ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Verordnung: Kostenlose FFP2-Masken nur noch mit Spahn-Logo

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Berlin -

27 Millionen Deutsche freuen sich über kostenlose FFP2-Masken. Und alle haben sie Jens Spahns Gesicht im Gesicht! Der Bundesgesundheitsminister ist sich sicher: Mit seinem hervorragenden Management hat er sich für den Posten des Mutti-Nachfolgers prädestiniert. Dumm nur, dass das Volk mitredet. Doch zum Glück ist Spahn ein Meister des subtilen Wahlkampfs.

Spahn will’s einfach wissen: Merz, Laschet, Söder und Röntgen (oder wie der andere nochmal hieß) sind doch alles kleine Nummern, die keiner kennt! Der einzige Unionsmann, der Kanzler kann, ist er. Und die Leute wissen das auch: Laut Bild-Umfrage wollen sich die Deutschen dieses Jahr von niemandem mehr sagen lassen als von dem Borkener Vollblutpolitiker. Also hört er sich schon mal um, wer ihm denn in der Partei den Rücken stärken würde. Viel Zeit bleibt ja auch nicht, im September ist schon Bundestagswahl. Auf sein Tandem mit Armin Laschet kann er da keine Rücksicht nehmen, sondern muss direkt in den Wahlkampf durchstarten. Glücklicherweise hat im Moment keiner seiner möglichen Konkurrenten so einen direkten Draht zur Wahlbevölkerung wie der Bundesgesundheitsminister. Fast jeder will schließlich eine Impfung, eine Maske oder einen Antigentest, wenn es mal im Hals juckt. Da muss doch was gehen!

Das große Prestigethema ist natürlich gerade die Covid-19-Impfkampagne. Wie heldenhaft wäre das denn bitte schön? Das ganze Land wird dank Spahns Weltklassemangement in Rekordzeit durchgeimpft, im Sommer ist die Pandemie vorbei und der Minister wird von einer Welle der Anerkennung ins Kanzleramt gespült. Klappt nur leider nicht. Erfolgsengpass. Wenn es mehr Impfer als Impfdosen gibt und sich selbst sein sonst höchstens kollegial-kritischer Buddy Karl Lauterbach „entsetzt“ über das Spahn‘sche Management zeigt, dann sollte er bei dem Thema lieber den Ball flach halten. Ein kurzer Blick nach Süden reicht, um zu sehen, wie schnell es gehen kann: Seine bayerische Amtskollegin hat der verkorkste Impfstart diese Woche den Posten gekostet. Da muss er sich wohl bessere Vorbilder suchen.

Vielleicht sollte er bei dem Thema mal das Ohr an die Basis halten. Das erste Bundesland, das geimpft hat, war Sachsen-Anhalt. Und wer hat die Vakzine ins Impfzentrum gebracht? Nein, nicht Fiege, sondern Apotheker Boris Osmann! Und dann ein kurzer Blick über die Grenze nach Sachsen, da soll der Impfstoff ab Montag auch in den Impfzentren gespritzt werden. Aber dazu braucht man nun mal Spritzen und ein Lieferant hat das Ministerium hängenlassen. Wer konnte also über Nacht aus dem Ausland 50.000 Spritzen mit Millilitergraduierung besorgen und so den Impfstart im Freistaat retten? Genau, wieder ein Apotheker! Aber das zeigt erneut: Das Impfthema ist zu komplex, irgendjemand hat da immer was zu meckern. Der Minister kann das nicht nachvollziehen. Wir haben doch genug Impfstoff! Voraussichtlich, bald, falls alles gut geht.

„Voraussichtlich, bald, falls alles gut geht“ ist nur keine so einfache Botschaft. Die braucht es aber! Da kam Spahn die zündende Idee: Er muss vom Großmeister der einfachen Botschaften lernen! Donald Trump hatte doch vergangenes Jahr den Versand von Schecks mit Coronahilfsgeldern so lange zurückgehalten, bis sichergestellt war, dass auf jedem Scheck sein Name und seine Unterschrift abgedruckt sind. Richtig so, der Pöbel muss schon wissen, an wem er sich labt. Nur werden hierzulande eben keine Schecks verschickt. Dafür aber FFP2-Masken – manchmal sogar, ohne dass man sie überhaupt bestellt hat. Manche Apotheken wiederum verschicken Verschick-Werbung, allerdings leider auch an Patienten, die keine Masken mehr brauchen, weil sie gar nicht mehr leben. Schlechte Zielgruppe, denkt sich Spahn, Tote wählen doch gar nicht mehr.

Er braucht aber Adressaten mit Wahlperspektive im September. Die sind in der Regel noch unterwegs und sehen überall Menschen mit Masken: wandelnde Werbeträger. Das hat auch einen weiteren Vorteil, denn hier sind wieder die Apotheker am Zug. Und viele von denen geben weit mehr ab als sie eigentlich müssten – die perfekte Gelegenheit! Denn nicht nur bedeutet das mehr Werbung für dasselbe Geld, sondern die Apotheker zoffen sich mal wieder herzlich untereinander, ob das nun solidarisch gegenüber den Kunden oder unsolidarisch gegenüber den Kollegen ist. Und obendrauf kommt noch Streit mit Kunden, die Apotheken anschwärzen, Kritik an den Kassen für den späten Versand der Bezugsscheine und weil das noch nicht reicht, nochmal ein paar Kammern, die Apotheker mit FFP2-Bonus kritisieren. Teile und herrsche, wo geht das besser als im Gesundheitswesen? Da hat doch gar keiner mehr Energie, sich auch noch über Spahn aufzuregen.

Also erlässt er in bester Kurfürstenmanier gleich die nächste Verordnung, das geht ihm ja leicht von der Hand. Ab vorvergangenen Samstag gilt: Jede auf Bezugsschein abgegebene FFP2-Maske muss den Slogan „Spahn for Kanzler“ und sein Konterfei enthalten. Und weil der Minister kein Unmensch ist (ok, hauptsächlich, weil ein gigantischer Maskenrückruf nur schlechte Presse gibt), stellt das BMG die Sprühschablonen kostenlos zum Download bereit. Wenn die Apothekenteams schon tausende Masken auseinzeln müssen, können sie die ja auch gleich besprühen. Und den ganzen Tag Spraydosen in geschlossenen Räumen zu verwenden, ist auch keine Gesundheitsgefahr, die Mitarbeiter sollten ja sowieso selbst Masken tragen. Wer verordnungswidrige – sprich: spahnlose – Masken abgibt, dem wird pauschal die Pauschale gestrichen. Dem Vorwurf, er würde für seinen Wahlkampf Abstriche beim öffentlichen Gesundheitsschutz machen, muss er sich dann auch nicht aussetzen: Die Apotheker waren ja sowieso schon in Vorkasse gegangen, bevor die erste Verordnung kam! Wenn die sich nun weigern, wer riskiert denn dann aus Kostengründen die Gesundheit der Menschen?! Genial, da hat er wieder drei Fliegen mit fünf Klappen geschlagen. Der Minister ist eben ein echter Macher.

Apropos Kurfürstenmanier. Apotheker brauchen nicht immer Spahns hoheitliche Dekrete, um schlecht übereinander zu reden. Auch die „regionalen Bezirksfürsten“ vom Bayerischen Apothekerverband sind immer für einen lockeren Spruch über ihre Untertanen zu haben. Was erlauben die sich auch, ihre Durchlauchtheiten zu belästigen, nur weil ein paar Dutzend Tausender in der Bilanz fehlen? Da ist doch AvP dran schuld! Ja, es gibt sie tatsächlich noch: Die anderen Themen neben der Coronakrise. Da darf natürlich der Klassiker nicht fehlen: die lieben Kassen. Die AOK zeigt nämlich auch wieder, wie sehr ihr die Apotheken am Herzen liegen und unterbreitet ihnen das selbstlose Angebot, ein Auge in die Warenwirtschaft zu werfen. Denn ein paar schwarze Schafe machen das Image der ganzen Branche kaputt: Im Arzneimittelbereich entstehen nämlich erhebliche Schäden durch Apotheker, die dem Zweitjob Abrechnungsbetrüger nachgehen, hat der AOK-Bundesverband herausgefunden. Sein unbürokratischer Lösungsvorschlag: Eine Verpflichtung in der Apothekenbetriebsordnung, dass bei der Abrechnung auch konkrete Buchungsvorgänge aus der Warenwirtschaft übermittelt werden müssen.

Ebenfalls ein Herz für die Vor-Ort-Apotheken haben die Versender. Die Shop-Apotheke bietet zwei Apothekern ein selbstloses Umsatzförderungsprogramm: Zu ihren eigenen Konditionen können sie Arzneimittelbestellungen des Hollandversenders ausliefern. Es gelten ihre eigenen AGB, über denen lediglich das Shop-Apotheke-Logo abgebildet ist. Hat da etwa jemand bei Spahn abgeguckt?

Und dann gibt es auch noch die guten Nachrichten von den bösen Jungs: Der globale Apotheken-Leviathan WBA sieht jetzt nämlich kleiner aus als er ist. Aus Walgreens Boots Alliance werden Walgreens Boots und Alliance, der weltgrößte Pharmagroßhändler wird verkauft. Hierzulande läuft es umgekehrt und eine ganze Nummer kleiner, hier wird aus Sanacorp und Fiebig Sanafieb – oder so ähnlich. Auf jeden Fall hat sich die Sanacorp mit Fiebig einen kleinen, aber hochmodernen Großhändler einverleibt. Lassen Sie sich von niemandem einverleiben und auch nicht vereinnahmen, sondern bleiben Sie einfach gesund. Schönes Wochenende!

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