Sonderschichten für Desinfektionsmittel

Corona-Einsatz: „Apotheken werden häufig vergessen“

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Berlin -

Apothekerin Dr. Sabine Mickeler hat am Wochenende eine Sonderschicht eingelegt: Zusammen mit Mann und Sohn wurden am Sonntag im Labor Desinfektionsmittel hergestellt, um die Versorgung zu gewährleisten. Mickeler will darauf aufmerksam machen, dass nicht nur Ärzte, Pfleger & Co. in Corona-Zeiten helfen – sondern auch die Apotheken vor Ort einen wesentlichen Beitrag leisten.

Wie viele andere Apotheken hat auch die Löwen-Apotheke in Neuhausen vorgesorgt: Bereits zu Beginn der drohenden Corona-Krise wurden größere Mengen Rohstoffe für die Herstellung von Desinfektionsmittel eingekauft: Bioethanol und Isopropanol standen ganz oben auf der Liste. Anfänglich machten die Regelungen die Herstellung jedoch noch illegal. Seit Anfang März dürfen die Apotheken jedoch offiziell isopropanolhaltige Desinfektionsmittel selbst herstellen.

„Wir haben schon vorher produziert und nur noch auf die Genehmigung gewartet“, erklärt Mickeler. „Zum Glück haben wir noch einige Rohstoffe“, erklärt sie. Denn auch die selbst hergestellten Desinfektionsmittel sind schneller weg, als sie nachproduziert werden können. Doch nicht nur die Rohstoffe stellen ein Problem dar – auch Gefäße werden knapp. „Wir konnten glücklicherweise aus Österreich noch einige beziehen“, meint Mickeler.

Am Frühstückstisch wurde kurzerhand beschlossen, eine Sonderschicht einzulegen. „Neben dem laufenden Apothekenbetrieb schafft man das gar nicht“, erklärt Mickelers Sohn Tassilo, der derzeit Pharmazie studiert und seine Famulatur in der Apotheke ableistet. Die gesamte Familie stand am Sonntag knapp sieben Stunden im Labor und stellte über 300 Flaschen Desinfektionsmittel her. Dabei orientierte sich die Apothekerin an den Rezepturen der Weltgesundheitsorganisation (WHO).

„Mittlerweile geben wir das Desinfektionsmittel nur noch in haushaltsüblichen Mengen ab“, erklärt Mickeler – maximal 200 Milliliter pro Haushalt oder Familie gehen über den HV-Tisch, Hamsterkäufe werden nicht unterstützt. „Mehr braucht man auch einfach nicht“, erklärt Mickeler. Zu Hause würden schließlich auch Wasser und Seife zur Verfügung stehen. Auch für Einrichtungen und Pflegedienste möchte die Apotheke noch Reserven zurückhalten.

Dennoch versteht die Apothekerin, dass viele Leute verängstigt sind. „Deshalb stellen wir auch vermehrt her.“ Außerdem will die Apothekerin nicht-fachmännisch hergestellten Desinfektionsmitteln vorbeugen. „Derzeit kursieren ja die wildesten Rezepturen im Internet“, erklärt sie. „Wir Pharmazeuten wissen jedoch, wie es richtig gemacht wird." Bevor zu Hause in den eigenen vier Wänden ohne Hygienemaßnahmen gepanscht wird, soll das Desinfektionsmittel lieber vor Ort beim Fachmann gekauft werden.

Mickeler gab auf der Facebook-Seite der Apotheke einige Eindrücke aus der Sonderschicht. Damit will die Apothekerin auf das Engagement der Vor-Ort-Apotheken aufmerksam machen. Schließlich würden Ärzte, Pflegepersonal & Co. immer erwähnt und gelobt – die Arbeit der Apotheken rücke jedoch oft in den Hintergrund und werde vergessen. Auch am nächsten Sonntag wird voraussichtlich wieder produziert, erklärt ihr Sohn. „Etwa 50 Liter können wir noch herstellen.“

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