Inhaber spricht vor Impfgegnern

Corona-Demos: Apotheker gibt den Volkstribun

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Berlin -

Es waren ziemlich kuriose Szenen, die sich am vergangenen Freitag in Lörrach abgespielt haben: Auf dem Marktplatz demonstrierten mehrere Dutzend Menschen gegen die Corona-Schutzmaßnahmen der Regierung – wie vielerorts in Deutschland. Doch anders als anderswo stand in Lörrach ein Pharmazeut vor der versammelten Menge: Birger Bär, Inhaber von vier Apotheken in Lörrach und Umgebung, hielt von einem Balkon aus eine Rede. Seine Standpunkte sind sehr streitbar, mit Esoterikern oder Impfgegnern will er sich aber nicht in einen Topf werfen lassen, sagt er – er habe als „bekennender Impffreund“ vor ihnen gesprochen.

Viel wird in den vergangenen Tagen über den wachsenden Widerstand gegen die Infektionsschutzmaßnahmen von Bundes- und Landesregierungen debattiert – insbesondere, nachdem am vergangenen Freitag deutschlandweit zehntausende Menschen demonstrieren gegangen waren. Es ist vielerorts eine krude Mischung: Viele Beobachter befürchten eine Querfront aus Verschwörungstheoretikern, Reichsbürgern, Rechtsradikalen, Esoterikern und Impfgegnern. Aber auch Menschen ohne derart absurde bis menschenfeindliche Ansichten nehmen zunehmend an den Demos teil, kritisieren dort Einschränkungen der Grundrechte oder verlangen eine bessere Abstimmung der Maßnahmen mit wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie mögen per se nicht zur vorderen Gruppe gehören – müssen sich aber die Frage stellen lassen, warum sie gemeinsam mit ihr marschieren und ihre Parolen unwidersprochen lassen.

Auch in Lörrach, dem südwestlichsten Zipfel der Republik im Dreiländereck Deutschland, Frankreich, Schweiz standen vergangenen Freitag Demonstranten auf dem Marktplatz, 50 bis 100 Teilnehmer waren es – nicht viel, aber unter den aktuellen Bedingungen eine ansehnliche Größe für eine Demonstration. Unter ihnen befanden sich auch offensichtliche Impfgegner und augenscheinliche Esoteriker. Ein junger Mann steht gleich mit mehreren Schildern auf dem Marktplatz. Auf einem steht: „Wiederherstellung des Status Quo aller Bürgerrechte: keine Impfpflicht, keine Corona-App, kein Maskenzwang“. Daneben ein kleines Schild auf dem er hinweist: „GRATIS: Aufkleber gegen Impfen.“ Auf denen steht: „STOP IMPFluenza“.

Eine andere Teilnehmerin scheint eher esoterisch unterwegs zu sein: „Ich meditiere für: Freiheit und Wahrhaftigkeit, Frieden und Transparenz, freie Entscheidungen in allen Lebensbereichen (Bewegungsfreiheit, Impfungen etc.). Ich verlange die sofortige Wiederherstellung des Grundgesetzes!“, steht auf einem Schild, das sie sich umgehängt hat. Die Demonstranten hatten einen Wortführer: Ausgerechnet Apotheker Birger Bär sprach vom Balkon eines Restaurants zu der Menschenmenge. Bär ist weder ein Rechtsradikaler noch ein Impfgegner – im Gegenteil, er spricht von „kackbrauner AfD“ und führt mehrere Minuten lang aus, was er vom Impfen hält: „Damit Sie mich richtig verstehen: Ich bin, gerade als Apotheker und Heilberufler, ein Impfbefürworter, ein Impffreund. Ich halte viele Schutzimpfungen für sehr sinnvolle und segensreiche Arzneimittel, da diese effektiv krankheitsvorbeugend sind“, so Bär in seiner Ansprache. „Seit Jahr und Tag“ habe er seine Patienten und Mitarbeiter angehalten, „freiwillig – ich betone: freiwillig – ihren Impfausweis eigenverantwortlich zu prüfen und sich bitte, bitte impfen zu lassen.“ Das Publikum scheint die Aussage zu spalten, es ist sowohl Klatschen zu hören als auch Buh-Rufe.

Doch was ist dann Bärs Anliegen? Ein Blick auf den Balkon gibt einen guten Hinweis: „Grenzen auf!“, steht da in großen Lettern. Bär kritisiert die Art und Weise, wie die bisherigen Maßnahmen die Grundrechte der Bürger einschränken und verlangt eine offene Diskussion, wie er erklärt. „Mit solchen Hinterzimmerspielchen, die mühsam entlarvt werden müssen, schafft man gerade in diesen unübersichtlichen, von Angst geprägten Zeiten kein Vertrauen und erst recht keine Zustimmung. So wird der Widerstand wachsen und die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben“, sagt er. Denn der öffentliche Raum, die Freiheit und das gemeinsame Leben seien in den vergangenen acht Wochen abhandengekommen.

Er habe kein Verständnis dafür, dass die Diskussion darüber von der Politik abgekanzelt werde. „Natürlich muss sich die Regierung die Frage nach der Aufhebung der Restriktionen stets gefallen lassen!“, so Bär. „Sie muss sich dann erklären und sich nicht beschweren über endlose Diskussionsorgien – Orgien, die ich mit dieser Kanzlerin gar nicht mehr erleben will. Vielmehr sollte sie sich über solch mündige, solch gute Demokraten und Kritiker freuen. Das ist nämlich gelebte Demokratie.“ Stattdessen sei das Infektionsschutzgesetz im Eiltempo angepasst worden, um Eingriffe in die Grundrechte zu ermöglichen. „Ist da nicht im Eilverfahren wegen einer vermeintlich so großen Gefahr – und ich will das Unbekannte nicht zu kleinreden – der demokratische Willensbildungsprozess, die Demokratie auf der Strecke geblieben?“, fragt er rhetorisch. Was die Regierungen stattdessen hätten tun sollen, darauf geht er dabei nicht ein.

Was sie jetzt tun sollen, dabei ist er allerdings klar, wie das Transparent am Geländer des Balkons verrät: Die Grenzen in der Triregio, also dem Dreiländereck, wieder öffnen. „Unser Herz ist zerschnitten, wir leiden. Wir leiden an einem Herzinfarkt und ein Herzinfarkt, das wissen wir alle, muss sehr schnell behandelt werden. Sonst stirbt der Patient, stirbt unsere Trieregio. Und stirbt unsere Triregio, dann stirbt auch Europa“, so Bär. „Folglich müssen zuerst und sofort alle zuführenden Lebensadern, alle Versorgungswege wieder geöffnet werden – natürlich unter Einhaltung notwendiger Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen, das ist ja klar.“ Das gehe über die schlichte Betrachtung der Triregio als Wirtschaftsraum hinaus. „Es geht hierbei um den kulturellen und politischen Zusammenhalt dieser Musterregion Europas. Denn wenn nicht hier, wo dann lebt Europa, leben europäische Völker so gut, so harmonisch, so friedlich miteinander zusammen?“

Neben seiner Sorge um Wirtschaft und Zusammenhalt gibt sich Bär vor allem freiheitsliebend: In harschen Worten kritisiert er beispielsweise die Debatten um Immunitätsausweise und zieht äußerst gewagte Vergleiche: Er wolle so einen Ausweis nicht tragen müssen – „einen Ausweis, der über meine Teilhabe am öffentlichen, beruflichen Leben, über mein gemeinschaftliches Leben als Mensch mit anderen Menschen entscheidet“. Er fragt „welch menschenverachtende, menschenunwürdige Denke“ da „aus den Tiefen dieser Bürokratiemaschine zum Vorschein“ komme. Das mache einen „schlimmen Eindruck, der mich an äußerst dunkle Zeiten unserer deutschen Geschichte erinnert“.

Gegen eine Pflicht spricht er sich deshalb auch beim Impfen aus. Sein Duktus: Es müsse ein breiter gesellschaftlicher Konsens hergestellt werden, der dazu führt, dass sich alle Bürger freiwillig impfen lassen. Doch hat er dann kein Problem damit, vor bekennenden Impfgegner aufzutreten? „Ich bin da eher so, dass ich meinen Standpunkt hab – ich bin von denen gar nicht angesprochen worden“, erklärt er auf Nachfrage. „Was ich diesen Leuten sage: Bitte lasst uns über die Risiken und den Nutzen von Impfungen diskutieren, ich denke da sehr faktenbasiert und beziehe mich auf die gute alte Wissenschaft.“

Dass seine teils harsche Wortwahl – er spricht unter anderem von Dreistigkeit, Schamlosigkeit, Lächerlichkeit und geballtem Unvermögen der Regierung, nennt die Coronaverordnungen ein „unternormatives Machwerk“ – bei Verschwörungstheoretikern auf fruchtbaren Boden fällt, ist ihm ebenfalls bewusst. Daran, ihnen zugerechnet zu werden, stört er sich dennoch. Denn in der Lokalpresse wurde er als deren Anführer dargestellt. „Das ist nicht ganz angenehm, was mir da in der lokalen Presse um die Ohren gehauen wird. Ich wünsche mir einen fairen Austausch und nicht anonyme Anfeindungen.“ Er trage schließlich keine Verantwortung dafür, wer da zu den Demonstrationen kommt. Das einzige, was er wolle, sei ein offener und freier Austausch, beteuert er. „Ich habe jetzt meinen Teil gesagt und nun soll die Gesellschaft sich selbst einen Reim darauf bilden.“

 

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