Bund-Länder-Beratungen

Entwurf für Lockdown und Teststrategie dpa, 22.03.2021 07:49 Uhr

Bund und Länder verhandeln heute über neue Corona-Maßnahmen. Foto: Elke Hinkelbein
Berlin - 

Angesichts hoher Corona-Infektionszahlen müssen sich die Menschen in Deutschland auf eine grundsätzliche Verlängerung des Lockdowns bis weit nach Ostern einstellen. Ein Beschlussentwurf aus dem Kanzleramt für die Bund-Länder-Runde an diesem Montag nennt als Datum dafür den 18. April. Zudem müsse die Anfang März beschlossene Notbremsregelung „konsequent umgesetzt werden“, heißt es darin. Betont wird, zusätzliche Öffnungen würden bei exponentiellem Wachstum der Infektionszahlen auch unterhalb einer Inzidenzschwelle von 100 ausscheiden. Angedacht ist auch eine Vergütung für die Durchführung von Selbsttests unter Aufsicht mit offizieller Dokumentation des Ergebnisses.

Eine Passage des Entwurfs, über die noch heftig gestritten werden dürfte, sieht weitere Verschärfungen für Landkreise mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner binnen einer Woche vor. In diese Kategorie fällt eine stetig steigende Zahl an Wohnorten. Bei den Verhandlungen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Regierungschefs der Länder sind wie immer weitreichende Änderungen an dem Papier möglich. Einen Beschluss gibt es erst ganz am Ende. Am 12. April sollen Bund und Länder laut Entwurf erneut zusammenkommen.

Seit der Bund-Länder-Runde am 3. März hat sich die Lage drastisch gewandelt. Anfang März ging es vor allem um einen Stufenplan für mögliche Lockerungen – jedoch nicht als Einbahnstraße. Festgelegt wurde damals ein Mechanismus für die Rückkehr zu Beschränkungen: Diese „Notbremse“ soll gezogen werden, wenn die Sieben-Tage-Inzidenz in einer Region oder in einem Bundesland an drei aufeinander folgenden Tagen über die Schwelle von 100 steigt. Bundesweit lag diese Inzidenz laut Robert Koch-Institut (RKI) am Sonntag bei 103,9. Am Samstag waren es noch 99,9 gewesen und am Freitag 95,6.

Intensivmediziner pochen angesichts der Zahlen auf einen strengeren Lockdown mit Verschärfungen des Kontaktverbots. „Ich erwarte von den Ministerpräsidenten und der Kanzlerin, dass sie sich an diesem Montag auf bundesweit einheitliche und ganz einfache Verschärfungen einigen“, sagte Christian Karagiannidis, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (Divi), der „Rheinischen Post“.

Die Chefin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga), Ingrid Hartges, forderte in der Zeitung Öffnungen für die Branche. „Hotels und Gaststätten in Deutschland brauchen endlich eine Perspektive, wann wir unter welchen Voraussetzungen öffnen können“, sagte sie.

Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte in der „Rheinischen Post“: „Wenn es den Bundesländern ernst damit gewesen wäre, Schulen trotz stark steigender Inzidenzzahlen offenzuhalten, hätte man dafür sorgen müssen, dass jetzt Lehrkräfte geimpft und Schulen mit Schnelltests in ausreichender Zahl ausgestattet sind. Davon sind wir aber an 9 von 10 Schulen noch meilenweit entfernt.“

Unterdessen wächst die Unzufriedenheit mit dem Krisenmanagement der Bundesregierung. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur zeigten sich 34 Prozent der Teilnehmer „sehr unzufrieden“ und weitere 31 Prozent „eher unzufrieden“ mit dem Handeln der Regierung. Dagegen sind nur 4 Prozent „sehr zufrieden“ und 26 Prozent „eher zufrieden“. 5 Prozent machten keine Angaben.

ZUSÄTZLICHE MASSNAHMEN:
Die Passage, die wegen des exponentiellen Wachstums weitere Verschärfungen für Landkreise mit einer Inzidenz von mehr als 100 vorsieht, steht in eckigen Klammern. Das bedeutet, dass sie besonders strittig ist. Unter anderem ist die Rede von einer nächtlichen Ausgangsbeschränkung bis 05.00 Uhr, „sofern dem nicht gewichtige Gründe entgegenstehen“. Die Anfangsuhrzeit ist hier offen gelassen – auch sie müsste verhandelt werden. Zudem wird ins Gespräch gebracht, Schulen und Kitas zu schließen oder gar nicht zu öffnen, sofern Erzieher, Lehrer und Schüler oder betreute Kinder nicht zweimal pro Woche getestet werden könnten. Ab einer Inzidenz von 200 könnte es demnach eine Schließung von Schulen und Kitas geben.

REISEN:
Angesichts der bevorstehenden Ostertage heißt es im Entwurf: „Bund und Länder appellieren weiterhin eindringlich an alle Bürgerinnen und Bürger, auf nicht zwingend notwendige Reisen im Inland und auch ins Ausland zu verzichten“. Und weiter: „Das Auftreten von verschiedenen Covid-19-Varianten und deren weltweite Verbreitung haben gezeigt, dass der grenzüberschreitende Reiseverkehr auch weiterhin auf das absolut erforderliche Mindestmaß begrenzt werden muss.“ Dieser Passus könnte sich auf die derzeit besonders umstrittenen Reisen von Deutschen nach Mallorca beziehen.

Noch völlig offen ist demnach, ob es künftig für alle Reisenden aus dem Ausland unabhängig von dortigen Inzidenzen eine Quarantäne- und eine Testpflicht geben soll. Dieser Punkt steht ebenfalls in eckigen Klammern und zudem unter einem „Prüfvorbehalt“.

Auch das von den SPD-Ländern ins Gespräch gebrachte Konzept eines „kontaktarmen Urlaubs“ im eigenen Bundesland steht noch in eckigen Klammern und bedarf weiterer Gespräche. Es zielt auf die Möglichkeit, Urlaub in Ferienwohnungen oder -häusern, Appartements oder Wohnmobilen zu machen, sofern diese über eigene sanitäre Anlagen verfügen und Urlauber sich dort auch mit Essen versorgen können. Aus der Union hieß es hierzu bereits skeptisch, dass das dafür notwendige Beherbergungsverbot schon einmal juristisch für Ärger gesorgt habe.

BEFRISTETE MODELLPROJEKTE:
Im Rahmen von zeitlich befristeten Modellprojekten sollen die Länder nach dem Entwurf in je einer Region mit einer niedrigen Inzidenz testen können, wie unter strengen Auflagen und mit einem Testkonzept einzelne Bereiche des öffentlichen Lebens wieder geöffnet werden könnten. „Zentrale Bedingungen dabei sind lückenlose negative Testergebnisse als Zugangskriterium, IT-gestützte Prozesse zur Kontaktverfolgung und gegebenenfalls auch zum Testnachweis, räumliche Abgrenzbarkeit auf der kommunalen Ebene, eine enge Rückkopplung an den Öffentlichen Gesundheitsdienst und klare Abbruchkriterien im Misserfolgsfalle“, heißt es weiter.

IMPFUNGEN UND GESUNDHEITSWESEN:
Ohne „deutlich einschränkende Maßnahmen“ werde die Zahl der Neuinfektionen so schnell steigen, dass bereits im April eine Überlastung des Gesundheitswesens „wahrscheinlich ist“, betonte der Entwurf. Da der Fortschritt bei den Impfungen noch nicht so groß ist, setzt das Papier auf „eine strenge Eindämmung des Infektionsgeschehens in den nächsten Wochen“. Dies führe zu einer „früheren Rückkehr zur Normalität und zu insgesamt kürzeren Beschränkungen. Sie ist damit aus gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen geboten.“

TESTANGEBOTE:
Gerade in der aktuellen Phase der Pandemie sei es wichtig, dass Unternehmen das Arbeiten von zu Hause ermöglichten, heißt es im Entwurf weiter. Wo dies nicht möglich sei, sollten den Mitarbeitern mindestens einmal und bei entsprechender Verfügbarkeit zwei Mal pro Woche Testangebote gemacht werden. Tests von Beschäftigten im Bildungsbereich und von Schülerinnen und Schülern sollten weiter ausgebaut werden. Ziel seien „mindestens zwei Testungen pro Woche“. Auch in den Kitas sollten die Beschäftigten mindestens zwei Mal in der Woche getestet werden.

CORONA-WARN-APP:
Die App soll im April um weitere Funktionen erweitert werden, unter anderem um eine anonyme „Eventregistrierung“. Damit sollen sich Nutzer bei einer Veranstaltung wie einer privaten Geburtstagsfeier oder im Restaurant digital einchecken können. Bei einem positiven Corona-Fall sollen im Anschluss an die Veranstaltung alle Teilnehmer gewarnt werden.