Temperaturführung

Länder: Zweierlei Maß für Arzneimitteltransporte

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Berlin -

Seit der Überarbeitung der EU-Richtlinie zur Good Distribution Pracitice (GDP) wird über die Temperaturführung beim Arzneimitteltransport diskutiert. Denn laut der Richtlinie müssen unterwegs die gleichen Bedingungen wie bei der Lagerung gelten. Debattiert wird nun, wie diese Vorgabe auszulegen ist. Streng sieht es die Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) – allerdings nur bei Arzneimitteln, die bei Raumtemperatur gelagert werden müssen. Bei Kühlware sind die Experten dagegen großzügig. Grund sind die Untersuchungen aus der Zulassung.

In einem aktuellen Frage- und Antwortpapier zum Betreiben eines Großhandels mit Arzneimitteln hat sich die ZLG auch der Frage der Temperaturführung angenommen. Die gute Nachricht: Nicht für jeden Transport ist eine Temperaturmessung erforderlich. Entscheidend ist das Ergebnis einer Risikobewertung, der die Transportwege zunächst unterzogen werden sollen.

Dabei müssen Fahrtdauer, Besonderheiten der Route, Jahres- und Tageszeit, Wettervorhersagen sowie die eingesetzten Fahrzeuge mit Blick auf Ausrüstung und Ausstattung berücksichtigt werden. Nur wenn diese Bewertung zu dem Ergebnis kommt, dass Temperaturmessungen erforderlich sind, kann auf das Temperaturmonitorung aus Sicht der ZLG nicht verzichtet werden. „Dies wird insbesondere regelmäßig bei mehrere Tage oder Wochen dauernden Transporten der Fall sein.“

Wenn es während des Transports unerwartet zu Abweichungen, wie etwa einer deutlichen Verlängerung der Fahrtdauer, oder einem Über- beziehungsweise Unterschreiten der einzuhaltenden Temperaturgrenzen kommt, muss laut ZLG eine Abweichungsbewertung erfolgen. Die weitere Vorgehensweise soll dann nach einem zuvor festgelegten Verfahren erfolgen.

Dabei müsse den Besonderheiten der jeweils transportierten Arzneimittel angemessen Rechnung getragen werden, so die ZLG. Außerdem sei zu beachten, dass die Weitergabe von Informationen so rechtzeitig erfolge, „dass die betroffene Ware beim Empfänger von der sonstigen Lagerware noch eindeutig unterschieden werden kann“. Überdies seien auch die Fahrer und die Mitarbeiter von beauftragten Transportunternehmen in die Verfahren einzubeziehen und regelmäßig zu schulen.

Einem grundsätzlichen Temperaturkorridor von 2 bis 30 Grad Celsius erteilt die ZLG eine Abfuhr. Die Behörde betont mit Bezug auf die GDP-Richtlinie, die Lagerungsbedingungen seien auch beim Transport einzuhalten. „Eine grundsätzliche Akzeptanz auch von kurzfristigen Temperaturabweichungen ist in dem Zusammenhang daher nicht vorgesehen“, heißt es.

Bei vielen Arzneimitteln müsse nach den Angaben auf der Verpackung eine Lagerung unter 25°C erfolgen. „Ein Transport dieser Kategorie von Arzneimitteln grundsätzlich bei Temperaturen bis zu 30°C kann daher die geforderte Qualität nicht sicherstellen, da die Stabilität bei Temperaturen über 25°C im Rahmen der Zulassung nicht nachgewiesen wurde.“ Verschiedene Arzneimittel dürften zudem nicht unter 8°C aufbewahrt werden.

Zu beachten ist aus Sicht der ZLG zudem, dass mit sinkenden Temperaturen die relative Feuchte im Transportbereich ansteigen kann. „Werden dann die im Rahmen der Zulassung geprüften Bedingungen zur relativen Feuchte überschritten, kann die Qualität des Arzneimittels nicht mehr sicher gewährleistet werden.“ Lediglich in Fällen, in denen laut der Packungsangaben oder den schriftlich bestätigten Angaben des Herstellers ein Transport innerhalb des Temperaturbereichs 2 bis 30°C zu keinen Qualitätsminderungen führe, könne dieser erfolgen.

Arzneimittel, für die keine besonderen Lagerungsbedingungen gelten, dürften hingegen bis 40°C transportiert und gelagert werden, bestätigt die ZLG. Für diese Präparate sei im Rahmen der Zulassung nachgewiesen, dass sie in der Primärverpackung über sechs Monate bei 40°C stabil seien.

Kühlpflichtige Arzneimittel müssen laut ZLG nur dann durchgängig zwischen 2 und 8°C transportiert und gelagert werden, wenn sich auf der Kennzeichnung ein entsprechender Hinweis befindet, dass dieser Temperaturbereich sowohl bei der Lagerung als auch während des Transports eingehalten werden muss – sie also kühlkettenpflichtig sind wie beispielsweise Lebendimpfstoffe. Bei kühlpflichtigen Arzneimitteln, bei denen auf der Kennzeichnung lediglich ein Hinweis auf eine Lagerung zwischen 2 und 8°C erfolgt, wurde im Rahmen der Zulassung nachgewiesen, dass sie kurzfristig auch bis 25°C ausreichend stabil sind.

Aus Sicht der ZLG ist die mittlere kinetische Temperatur (MKT) im Rahmen eines risikobasierten Ansatzes als Bezugsgröße nicht geeignet. „Die MKT berücksichtigt nicht die Effekte, die auch bei kurzfristigem Überschreiten bestimmter Temperaturgrenzen, die bei Stabilitätsuntersuchungen im Zusammenhang mit der Zulassung festgestellt werden, zu irreversiblen Qualitätsmängeln führen können“, heißt es. Auch die mögliche Rissbildung im Glas von Ampullen oder Injektionsflaschen bei Temperaturen um den Gefrierpunkt bleibe dabei unberücksichtigt.

Zudem setze die Berechnung der MKT voraus, dass die Temperaturverläufe sämtlicher zuvor erfolgter Transporte bekannt seien. „In der Regel liegen diese Daten jedoch nicht vor, so dass eine tatsächliche Berechnung nicht erfolgen kann.“ Maßgeblich sei daher die Einhaltung der auf der Kennzeichnung angegebenen Lagerungs- beziehungsweise Transporttemperaturen.

Apotheker Dr. Armin Welker hatte sich zuletzt in einer Stellungnahme an den Großhandelsverband Phagro dafür ausgesprochen, auf die MKT zurückzugreifen. Dieser Wert werde in der Fachwelt verwendet, um die Temperaturbelastung zu berechnen. Die Emfpehlungen zur Lagerung beziehen sich daher aus seiner Sicht auf diesen Durchschnittswert, sodass kurzzeitig auch höhere Temperaturen möglich seien. Die 25°C würden nun aber aus ihrem Kontext gerissen und als nicht zu überschreitender Maximalwert missverstanden, kritisiert Welker.

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