„Wenn es soweit ist, geht es ganz schnell“

Schließung wegen Corona: Eine Inhaberin berichtet

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Berlin -

Im sächsischen Vogtland musste eine Apotheke wegen einer Sars-CoV-2-Infektion schließen. Von jetzt auf gleich machte das Gesundheitsamt den Betrieb dicht und schickte alle Mitarbeiter in Quarantäne – eine potentiell existenzbedrohende Situation für die allermeisten Betriebe. Die Inhaberin versucht nun, aus der Quarantäne heraus so viel wie möglich erledigt zu bekommen. Es liege ihr besonders am Herzen, anderen Apothekern einen Rat zu geben, sagt sie: „Trefft Vorbereitungen für den Ernstfall! Wenn es soweit ist, geht es ganz schnell.“

Es fing absolut unspektakulär an. Am Montag vergangene Woche war die betroffene Kollegin, eine PTA, noch auf Arbeit. „Sie hatte anfangs keine ernsthaften Symptome. Sie hat selbst kaum etwas davon bemerkt“, erklärt die Inhaberin. „Doch nachmittags verschlechterte sich ihr Zustand rapide.“ Die Symptome ließen schon erahnen, was ihr blühen könnte: Fieber und Husten. Am Nachmittag verließ sie die Offizin und ging zum Arzt – und eröffnete später ihrer Chefin, dass sie auf Sars-CoV-2 getestet wurde.

Damit begann das Bangen. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen“, erinnert sie sich. „Ich habe mich gefragt, was jetzt passiert, wenn der Test positiv ausfällt.“ Und es kam so. Am Donnerstagvormittag, mitten im Tagesbetrieb, meldete sich das Gesundheitsamt in der Apotheke mit der Hiobsbotschaft: der offiziellen „Anordnung zur häuslichen Absonderung“. Das ganze Team musste in Quarantäne. Der letzte Kontakt zur infizierten Kollegin war vergangenen Montag, von da an werden zwei Wochen gerechnet. Mindestens bis zum 31. März steht der Betrieb deshalb still – sofern bis dahin niemand Symptome zeigt.

Das ist unter den insgesamt sieben Mitarbeitern bisher nicht vorgekommen, alle zeigen sich bisher bei bester Gesundheit. „Gott sei Dank, das ist das Allerwichtigste!“, sagt die Inhaberin. Dass sie noch gesund sind, ist aber bisher auch nur eine Eigeneinschätzung: Auf Sars-CoV-2 getestet wurde das restliche Team nämlich keineswegs. Für die Inhaberin ist das unerklärlich: „Ich kann auch nicht sagen, warum wir nicht alle getestet wurden. Das müssen Sie das Gesundheitsamt fragen.“ Es könne wohl mit der geringen Viruslast zu Beginn der Krankheit zusammenhängen. Tests würde oft erst spät durchgeführt, um Ressourcen zu sparen – ob sie oder ihrem Team noch getestet werden sollen, hat ihnen aber noch niemand mitgeteilt.

So hängen Inhaberin und Team gerade in der Luft: Corona-Tests werden bei ihnen nicht gemacht und wie es in der nahen Zukunft mit der Apotheke weitergeht, weiß sie auch nicht. „Für den Betrieb ist es eine Katastrophe.“ Aber ist die Krise auch existentiell? „Ich hoffe nicht, aber wer weiß das schon. Ich hoffe zumindest, dass meine Rezepte alle sauber sind, ich mache ja jetzt alles von zu Hause und habe hier keine Lauer-Taxe.“ In die Offizin kann sie nicht mehr, die Quarantäneauflagen sind strikt und mit Polizeigewalt durchsetzbar. Die Anordnung ist sofort vollziehbar, wurde sie informiert, auch Widerspruch und Klage hätten also keine aufschiebende Wirkung. Immerhin: Das Gesundheitsamt wollte den Betrieb schon von Donnerstagmorgen an komplett dicht machen, die Inhaberin konnte aber eine Galgenfrist heraushandeln, um die wichtigsten Dinge noch zu erledigen. Und das war gar nicht einfach.

„Das war ein Riesenschreckmoment“, erzählt sie. „Man weiß gar nicht, wo man zuerst ran geht. Es sind so viele Sachen, die dann offen sind: Versorgungsverträge, Hilfsmittel, die ganze Abholerware und so weiter. Das war ein unheimlicher Aufwand.“ Alles musste ganz schnell gehen – bekanntlich nicht die besten Umstände, um alles beisammenzuhalten. „Ich musste dann ganz schnell raus und dann ist mir zu Hause erst eingefallen, was ich noch alles brauche, um von dort aus zu arbeiten. Ich musste dann meinen Mann nochmal in die Apotheke schicken, um die letzten Sachen zu holen.“

Deshalb appelliert sie an ihre Kollegen: „Seid auf einen schnellen Ablauf der Ereignisse vorbereitet! Wenn es so weit ist, geht es ganz schnell.“ Ihr Ratschlag: Man solle sich vorher bereits eine Liste machen, welche Papiere, Passwörter und sonstigen Gegenstände essentiell sind und wo sie im Ernstfall schnell zu finden sind. Man könne auch einen Korb packen, in dem die wichtigsten Sachen immer griffbereit liegen. Außerdem solle man am besten auch die Kunden ermutigen, ihre Abholerware immer schnell zu holen – schließlich könnte es jederzeit passieren, dass die Apotheke am nächsten Tag schon geschlossen ist. Auch operativ solle man sich über entscheidende Fragen bereits vorab Gedanken machen: „Man sollte sich vorher schon klar sein, wie der Geldfluss weiter aufrechterhalten werden kann und wie Rezepte weiter eingereicht werden können“, erklärt sie. Dadurch können im Ernstfall schnell die richtigen Entscheidungen getroffen werden. „Es liegt mir am Herzen, das mitzuteilen. Denn es kann jeden treffen, auch die kleinste Apotheke.“

An ihre Kollegen denkt sie dabei nicht zuletzt deshalb, weil ihr deren Reaktionen imponiert haben. „Zum Glück halten alle fest zusammen“, sagt sie. „In so einer Krise merkt man, wer die wirklichen Freunde sind.“ So hätten die anderen Apotheken im Ort die Notdienste unkompliziert übernommen und wenn sie Fragen oder Sorgen hat, sei es kein Problem, Kollegen anzurufen und sich im Zweifelsfall sogar helfen zu lassen.

Mit der positiv getesteten Kollegin ging es unterdessen weiter bergab, sie musste nicht im Krankenhaus behandelt werden, sondern blieb zu Hause. „Aber es ging ihr nicht gut – und sie gehört nicht mal einer Risikogruppe an. Ich hatte große Sorgen um sie“, sagt die Inhaberin. Mittlerweile sei sie glücklicherweise auf dem Weg der Besserung. Ob auch ihre Apotheke aus dem jetzt gerissenen Loch herausfinden wird, muss sich noch zeigen. Gewisse Hoffnungen bietet die Möglichkeit, sich im Nachhinein für verhängte Betriebsschließungen entschädigen zu lassen. Denn wer aufgrund des Infektionsschutzgesetzes einem Tätigkeitsverbot unterliegt oder unterworfen wird beziehungsweise abgesondert wurde und einen Verdienstausfall erleidet, kann nach dessen Paragraphen 56 und 57 grundsätzlich einen Anspruch auf Entschädigung anmelden. „Ich denke, ich habe das auch vor, aber das ist auch wieder viel Aufwand. Außerdem kann ich da im Moment noch gar keinen Antrag stellen, weil ich noch nicht weiß, wie lange die Quarantäne letztlich aufrechterhalten wird.“

Dahingehend gibt es mittlerweile einen Silberstreif am Horizont – doch der bringt sie in ein Dilemma. Denn am Dienstagabend hat sie vorerst inoffiziell erfahren, dass ihre Quarantäne aufgrund eines neuen Beschlusses verkürzt werden könnte. An sich eine gute Nachricht, „aber ich weiß noch gar nicht, ob ich das will“. Einerseits denke sie natürlich an den Betrieb und will ihre Frau stehen, wie sie sagt. „Andererseits: Man weiß, dass die Latenzzeit 14 Tage beträgt. Was ist, wenn ich vorher schon aufmache und es dann doch bei jemandem losgeht? Ich will niemanden gefährden!“

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