, um den Impfstoff weltweit zu verteilen. Die Arbeiten an der Luftbrücke haben bereits begonnen.

Laut Bauer wird erwartet, dass mehr als die Hälfte der weltweiten Impfstoffdosen per Luftfracht transportiert wird – allein schon wegen der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit. Die Corona-Pandemie hat zu Störungen in den globalen pharmazeutischen Versorgungsketten geführt, da die Luftfrachtkapazitäten aufgrund von Sperrungen und Aussetzungen von Passagierflügen nicht ausreichten. Bauer: „Glücklicherweise setzen sich einige Organisationen dafür ein, dass vor der Impfstoffzertifizierung und dem anschließenden Versand die bestmöglichen logistischen Vorkehrungen getroffen werden. Die Herausforderung ist enorm.“ Es werde erwartet, dass die Produktion des Impfstoffs im zweiten Quartal 2021 ihren Höhepunkt erreiche. Die Flughäfen müssen beginnen zu beurteilen, wie sie an dieser nie dagewesenen Vertriebsaktion beteiligt werden könnten. Die Kosten der größten Luftbrücke lassen sich laut Bauer derzeit nicht abschätzen.

„Jeden der 7,8 Milliarden Menschen auf der Welt theoretisch mit einer Dosis eines Impfstoffes zu versorgen, benötige ein Ladevolumen von 8000 Boeing 747. Um die gesamte deutsche Bevölkerung mit dem Impfstoff zu versorgen, bräuchte man hochgerechnet circa 86 mit Impfstoffen vollgeladene Boeing 747“, so Bauer. Die Vorbereitungen liefen bereits auf Hochtouren – in Zusammenarbeit zwischen den Fluggesellschaften, Frachtfluggesellschaften, Regierungen, Luftfahrtbehörden, dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen, der International Air Transport Association (IATA, Dachverband der Fluggesellschaften), und der Internationale Zivilluftfahrtorganisation (ICAO). Bauer: „Die Kapazitätsplanungen für die Frachtflüge in der nahen Zukunft haben bereits stattgefunden, weil die Regierungen von den Ländern bereits Großaufträge für den Transport beziehungsweise die Verteilung der Impfstoffe erteilt haben.“

Aus Bauers Sicht müsste für einen reibungslosen Ablauf noch Folgendes geklärt sein: Der Frachtflugbetrieb soll von allen pauschalen Einschränkungen wie Überflugrechte und Landerechte befreit sein, „weil es sich um eine sehr wichtige Aufgabe handelt, die Menschenleben auf der ganzen Welt retten kann“. Denn um die weltweite Versorgung mit Corona-Impfstoffen sicherzustellen, könnten rund 200.000 Paletten-Transporte, 15 Millionen Lieferungen in Kühlboxen sowie 15.000 Flüge unter besonderen Temperaturanforderungen erforderlich sein.

Aufgrund der geografischen Lage als einer von den diversen Vorteilen könnten die Fluggesellschaften aus den arabischen Golfstaaten eine Schlüsselrolle bei der Verteilung des Impfstoffs auf dem Luftweg spielen, beispielsweise Emirates SkyCargo mit dem neuen SkyCargo Pharma-Hub in Dubai. „Die großen Akteure wie Atlas Air Cargo, DHL, UPS und FedEx werden auch ganz oben mitmischen, jedoch steuert jeder Akteur wie FedEx bestimmte Kernmärkte an. In Asien ist DHL stärker unterwegs als FedEx“, so Bauer weiter.

Die Standardisierung und Optimierung der ganzen Prozesse im Vorfeld sei der Schlüssel zu einem erfolgreichen Ablauf ohne seriöse Zwischenfälle und Störungen. Zusammen mit den Frachtfluggesellschaften müssten alle Prozesse, Abläufe und Protokolle im Vorfeld abgestimmt werden, weil der weltweite Transport des Corona-Impfstoffes eine Mammutsaufgabe für die gesamte Luftfahrtbranche werde. Für den Transport über das Vorfeld am Flughafen zum Beispiel müssten hochmoderne Thermotransporter eingesetzt werden und dafür müssten einige Bodenabfertigungsfirmen die entsprechenden internationalen Zertifikate erfüllen. Mit den Sicherheitsfirmen müssten auch die Sicherheitsprotokolle und -prozesse eng abgestimmt sein, „weil die Sicherheit bei der Mammutsaufgabe eine sehr große Rolle spielen wird – vor allem in Entwicklungsländer in Afrika oder Südamerika“.

Auf europäischem Boden gebe es eine sehr gute Infrastruktur für Pharma-Transporte, der Flughafen Frankfurt am Main sei auch für die Verteilung eines Corona-Impfstoffes gut vorbereitet. Aktuell gebe es 31 Pharma-Stationen an Flughäfen weltweit, die bis Ende 2021 alle CEIV-Pharma-zertifiziert sein sollten für den Transport von temperatursensiblen Gütern wie den Covid-19-Impfstoff. Dann hat Bauer noch einen Vorschlag parat, der zu Diskussionen führen dürfte: „Wichtig wäre nur Folgendes: Allein für diese wichtigen Luftbrücken ab Frankfurt sollte man das dortige Nachtflugverbot für eine bestimmte Zeit lang aussetzen.“

 

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