Tipps vom Kommunikationscoach

Die beste Reaktion auf Maskenverweigerer und Verschwörungsanhänger

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Berlin -

Viele Apothekenmitarbeiter kennen es: Die Covid-19-Pandemie hat die Arbeit ohnehin erschwert, von der gesamtgesellschaftlichen Krise ganz abgesehen. Und dann müssen sie sich auch noch mit Kunden herumschlagen, die sich entweder weigern, eine Maske zu tragen, oder gar krude Verschwörungsmythen verbreiten. Doch wie geht man am besten mit solchen Kunden um? Kommunikationscoach Frank Rebmann erklärt, wie man vernünftig mit „Corona-Skeptikern“ redet und dabei weder die Situation eskaliert noch sich selbst als Heilberufler verleugnet.

Die Zeiten des recht milden Pandemieverlaufs im Sommer sind vorbei. Uns stehen „harte Monate“ bevor, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel erst kürzlich wieder betonte. Die Nerven werden wieder dünner – wenn dann Kunden in die Offizin kommen, die sich weigern wollen, eine Maske aufzusetzen, oder wenn sich im Beratungsgespräch herausstellt, dass der Gegenüber die Pandemie für eine globale Verschwörung hält und es das Virus gar nicht gibt, dann stellt sich zwangsläufig die Frage, wie damit vernünftig umzugehen ist. Sich auf eine Diskussion einzulassen, ist oft wenig zielführend. Aber will man das Gesagte einfach so stehen lassen, wenn andere Kunden mithören? Welchen Eindruck macht es aber umgekehrt, Kraft des Hausrechts die eigene Autorität auszuspielen und jemanden einfach rauszuschmeißen? Das ziert sich als Heilberufler auch nicht unbedingt.

Zum Glück kann man schon mit kleinen Gesten und Worten viel erreichen, weiß Rebmann zu berichten. Der Geschäftsführer des Instituts Stärkentraining coacht seit mehr als zehn Jahren Apotheker in der Kundenkommunikation, zu seinen Kunden wiederum gehört die Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Auch er hat gemerkt, dass das Thema Corona-Skeptiker an Bedeutung gewonnen hat – zahlreiche Apotheker haben ihn in den vergangenen Wochen ihr Leid mit Maskenverweigerern und Verschwörungsanhängern geklagt. Denn der Umgang mit denen kann sehr fordernd sein. „Apotheker und PTA sind sehr analytisch geprägte Kopfmenschen. Bei solchen Kunden braucht man aber vor allem psychologisches Fingerspitzengefühl, was vielen nicht so leichtfällt“, sagt Rebmann. Deshalb hat er einige Ratschläge zusammengetragen.

Maskenverweigerer

Die gute Nachricht vorweg: Die meisten Menschen, die ohne Maske in die Offizin kommen, vergessen schlicht, sie aufzusetzen. Das weiß man aber im ersten Moment nicht. Rebmann empfiehlt deshalb, zuallererst nonverbal zu kommunizieren. Er spricht in dem Zusammenhang von drei Eskalationsstufen im Umgang mit Menschen ohne Maske. Die erste Stufe ist noch harmlos: „Kommt jemand ohne Maske herein, weisen sie ihn freundlich, aber bestimmt darauf hin.“ Am besten sei, man verliere dabei gar keine Worte, sondern suche einfach den Blickkontakt und zeige auf die eigene Maske. „Dann kann der Kunde die Maske aufsetzen, ohne dass es sonst jemand merkt. Das erspart ihm einen unangenehmen Moment.“ Erst wenn der Kunde auf die Geste nicht reagiert, solle man ihn freundlich, aber bestimmt darauf ansprechen – dabei aber direkt sein, statt ihn indirekt zu beschuldigen, also: „Bitte setzen Sie eine Maske auf“, statt „Sie haben Ihre Maske vergessen“.

Nun kommt es drauf an: Setzt der Kunde einfach seine Maske auf, ist alles in bester Ordnung. Manche Kunden weigern sich jedoch und argumentieren dann beispielsweise mit Attesten oder gar damit, dass sie eine Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit nicht hinnehmen wollen. Das zündet die zweite Eskalationsstufe. Hier hat Rebmann einen ganz konkreten Formulierungsvorschlag: „Ja, Sie haben vollkommen das Recht auf Ihre persönliche Freiheit, aber wir haben in unserer Apotheke die Pflicht, die Hygienevorschriften zum Schutz unserer Patienten einzuhalten. Setzen Sie deshalb bitte eine Maske auf. Wenn Sie keine dabeihaben, dann können Sie bei uns eine bekommen. Soll ich Ihnen schnell eine Maske bringen?“ Hier bedient er sich einiger psychologischer Tricks. Die Frage, ob man dem Kunden denn eine Maske bringen kann, erfüllt gleich zwei Funktionen: „Dann hat er erst einmal diese Frage im Kopf und reagiert auf ein freundliches Angebot statt auf eine Zurechtweisung.“ Außerdem sende sie ein Signal an die anderen Kunden in der Offizin, dass sich das Apothekenteam um die Kunden kümmert, statt sie hart anzugehen.

Eine besondere Bedeutung komme auch einem kleinen Wort zu: Nämlich dem Schutz „unserer“ Patienten – denn dann betont man direkt den Grund der Maßnahme und die Verantwortung der Kunden füreinander, statt sich nur auf die Hausregeln zu berufen. Viele Apotheker würden stattdessen beispielsweise sagen „auch zu ihrem Schutz“, betont Rebmann: „Wenn ich das sage, habe ich einen Verschwörungsanhänger gleich verloren“, sagt er. Denn mit dem Bezug auf seine Person provoziere man erst recht eine Abwehrreaktion.

Und dann ist man ganz schnell in der dritten Eskalationsstufe angelangt: Kunden, die Stunk machen und sich weigern. Da reiche ein einziger Satz aus, der aber umso wichtiger sei: „Es tut mir leid, dann kann Sie bei uns niemand bedienen. Das geht nur mit Maske, was auch vorn am Eingang steht.“ Auch hier sei es wichtig, den Schutz der anderen in den Vordergrund zu rücken und nicht das eigene Hausrecht. „Und man macht vor allem in größeren Apotheken gleich klar, dass es keinen Zweck hat, sich einfach in einer anderen Schlange anzustellen. Dann brauche ich nur noch zwei Worte: auf Wiedersehen.“

Verunsicherte Kunden

Es gibt nicht nur diejenigen, die die Infektionsschutzmaßnahmen mittragen und Verschwörungstheoretiker. Viele Menschen beschleicht derzeit ein diffuses Unwohlsein: Sind die Maßnahmen wirklich notwendig und zielführend? Sind sie nicht vielleicht doch übertrieben? Außerdem hört man ja vieles im Moment: Corona sei eigentlich nur eine leichte Grippe, Masken würden eher schaden, als dass sie nützen und dergleichen mehr. Die meisten Menschen sind weder Heilberufler noch Wissenschaftler, es fällt ihnen nicht so leicht, sich eine eigene Meinung zu bilden. Eine grundlegende Skepsis gegenüber staatlich verordneten Maßnahmen ist nicht verkehrt, es geht aber darum, diese richtig einzuordnen. Hier stehen Apotheker nicht nur an vorderster Front – sie haben Kraft ihrer Autorität als Heilberufler auch gute Chancen, aufklärend auf Menschen einzuwirken.

Das gilt beispielsweise für Menschen, die glauben, Covid-19 sei keine Gefahr, Infektionsschutzmaßnahmen seien gar nicht oder nicht in dem jetzigen Ausmaß notwendig oder von Masken gehe mehr Gefahr als Schutz aus. Sich auf ausschweifende Gespräche und Erklärungen einzulassen, dazu bleibt im Arbeitsalltag meist keine Zeit. Doch hier ist die gute Nachricht: Genau das sollte man ohnehin nicht machen. „Im Feld des Meinungsaustausches ist es nicht möglich, einen archimedischen Punkt zu finden, deshalb bringen lange Argumentationsstreitigkeiten überhaupt nichts. Ich brauche da eine schnelle Lösung“, sagt Rebmann. „Es geht nicht darum, dass der Kunde meine Meinung akzeptiert oder annimmt, sondern dass er seine eigene Meinung hinterfragt.“

Das wichtigste Kommunikationsinstrument mit solchen Kunden seien nicht eigene Gründe oder Fakten, „denn dann bin ich immer in der Verteidigungsposition“, so Rebmann. Stattdessen solle man sie mit Fragen zum Nachdenken anregen – aber keinesfalls mit Suggestivfragen! „Denn dann reagiert fast jeder trotzig mit Nein“, sagt er. Stattdessen gebe es für solche Aussagen eine gute Reaktion: „Oh, das überrascht mich. Wie kommen Sie zu der Ansicht?“ Auch hier sei die Wortwahl wieder wichtig: „Ansicht“ statt „Standpunkt“, denn eine Ansicht beinhalte nicht, dass es sich um einen legitimen Standpunkt handele, so Rebmann. Er betont, wie wichtig es ist, in diesem Moment Verständnis zu signalisieren. „Bei vielen Kunden sind es reine Emotionen und Verunsicherung ist eine sehr starke Emotion. Hinzu kommt die Einschränkung von persönlichen Freiheiten – das ist ein harter Cocktail.“

Auch wenn die Aussagen kruder werden, sei es wichtig, an diesem Prinzip festzuhalten. Stellt sich dabei heraus, dass es sich beim Kunden wirklich um reine Verunsicherung handelt, könne man dann durchaus doch die eigene wissenschaftlich fundierte Meinung darlegen – wenn man sie richtig einbettet: „Ich merke, dass Sie das Thema echt sehr beschäftigt. Also nach allem, was wir Apotheker aus medizinischer Sicht jetzt sagen können, ist es so und so…“ Dabei sei wieder die Wortwahl wichtig: Mit „wir Apotheker“ oder „wir PTA“ betont man die eigene Expertise. Und anders als im sonstigen Beratungsgespräch, kann es an dieser Stelle auch nützen, die herauszukehren: „Anders als sonst kann man dann in der Erklärung des Sachverhalts auch mal mit Fachbegriffen um sich werfen. Denn das signalisiert dem verunsicherten Kunden, dass man das nötige Fachwissen hat und gibt ihm somit auch ein Stück weit das Gefühl von Sicherheit.“ Bei manchen Kunden hilft das bereits – andere stachelt das allerdings erst richtig an.

Corona-Leugner und Verschwörungsanhänger

Bei diesen Kunden wird es schnell haarig. Einem Kunden, der die Pandemie für eine internationale Verschwörung hält oder behauptet, dass es das Virus gar nicht gibt, ist mit rationalen Argumenten kaum beizukommen – noch dazu zwischen Rezeptannahme, Beratung und Arzneimittelabgabe. „Viele glauben, wenn sie mit Corona-Leugnern diskutieren, müssten sie gut argumentieren oder sie überzeugen. Aber wer mit Corona-Leugnern zu viel argumentiert, verliert“, sagt Rebmann. Stattdessen rät er, im ersten Schritt anders vorzugehen: Man solle Gemeinsamkeiten betonen. „Ich glaube, wir sind uns schon beide einig, dass wir nicht krank werden wollen, weder durch eine normale Grippe noch durch Corona. Wo wir aber noch anderer Meinung sind, ist, wie gefährlich dieses Virus tatsächlich ist. Deshalb empfehle ich Ihnen, die jetzigen medizinischen Erkenntnisse zu beachten und sich an die Regeln zu halten“, wäre so eine Ansage.

Das kann zu einem versöhnlichen Abschluss des Gesprächs führen. Je nach Charakter kann sich der Gegenüber aber auch weiter angestachelt fühlen. Auch für diese Art Kunde hat Rebmann eine Gesprächsstrategie parat. Diesmal könne man durchaus suggestiv fragen, beispielsweise wenn jemand behauptet, das Virus gebe es ja gar nicht. „Wenn das so wäre, warum glauben Sie, mussten im Frühjahr in Norditalien und in New York Massengräber ausgehoben werden?“, wäre so eine durchaus provokante Frage. Ein typisches Reaktionsmuster von Verschwörungstheoretikern ist es, daraufhin medial oder wissenschaftlich vermittelte Fakten als bloße Lüge abzutun – das sind Totschlagargumente, denn eine weitere Diskussionsgrundlage ist dann eigentlich nicht gegeben.

Doch Rebmann hat auch dann noch ein Ass im Ärmel: Man solle das Thema auf die persönliche Ebene hieven. „Haben Sie schon mal mit Menschen gesprochen, die selbst an Covid-19 erkrankt waren?“ Das wird ein Leugner der Pandemie natürlich verneinen. Dann könne man durchaus auch eigene Erfahrungen anbringen und von Menschen berichten, die an der Krankheit litten. „Über persönliche Erfahrungen kann man nicht streiten“, sagt Rebmann. „Der Kunde kann schlecht sagen: ‚Nein, Sie kennen niemanden, der Covid-19 hatte!‘“ Stattdessen könne man den Kunden den Ratschlag ans Herz legen, sich mit den Geschichten von Covid-19-Patienten auseinanderzusetzen, denn auch wenn es intuitiv vielleicht nicht so scheinen mag: Persönliche Erfahrungen anderer Menschen lassen sich schwerer verleugnen als abstrakte wissenschaftliche oder politische Zusammenhänge.

Rebmann spricht in dem Zusammenhang vom sogenannten Konsistenzprinzip. „In dem Moment, wo ich dagegen argumentiere, versucht die Person, mit Gegenargumenten die Konsistenz seiner Auffassung aufrecht zu erhalten. Das erzeugt wiederum Druck bei mir und am Ende schmeißt man nur Argumente hin und her.“ Stattdessen gelte: Es soll und kann nicht das Ziel sein, einen überzeugten Verschwörungsgläubigen am HV mit Argumenten eines Besseren zu belehren. „Es geht nicht darum, den Verschwörungsanhänger von meiner Meinung zu überzeugen, sondern ihn in seiner Meinung zu verunsichern. Und das schaffe ich nicht durch Argumentation, sondern durch gute Fragen“, sagt Rebmann. „Dann muss er versuchen, seine Pseudo-Position mit Argumenten zu untermauern, die er nicht hat.“

 

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