Steuerbetrug

Ab 100.000 Euro ist die Approbation weg Patrick Hollstein, 09.06.2016 09:56 Uhr

Berlin - 

Als Apotheker Steuern zu hinterziehen, kann die Approbation kosten. Doch nicht immer können die Aufsichtsbehörden mit voller Härte durchgreifen. Ein Apothekenleiter aus Bayern hatte den Fiskus über einen Zeitraum von fünf Jahren hinweg um mehr als 90.000 Euro geprellt – zu wenig, um ihm seine berufliche Grundlage zu entziehen, entschied jetzt das Verwaltungsgericht Augsburg (VG).

Der 1947 geborene Pharmazeut betreibt seit 1989 eine eigene Apotheke. Anfang 2006 stellte ihm der Außendienstler seines Großhändlers einen Privatkatalog vor; der Apotheker bestellte dort Ware, welche in gesonderten Paketen zusammen mit den regulären Touren angeliefert wurde. Die Privatbestellungen machte er in voller Höhe als Betriebsausgaben der Apotheke geltend; von 2007 bis 2012 entgingen dem Fiskus so Steuereinnahmen von 91.978 Euro.

Der Apotheker argumentierte im Steuerstrafverfahren, er habe sich um die Verbuchung beziehungsweise Versteuerung nicht gekümmert, da er davon ausgegangen sei, dass sein Lieferant ihm eine gesonderte Rechnung schicke oder den Betrag auf andere Weise so ausweise, dass er verbucht werden könne. Da er seit Jahrzehnten mit der Buchhaltung nur sporadisch in Kontakt komme, wenn er einmal im Jahr seine Steuererklärung unterschreibe, habe er sich keine Gedanken gemacht.

Im Dezember 2014 wurde er wegen Steuerhinterziehung zu einer Geldstrafe von 300 Tagessätzen à 400 Euro verurteilt, insgesamt also 120.000 Euro. Das Gericht informierte die Bezirksregierung, die im Juni 2015 die bereits 1974 erteilte Approbation widerrief. Die Behörde verwies auf Paragraf 6 der Bundesapothekerordnung (BApO), die diese Maßnahme für Fälle vorsieht, in denen ein Apotheker sich „eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Apothekerberufs ergibt“.

Durch seine zumindest grob fahrlässig gemachten falschen Angaben habe der Apotheker nicht nur sein eigenes Ansehen und das in ihn als Apotheker gesetzte Vertrauen in eine anstandslose Berufsausübung zerstört. Auch das Vertrauen, das die Öffentlichkeit seinem Berufsstand generell entgegenbringe, habe er auf schwere Weise geschädigt, so der Vorwurf.

Als Apothekeninhaber obliege ihm die Verantwortung für sämtliche seinen Apothekenbetrieb betreffende Angelegenheiten, also auch dafür, dass Rechnungen korrekt verbucht würden. Diese Verantwortung sei über einen Zeitraum von sechs Jahren hinweg bedenkenlos und grob vernachlässigt worden. Es erscheine daher fraglich, ob ihm seine beruflichen Pflichten in Gänze bewusst seien, zu denen neben der Gesundheitsversorgung der Bevölkerung gerade auch die ordnungsgemäße Führung des Apothekenbetriebes gehöre.

Der Apotheker klagte gegen den Bescheid. Nicht jede Verfehlung verspiele das Ansehen und Vertrauen; er habe lediglich grob fahrlässig gehandelt und jedenfalls nach den Maßstäben des Steuerstrafrechts keine gravierende Steuerstraftat begangen: Für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung auf der Grundlage falscher Angaben gelte eine Grenze von 100.000 Euro je Tat – bei ihm verteile sich die Summe auf fünf Jahre und liege damit pro Einzelfall deutlich darunter. Schließlich betreffe das Steuervergehen nicht den Kernbereich seines beruflichen Wirkens, sodass das Vertrauensverhältnis zwischen ihm und seinen Kunden nicht beeinträchtigt sein könne.

Diesem Argument folgten die Richter nicht. Die Bevölkerung müsse „ein ungetrübtes Vertrauensverhältnis in die Apothekerschaft“ haben können; Patienten müssten die Gewissheit haben, „sich ohne Skrupel einem Apotheker voll und ganz anvertrauen“ zu können. „Sie sollen nicht durch ein irgend geartetes Misstrauen davon abgehalten werden, rechtzeitig die Hilfe eines Apothekers in Anspruch zu nehmen“.

„Diesem Anliegen ist nicht bereits dann Genüge getan, wenn der betreffende Apotheker keinen Anlass bietet, an seiner Pharmaziekunde zu zweifeln“, heißt es im Urteil. Vielmehr werde „Untadeligkeit in allen berufsbezogenen Bereichen“ erwartet bis hin zur korrekten Abrechnung gegenüber der Krankenkasse.

Abhängig von der Schwere des Delikts seien damit auch Straftaten außerhalb des beruflichen Wirkungskreises erfasst, wenn sie zu einem Ansehens- und Vertrauensverlust führten, die den Betroffenen für den Apothekerberuf als auf absehbare Zeit untragbar erscheinen lassen. „Entscheidend hierbei ist, ob das Vertrauen der Öffentlichkeit und der betreuten Kunden in die Seriösität der Apothekerschaft im Ganzen erheblich beschädigt ist, wenn ein Angehöriger dieser Berufsgruppe trotz Begehens eines Delikts sowie einer dadurch bedingten Verurteilung weiter als Apotheker tätig sein könnte.“

Im Urteil heißt es dazu weiter: „Im Hinblick auf das Ansehen und das Vertrauen in die Apothekerschaft als ein Element des wichtigen Gemeinschaftsguts der Volksgesundheit, ist Unwürdigkeit auch dann anzunehmen, wenn der Arzt oder Apotheker vorsätzlich eine schwere, gemeingefährliche oder gemeinschädliche oder gegen eine Person gerichtete, von der Allgemeinheit besonders missbilligte Straftat begangen hat.“

Allerdings dürfe der Widerruf der Approbation als schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht der freien Berufswahl dem Grundsatz nur „die letzte und äußerste Maßnahme” sein. Dem Betroffenen werde nämlich sowohl die Tätigkeit als selbstständiger als auch als angestellter Apotheker genommen, so die Richter.

Im vorliegenden Fall seien die Voraussetzungen nicht erfüllt. Weder habe der Apotheker das öffentliche Gesundheitssystem geschädigt, noch habe sein Fehlverhalten einen personalen Bezug: „Zu einer (auch vermögensrechtlichen) Schädigung natürlicher Personen, die nach den Vorstellungen der Bevölkerung dem Berufsbild des Arztes oder Apothekers besonders abträglich wäre, ist es bei den vom Kläger begangenen Straftaten nicht gekommen.“

Nur ein erhebliches steuerliches Fehlverhalten könne einen Approbationsentzug rechtfertigen, zumal „von der Öffentlichkeit auch den Angehörigen der Heilberufe heute nicht mehr in jeder Beziehung eine integere Lebensführung auferlegt ist“, heißt es im Urteil.

Zugute hielten die Richter dem Apotheker, dass ihm kein vorsätzliches Handeln zur Last gelegt worden sei: „Es wird damit nicht in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt, der Approbierte setze sich im eigenen finanziellen Interesse in einem solchem Maße auch über strafbewehrte, im Interesse der Allgemeinheit bestehende Bestimmungen hinweg, dass er schon deshalb als Apotheker untragbar ist.“ Außerdem habe er den Steuerrückstand unverzüglich beglichen, zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen und Einsicht in die Unrechtmäßigkeit seines Handelns gezeigt.

„Letztlich ist den vorliegenden Umständen auch nicht zu entnehmen, dass beim Kläger von grobem Eigennutz auszugehen wäre. Der Kläger handelte nicht mit einem Gewinnstreben, welches das bei jedem Steuerstraftäter vorhandene Gewinnstreben deutlich und in anstößiger Weise überstieg. Er hat zwar Steuern in nicht unerheblichem Umfang hinterzogen, aber keine über das übliche Maß hinausgehende Maßnahmen zur Verschleierung der steuerrelevanten Vorgänge ergriffen oder über den tatbestandsmäßigen Schaden hinausgehende Schäden verursacht beziehungsweise vertieft.“

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