Infektionen in Deutschland

Coronavirus: Behörden versuchen sich zu wappnen dpa/APOTHEKE ADHOC, 26.02.2020 09:12 Uhr

Vorbereitungen auf die Krise: Im Ministerium von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) finden am Mittwoch Gespräche zum Umgang mit dem ersten bestätigten Corona-Fall in Nordrhein-Westfalen statt. Foto: Elke Hinklebein
Berlin - 

Ein erster Coronavirus-Patient wird in Baden-Württemberg bestätigt, kurz darauf auch in Nordrhein-Westfalen. Sein Zustand ist weiterhin kritisch. Lässt sich die Ausbreitung des Virus in Deutschland eindämmen? Unterdessen droht Covid-19 auch in Südamerika Fuß zu fassen.

Nach zwei nachgewiesenen Coronavirus-Fällen in Baden-Württemberg und NRW beraten die Behörden über das weitere Vorgehen. Es seien am Mittwoch Gespräche geplant, um die Situation zu bewerten und die nächsten Schritte zu planen, sagte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Nordrhein-Westfalen am frühen Mittwochmorgen. Das Gesundheitsministerium in Baden-Württemberg war zunächst noch nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Der Zustand des ersten Coronavirus-Patienten in NRW war nach Angaben des Sprechers unverändert kritisch. Bei der Ehefrau des Mannes, die ebenfalls mit Symptomen einer Viruserkrankung stationär behandelt wurde, handele es sich weiterhin um einen Verdachtsfall – ein Ergebnis liege noch nicht vor.

Am Montagmittag war der Mann mit Symptomen einer schweren Lungenentzündung in einem Krankenhaus in Erkelenz im Kreis Heinsberg bei Aachen aufgenommen und auf der Intensivstation isoliert worden. In der Nacht zu Mittwoch wurde er ins Uniklinikum Düsseldorf gebracht. Der Patient ist Mitte 40 und leidet an einer Vorerkrankung. Der Mann hatte nach Angaben des Heinsberger Landrats Stephan Pusch Kontakt mit einem Bekannten, der sich geschäftlich in letzter Zeit in China aufgehalten habe, meldete die Aachener Zeitung. Ob sich dieser Mann auch in Behandlung begeben habe, konnte Pusch zunächst nicht sagen. Am Kreisgymnasium in Heinsberg am Mittwochmorgen keinen Unterricht gegeben. Davon überraschte Schüler seien am Morgen gegen 8 Uhr auf dem Schulhof nicht zu sehen gewesen. Es seien indes Busse des Nahverkehrs auf den Straßen gefahren.

Bei dem Patienten aus Baden-Württemberg handelt es sich nach Angaben des Landes-Gesundheitsministeriums vom Dienstag um einen 25-Jährigen aus dem Landkreis Göppingen. Er habe sich vermutlich während einer Italienreise in Mailand angesteckt. Der Patient sei nach seiner Rückkehr mit grippeähnlichen Symptomen erkrankt und habe Kontakt mit dem örtlichen Gesundheitsamt aufgenommen. Er sollte am Dienstagabend in einer Klinik isoliert untergebracht und behandelt werden.

In Deutschland waren schon vor einiger Zeit erste Infektionen mit Sars-CoV-2, das die Lungenkrankheit Covid-19 auslösen kann, nachgewiesen worden: vor allem bei einer Firma in Bayern, aber auch bei Rückkehrern aus Wuhan. Diese Fälle führten aber nicht zu weiteren bekannten Ansteckungen.

In Sachsen ist die Zahl der Menschen, die sich wegen des neuartigen Coronavirus vorsorglich in häuslicher Isolation befinden, auf sieben gestiegen. Beim jüngsten Verdachtsfall handele es sich um eine Frau aus Chemnitz, die Mitte Februar aus einem Risikogebiet in Italien zurückgekehrt sei, sagte Sachsens Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag. Sie sei negativ auf den auf den Erreger Sars-CoV-2 getestet worden, befinde sich aber vorsorglich in Isolation zu Hause. Ihr gehe es gut, bisher gebe keinerlei Symptome, erklärte Köpping. Bei einem sechsten Verdachtsfall geht es um einen Patienten aus dem Erzgebirge, der zuvor bei der Firma Webasto in Bayern direkten Kontakt zu einem Infizierten hatte. Auch bei ihm verlief ein entsprechender Test negativ. Zuvor waren fünf Verdachtsfälle in Sachsen bekannt.

Bisher gebe es keine Infektionsfälle in Sachsen, betonte die Gesundheitsministerin – und warnte vor Panikmache. „Ich appelliere an alle, Ruhe zu bewahren”, sagte sie am Dienstag in Dresden. „Die Gesundheitsämter, Krankenhäuser und niedergelassenen Ärzte sind sehr gut vorbereitet und wissen was zu tun ist.” Alle Krankenhäuser seien in der Lage, Infektionspatienten zu behandeln und zu isolieren. Vom Robert-Koch-Institut (RKI) hieß es, Ziel in Deutschland sei es, eine Erkrankungswelle hinauszuzögern, um zu vermeiden, dass die Covid-19- und die derzeitige Grippewelle zusammenfallen. Behörden versuchen, den Fällen mit Hochdruck nachzugehen, um eine weitere Verbreitung des Virus möglichst zu verhindern. Dadurch soll die Belastung auf das Gesundheitssystem abgemildert werden.

Die Panikmache, vor der Köpping in Sachsen warnte, gab es unterdessen in Rheinland-Pfalz. Nach dem Verbreiten einer Falschmeldung über eine angebliche Infektion hat die Polizei den mutmaßlichen Urheber der Nachricht ermittelt. Demnach habe ein 27-Jähriger aus Kaiserslautern die Meldung erstellt, um seiner Freundin zu imponieren, teilte die Polizei am Mittwoch mit. Dies sei bereits am Montag geschehen. Am Dienstag habe er die gefälschte Seite von Tagesschau.de einem 28 Jahre alten Freund gezeigt. Dieser wiederum habe die Falschmeldung abfotografiert und über soziale Medien weiterverschickt. Gegen sie werde nun wegen Vortäuschens einer gemeinen Gefahr ein Strafverfahren eingeleitet.

Der Polizei zufolge hatte ein Unternehmer Anzeige erstattet, da seine Firma in der erfundenen Nachricht genannt worden sei. Der Mann sagte, Mitarbeiter, Kunden und Zulieferer seien verunsichert und würden das Areal meiden. Der 27-Jährige war laut Polizei am Dienstagnachmittag in dem betroffenen Betrieb erschienen und hatte um ein Gespräch gebeten. Das Gesundheitsamt Kaiserslautern bestätigte nach Angaben der Polizei, dass es sich um eine Falschinformation handele. Es sei nach wie vor kein Fall einer Infektion in Kaiserslautern bekannt. Die beiden Männer zeigten sich laut Polizei schockiert über die schnelle Verbreitung der Falschmeldung.

Nach dem Ausbruch einer Epidemie in Italien gibt es nun in immer mehr europäischen Staaten Nachweise des Erregers: Österreich, Kroatien, das spanische Festland und die Schweiz hatten am Dienstag von Sars-CoV-2-Fällen berichtet. Auf der spanischen Urlaubsinsel Teneriffa wurde nach einer bestätigten Erkrankung ein großes Hotel mit rund 1000 Touristen – darunter auch Deutsche – praktisch unter Quarantäne gestellt. Viele Menschen, die sich mit Sars-CoV-2 angesteckt haben, haben nur leichte Erkältungssymptome wie Frösteln und Halsschmerzen – oder gar keine. Hinzukommen können Fieber, Husten und Atemprobleme, wie sie auch bei einer Grippe auftreten. Auch Kopfschmerzen oder Durchfall sind möglich. Die Inkubationszeit – der Zeitraum zwischen Infektion und Beginn von Symptomen – beträgt nach derzeitigem Stand meist 2 bis 14 Tage.

Nach einer von Chinas Gesundheitsbehörde vorgestellten Analyse zeigen Infizierte in der weit überwiegenden Zahl der Fälle – mehr als 80 Prozent – nur milde Symptome. Knapp 14 Prozent der Betroffenen entwickeln demnach schwere Symptome wie Atemnot, knapp 5 Prozent lebensbedrohliche Auswirkungen wie Atemstillstand, septischen Schock oder Multiorganversagen. Eine spezielle Therapie für Covid-19 gibt es nicht. Schwer erkrankte Patienten werden symptomatisch behandelt: mit fiebersenkenden Mitteln etwa und mitunter mit mechanischer Beatmung.

In Brasilien ist am Dienstag der erste Coronavirus-Fall registriert worden. Es handelt sich dabei um den ersten bestätigten Fall in Südamerika. Es könnte sich dabei auch um den ersten Fall in Südamerika überhaupt handeln. In der offiziellen Mitteilung des Ministeriums hieß es, man untersuche zusammen mit den städtischen und bundesstaatlichen Gesundheitsbehörden einen Fall in São Paulo. Diesen soll nach einem Bericht des Portals „G1“ das Krankenhaus Albert Einstein festgestellt haben. Demnach habe ein 61 Jahre alter Mann, der zwischen dem 9. und 21. Februar nach Norditalien gereist war, die Symptome der Krankheit wie Husten gezeigt haben. Er sei nun zu Hause isoliert. Im Institut Adolfo Lutz, so etwas wie dem akkreditierten Labor des Gesundheitsministeriums, soll noch zweiter Test gemacht werden.

In China ist die Zahl der Todesopfer und Infizierten unterdessen erneut gestiegen. Wie die Pekinger Gesundheitskommission am Mittwoch mitteilte, kamen weitere 52 Menschen durch das neuartige Coronavirus ums Leben. Die Gesamtzahl der Opfer in China stieg damit auf 2715. Die Zahl der nachgewiesenen Infektionen kletterte um 406 auf über 78.000. Sämtliche neuen Todesfälle und fast alle neuen Infektionen wurden aus der besonders betroffenen Provinz Hubei gemeldet, wo das Virus in der Millionenmetropole Wuhan ursprünglich ausgebrochen war. Auf den Rest des Landes entfielen nur noch fünf neue Infektionen.