Arzneimittelverwechslung

Tödlicher Abgabefehler: Apotheker darf bleiben

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Berlin -

Das Berufsgericht für Heilberufe beim Verwaltungsgericht Münster hat einem Apotheker aus dem Kreis Minden-Lübbecke wegen der Abgabe eines falschen Medikamentes einen Verweis erteilt und eine Geldbuße in Höhe von 1000 Euro verhängt.

Der Apotheker hatte im September 2014 einer 78-jährigen Dialysepatientin statt des ihr ärztlich verordneten Phosphatbinders Renvela 800 mg das Herzmedikament Veramex retard 240 mg abgegeben. Dies hatte zum Tod der Patientin geführt. Im vergangenen Dezember war der Pharmazeut vom Landgericht Bielefeld in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt worden.

Das Berufsgericht musste nun entscheiden, ob der Apotheker auch seine Berufspflichten verletzt hatte und ob angesichts des entstandenen Vertrauensschadens und des Ansehensverlusts für die Apothekerschaft allgemein auch eine berufsgerichtliche Reaktion angezeigt war. Ein solcher „berufsrechtlicher Überhang“ der Straftat ist demnach durch die strafrechtliche Ahndung nicht abgedeckt.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Berufspflichtverletzung einen Verweis und eine Geldbuße erfordere. Nachdem schon das Landgericht von einer eher geringen Schuld bei der fahrlässigen Tötung ausgegangen war, sah auch das Berufsgericht entlastende Umstände: Die fehlerhafte Abgabe des Arzneimittels sei ein Augenblicksversagen des Apothekers gewesen. Vergleichbare oder andere Berufspflichtverletzungen habe es weder vor noch nach dem Fehlverhalten gegeben. Hinzu trete der Milderungsgrund der tätigen Reue: Der Beschuldigte habe von sich aus die Angehörigen der verstorbenen Patientin darauf hingewiesen, dass eine Verwechselung des ihr verschriebenen Arzneimittels vorliege, und zudem darauf hingewiesen, dass dies zu ihrem Tod geführt haben könnte.

Diese Angaben des Apothekers hätten maßgeblich zur Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen ihn geführt. Angesichts der Vorerkrankungen der Patientin spreche Vieles dafür, dass die Verwechselung des Arzneimittels als Ursache für ihren Tod nicht entdeckt worden wäre, wenn er darauf nicht hingewiesen hätte.

Auch angesichts seiner tiefen emotionalen Betroffenheit bei Feststellung seines Fehlers und bis heute andauernd, bedürfe es keiner über einen Verweis und eine Geldbuße hinausgehenden berufsgerichtlichen Maßnahme, um den Beschuldigten anzuhalten, seinen Berufspflichten künftig nachzukommen und das Vetrauen in den Berufsstand wieder herzustellen.

Am 2. August vergangenen Jahres wurde der Apotheker vom Schöffengericht Minden zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Pharmazeut ging in Berufung, wobei er den Schuldspruch akzeptierte und nur das Strafmaß korrigieren lassen wollte. Im Dezember kassierte das Landgericht Bielefeld die erstinstanzliche Entscheidung und setzte stattdessen eine Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen à 60 Euro fest. Das ursprüngliche Urteil erachteten die Richter für „deutlich übersetzt und unverhältnismäßig“.

An einem Samstag hatte die Tochter der Dialysepatientinder das Rezept in der Apotheke eingereicht. Der 1973 geborene Pharmazeut versprach, die Ware nach Lieferung durch den Großhandel noch am selben Tag nach Hause zu bringen. Im Verlaufe des Vormittags gab er außerdem Veramex ab. Als Lagerartikel wurde der Calciumkanalblocker automatisch nachbestellt. Nach Ladenschluss schloss der Pharmazeut die Apotheke ab, fuhr den Computer herunter und wartete auf den Fahrer des Großhandels. Dabei nickte er kurz ein.

Als die Kisten durch die Anlieferungsklappe geschoben wurden, wurde er durch das Geräusch aufgeweckt. In der obersten Kiste lag nur Veramex; der Apotheker war der Meinung, dass es sich um das für die Patientin bestimmte Medikament handelte. Er verzichtet auf nochmaligen Abgleich mit dem Rezept und brachte das Präparat wie versprochen der Patientin nach Hause.

Erst am Montagmorgen kam bei ihm der Verdacht auf, dass es zu einer Falschauslieferung gekommen sein könnte. Gegen 15.30 Uhr rief er in der Wohnung der Patientin an. Er erreichte die Tochter und erkundigte sich bei ihr nach dem am Samstag ausgelieferten Medikament. Sie nannte ihm den Namen – und setzte den Apotheker in Kenntnis, dass ihre Mutter zwischenzeitlich verstorben war. Gegen 18 Uhr fuhr er zur Wohnung der Verstorbenen. Dort gestand er der Tochter, dass er ihrer Mutter ein falsches Medikament abgegeben hatte, dessen Einnahme für den Tod mit ursächlich gewesen seien könnte.

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