Grippewelle 2020

Influenza: Volle Wartezimmer, niedrige Fallzahlen Alexandra Negt, 11.11.2020 12:04 Uhr

Aktuell spricht das RKI noch nicht von einer Grippewelle. In diesem Jahr könnte es aufgrund der Pandemie zu Komplikationen bei steigenden Influenza-Infektionen kommen. Foto: Lightspring/shutterstock.com
Berlin - 

In den kommenden Wochen tritt die Grippe immer mehr auf den Plan – eigentlich. Denn die Corona-Schutzmaßnahmen halten auch andere Viren in Schach. Noch scheinen die meisten Regionen Deutschlands nahezu frei von Influenza zu sein: Bislang gibt das Robert-Koch-Institut (RKI) niedrige Fallzahlen an. Allerdings gehen deutlich mehr Menschen mit Erkältungsymptomen zum Arzt.

Als klassische Grippesaison gilt der Zeitraum zwischen der 40. Kalenderwoche (Anfang Oktober) und der 20. Kalenderwoche (Mitte Mai). Während dieser Zeit liefert das RKI wöchentliche Berichte zur epidemiologischen Lage. Von einer Grippewelle spricht das RKI dann, wenn in jeder fünften Patientenprobe tatsächlich Influenzaviren nachgewiesen werden – die so genannte Positivenrate also bei etwa 20 Prozent liegt. Der erste Monat der Grippesaison verlief relativ ruhig – die Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen (ARE-Raten) ist relativ niedrig. Dies ist meist der typische Verlauf für den Oktober.

Vergleich 2019/2020

Bisher spricht das RKI von relativ stabilen ARE-Raten in der Bevölkerung – diese unterscheiden sich jeweils kaum zur Vorwoche. Von 41 eingesandten Sentinelproben wurden in KW 45 in 21 Proben (51 Prozent) respiratorische Viren identifiziert. 19 Proben (46 Prozent) enthielten Rhinoviren, zwei Proben (5 Prozent) enthielten Sars-CoV-2. Influenzaviren wurden nicht nachgewiesen. In der Vorwoche wurden bislang 14 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle an das RKI übermittelt. Die Arztbesuche aufgrund von Atemwegserkrankungen sind allerdings im Vergleich zur Vorwoche gestiegen.

Vor einem Jahr wurden in der 45. KW noch 89 Sentinelproben untersucht. In 53 Proben (60 Prozent) konnten respiratorische Viren identifiziert werden. Zwei dieser Proben enthielten Influenza A(H3N2)-Viren. Am häufigsten wurden auch vor einem Jahr Rhinoviren nachgewiesen: 94 labordiagnostisch bestätigte Influenzafälle wurden in KW 45 des Jahres 2019 nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) an das RKI übermittelt.

Infektsprechstunden stark besucht

Die Gesamtrate von Personen mit akuten Atemwegserkrankungen liegt seit neun Wochen unter den Vorjahreswerten. Dennoch sind die Arztkonsultationen aufgrund von Husten, Halsschmerzen & Co. stark angestiegen. Die Werte der ARE-Konsultationsinzidenz befinden sich nicht nur über den Werten der Vorjahre, sondern liegen – je nach Altersklasse – im Bereich der Werte zum Höhepunkt der letzten Grippewellen. Pro 100.000 Personen suchten rund 1700 einen Arzt aufgrund eines Infektes auf. Hochgerechnet auf die Bevölkerung entspricht das ungefähr 1,4 Millionen Arztbesuchen.

Im vergangenen Jahr lagen die Arztkonsultationen bei den 5- bis 59-Jährigen bei rund 1000 Arztbesuchen pro 100.000 Personen. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung entspricht das ungefähr 820.000 Arztbesuchen. Auch die Zahl der Patienten, die aufgrund einer schweren akuten respiratorischen Infektion (SARI) stationär behandelt werden mussten, lag 2019 auf einem niedrigen Niveau. Durch die ICD-10-Code basierte Krankenhaussurveillance konnte festgestellt werden, dass die Gesamtzahl der stationär behandelten Fälle im Vergleich zur Vorwoche stabil geblieben ist.

Für 2020 zeigt sich hier aufgrund der Pandemie ein anderes Bild: Die Gesamtzahl stationär behandelter Fälle mit akuten respiratorischen Infektionen ist im Vergleich zur Vorwoche stark angestiegen, dies gilt insbesondere für Patienten über 60 Jahre. In 71 Sentinel-Krankenhäusern waren rund ein Drittel der SARI-Fälle mit Covid-19 hospitalisiert. Der Anteil an Covid-Erkrankungen bei SARI-Fällen steigt seit vier Wochen wieder stark an. Aktuell liegt der Anteil auf dem Niveau von Ende März/Anfang April.

Aktuell werden Patienten mit Erkältungssymptomen in den meisten Praxen gebeten, ausschließlich die Infektsprechstunden aufzusuchen. Diese sind meist zeitlich getrennt von der regulären Sprechstunde, zahlreiche Praxen haben nur an bestimmten Tagen Infektsprechstunden. Diese gesonderten Zeitfenster sollen verhindern, dass eventuell Sars-CoV-2-positive Patienten andere Personen im Wartezimmer anstecken. Vor dem Erscheinen in der Praxis sollten Betroffene telefonischen Kontakt aufnehmen, um das korrekte Vorgehen abzusprechen.