Diskussion um Corona-Testpflicht

Ärzte laufen Sturm – Verfassungsrechtliche Probleme APOTHEKE ADHOC, 04.08.2020 13:04 Uhr

Corona-Tests: „Ich glaube, den Zuständigen ist nicht bewusst, welchen Aufwand eine Testung in der Praxis bedeutet“, so der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Seit letzter Woche können sich Urlauber nach ihrer Rückkehr kostenlos von ihren Hausärzten auf Corona testen lassen. Dagegen laufen die Ärzte Sturm. Und noch in dieser Woche will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) eine Testpflicht für Heimkehrer aus Risikogebieten einführen. Das könnte zu einer Verfassungsklage führen. Es sei nämlich schwierig, dafür eine verfassungskonforme Ermächtigungsgrundlage zu finden, argumentiert Jura-Professorin Dr. Anika Klafki in einem Betrag für „Legal Tribune Online“.

Die von der Bundesregierung beschlossenen Corona-Tests für Reiserückkehrer sorgen laut Ärztezeitung bei Hausärzten für erheblichen Verdruss. „Ich glaube, den Zuständigen ist nicht bewusst, welchen Aufwand eine Testung in der Praxis bedeutet“, kommentierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, die Verordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Als völlig unzureichend stufen sie zudem die 15 Euro ein, die sie für jeden Abstrich auf eine mögliche Coronavirus-Infektion bekommen. Verbands-Chef Weigeldt sprach von einem „schlechten Scherz“. Dieser Betrag dokumentiere eine „Geringschätzung dessen, was die Kolleginnen und Kollegen hier zu leisten haben und leisten“. Davon abgesehen sei unklar, ob die Hausärzte per Verordnung verpflichtet werden könnten, die Abstriche vorzunehmen.

Ärzte seien verantwortlich für die Versorgung von Kranken, „nicht für die Durchführung von par ordre du mufti angesetzten Testserien“, argumentierte auch die Vorsitzende des Hausärzteverbands Rheinland-Pfalz, Dr. Barbara Römer. Die per Infektionsschutzgesetz vorgesehenen Testungen von Reiserückkehrern seien „originäre Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes“ (ÖGD). Überdies konterkariere die Verordnung das Konzept der Hausarztpraxen, potenziell infektiöse und nicht-infektiöse Patienten strikt voneinander zu trennen, so Römer. Dank dieser Trennung, die einen erheblichen Aufwand für die Praxisteams bedeute, habe man die COVID-19-Pandemie in Deutschland bislang erfolgreich in Grenzen halten können. Dies stehe nun in Gefahr.

Laut Jura-Professorin Klafki könnte eine Corona-Testpflicht zwar verhältnismäßig sein. Aber die rechtliche Umsetzung per Spahn-Anordnung problematisch. Anordnungen können etwa interne Dienstanweisungen sein, zweifelhaft sei aber, ob die dort normierten Anordnungen direkt gegenüber Privaten Rechtswirkungen entfalteten. Die Anordnung von zwangsweisen Corona-Tests wäre laut Klafki eine Allgemeinverfügung des Bundes im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Das Problem: Nur die Länder hätten Vollzugskompetenzen für das IfSG. Das werfe die kompetenzrechtliche Frage auf, ob das BMG überhaupt verfassungsrechtlich dazu ermächtigt werden dürfe, im Bereich des IfSG eigene Verwaltungsakte zu erlassen. Der Vollzug des IfSG sei laut Grundgesetz den Ländern vorbehalten. Der Bund verfüge über keine eigene Vollzugskompetenz. „Die Anordnungsbefugnis widerspricht also der Vollzugskompetenz der Länder und ist bereits aus diesem Grund verfassungswidrig“, so Klafki.

Gleichwohl berge die Anwendung der recht offensichtlich verfassungswidrigen Anordnungsbefugnis Risiken. So seien zahlreiche Klagen gegen die Zwangstests zu befürchten und – was vielleicht noch schwerer wiege – ein Akzeptanzverlust für die staatlich angeordneten Maßnahmen zur Corona-Bekämpfung. In Betracht komme aber, dass nicht der Bund die Anordnung erlasse, dass Reiserückkehrer sich einem Zwangstest zu unterziehen haben, sondern die zuständigen Landesbehörden. Auch hierfür bedürfe es jedoch einer entsprechenden Befugnisnorm. „Im Ergebnis ist die Einführung von allgemeinen Corona-Tests für Reiserückkehrer aus Risikogebieten rechtlich weit diffiziler, als es auf den ersten Blick scheint. Verhältnismäßig wären sie wohl, aber es fehlt an einer Rechtsgrundlage“, so das Fazit der Jura-Professorin.