Mutter und Kind sterben an Rezeptur

Tödliche Glucose-Verwechslung: Mordanklage gegen Apothekerin

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Berlin -

Vor etwa einem Jahr sorgte der Tod einer jungen Frau und ihres per Notkaiserschnitts zur Welt gebrachten Babys für Aufsehen: Die beiden waren durch eine verunreinigte Glucosemischung aus der Heilig-Geist-Apotheke in Köln-Longerich ums Leben gekommen – nun wurde Anklage gegen eine Apothekerin erhoben.

Die Staatsanwaltschaft wirft der 50-Jährigen versuchten Mord durch Unterlassen vor, wie das Landgericht Köln am Dienstag mitteilte. Sie soll pflichtwidrig eine Mitteilung an das behandelnde Krankenhaus unterlassen haben, dass eine Lidocainvergiftung als Ursache für den schlechten Gesundheitszustand in Betracht komme. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft Anklage wegen fahrlässiger Tötung erhoben. Dabei geht es um die Verunreinigung der Glukose. Ob diese Anklageschrift zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet wird, entscheidet das Gericht. Die Prüfung dürfte einige Wochen in Anspruch nehmen.

Die junge Mutter und ihr Neugeborenes waren an den Folgen der Einnahme eines Glukosegemischs aus der Heilig-Geist-Apotheke im Stadtteil Longerich gestorben. Bei einer anderen Frau, die das gleiche Mittel eingenommen hatte, waren ebenfalls Komplikationen aufgetreten – sie hatte die Einnahme daraufhin abgebrochen. Zunächst war unklar, dass es sich um eine Verwechslung von Glucose mit Lidocainhydrochlorid gehandelt hatte.

Staatsanwaltschaft geht von einem Versehen aus

Eine 20-köpfige Mordkommission hatte in dem Fall ermittelt, die Staatsanwaltschaft ging schnell von einem Versehen aus. Sie ermittelte zunächst gegen zwei Mitarbeiter der Apotheke wegen des Anfangsverdachts der fahrlässigen Tötung. Die beschuldigten Mitarbeiter hätten im Rahmen der Ermittlungen sehr umfangreiche Aussagen zu ihren Aufgaben und den Abläufen in der Apotheke gemacht, die Tat an sich aber abgestritten, führte der Staatsanwalt damals aus. Der toxische Wirkstoff Lidocainhydrochlorid, der in der Glukose nachgewiesen wurde, sei in einem sehr ähnlichen Gefäß gelagert worden wie die Glukose. Es deute einiges darauf hin, dass ein Rest des Lokalanästhetikums in einen anderen Glukosebehälter gekippt wurde, da er ebenfalls für Glukose gehalten wurde.

Dieses Szenario soll auch erklären, warum in verschiedenen in der Apotheke abgefüllten Glukose-Tütchen eine unterschiedliche Lidocain-Konzentration festgestellt wurde: Die ersten aus dem Gefäß abgefüllten Portionen hätten eine hohe Konzentration gehabt, spätere eine geringere. Nach den Todesfällen hatte die Polizei dazu aufgerufen, Glukosemischungen aus der Heilig-Geist-Apotheke in Köln-Longerich nicht mehr zu verwenden, sondern bei der Polizei abzugeben. Die drei Apotheken von Inhaber Dr. Till Fuxius wurden daraufhin vorübergehend geschlossen.

Inhaber warf Behörden Existenzvernichtung vor

Der Inhaber kämpfte um seine finanzielle Existenz: Fuxius beantragte eine einstweilige Verfügung bei der Stadt auf Wiederöffnung seiner Apotheken. Er begründet den Antrag damit, dass noch immer nicht bewiesen sei, dass das Glukosegemisch tatsächlich in seiner Apotheke verunreinigt wurde. Zudem drohe ihm die „Existenzvernichtung“, sollte die Entscheidung des Gesundheitsministeriums weiter Bestand haben.

Nachdem die Kölner Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungsergebnisse vorgestellt hatte, hoben das NRW-Gesundheitsministerium, die Bezirksregierung und die Stadt Köln Anfang Oktober umgehend das Betriebsverbot auf. Die Wiedereröffnung der Apotheken galt jedoch zunächst mit Einschränkungen – denn Rezepturen durften zunächst nicht hergestellt werden. Erst seit November – nachdem zwei Amtsapothekerinnen ein verbessertes Qualitätsmanagement bescheinigten – wurde die eigene Herstellung von Medikamenten wieder erlaubt.

 

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