Kommentar

Vollapotheken werden Luxus Alexander Müller, 21.10.2011 12:04 Uhr

Berlin - 

Das BMG geht seinen Weg unbeirrt weiter: Das System Vollapotheke wird abgeschafft. Filialen werden durch die geplante Novelle der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) dermaßen begünstigt, dass sie in direkter Nachbarschaft zu Hauptapotheken einen immensen Wettbewerbsvorteil genießen werden. Die Frage ist, was damit bezweckt wird.

Sicher gibt es viele Apotheker, die sich über die Erleichterungen freuen. Denn fraglos können die Betriebskosten durch die geplanten Änderungen gesenkt werden. Unter dem Strich sparen alle Apotheken zusammen nach Berechnungen des Ministeriums jährlich 2 Millionen Euro. Demnach müssten allerdings sämtliche 3500 Filialapotheken ihr Labor ausbluten lassen und Neugründungen in der Regel gleich darauf verzichten.

Dass sich das Ministerium die Einsparungen schön rechnet, ist eine Sache. Was in den Zahlenspielen des BMG nicht auftaucht, ist der drohende Vertrauensverlust in die Institution Apotheke. Heute ist das Apotheken-A ein Versprechen: Hier wirst du versorgt. Und nicht etwa: Hier wirst du ein bisschen versorgt oder nur manchmal. Das Sich-Raushalten aus den unbequemen pharmazeutischen Aufgaben war bislang den Versandapotheken vorbehalten. Jetzt sollen nach dem Willen des Ministeriums auch Filialapotheken bei der Versorgung kürzer treten können.

Ist die ApBetrO-Novelle das Anti-Versorgungsstrukturgesetz der Regierung? Was beim Labor noch nachvollziehbar und vergleichsweise harmlos anmutet, hat bei der Übernahme von Notdiensten direkten Einfluss auf die Versicherten. Die Versorgunsgsdichte wird nicht insgesamt schlechter, aber konzentrierter. Es bilden sich Versorgungsschwerpuntke. Und als nächstes? Muss jede Apotheke einen Kühlschrank haben? Oder reichen ein paar Insulinapotheken pro Landkreis?

Woher das Faible des Ministeriums für Filialapotheken kommt, weiß man nicht. Wenn man der Meinung ist, dass Apotheken in der Fläche keine Rezeptur, kein Labor und keinen Notdienst haben müssen, dann sollte man so ehrlich sein, Rezeptur, Labor und Notdienst für alle zu streichen – und als Sonderleistung auszuschreiben.

Vielleicht will das BMG ja den Folgen der eigenen Spargesetze entgegen steuern: Wenn demnächst reihenweise Apotheken aufgeben müssen, könnten sie billiger vom Nachbarn fortgeführt werden. Dann stellt sich die Anschlussfrage: Warum eigentlich vier Betriebsstätten für einen vollapothekenfähigen Filialverbund? Warum nicht acht oder 16? Die Debatte um Apothekenketten führt Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) nicht. Er führt die Debatte um die Apotheke.