Banden- und gewerbsmäßiger Betrug

Rezeptfälschung: Prozess gegen Apotheker-Bande

, Uhr
Berlin -

In Berlin hat heute der Prozess gegen eine Bande begonnen, die über mehrere Jahre hinweg mit gefälschten Rezepten die Krankenkassen um mehr als 2,5 Millionen Euro betrogen haben sollen. Die Hauptangeklagten, Apotheker Klaus H. und seine Lebensgefährtin Galya S., waren zu Prozessbeginn geständig und zeigten Reue. Trotzdem bleiben noch einige Fragen zu klären.

Den drei Hauptangeklagten wird banden- und gewerbsmäßige Urkundenfälschung und Betrug in 125 Fällen vorgeworfen, wobei ein einzelner Fall oftmals mehrere gefälschte und eingelöste Rezepte beinhaltete. Zwei weiteren Personen wird zur Last gelegt, sich lediglich an einer Tat beteiligt zu haben. Ein weiterer Angeklagter ist vor Beginn des Prozesses verstorben.

Pro Rezept sei im Durchschnitt ein Schaden von 15.000 Euro entstanden, heißt es. Die Beschuldigten hatten sich über einen Apothekenmitarbeiter, dem in einem anderen Verfahren der Prozess gemacht wird, Patientendaten besorgt und über den Mitangeklagten Edin S. gefälschte Rezepte für hochpreisige Medikamente erhalten.

S. habe die Rezepte jedoch nicht selbst gefälscht, sondern von einem unbekannten Dritten – dem „Zettelmann“, dessen Identität die weiteren Angeklagten angeblich nicht kennen – anfertigen lassen. Gedruckt wurden die Rezepte laut Edin S. von einer ebenfalls unbekannten Mitarbeiterin der Charité in Berlin. Zwischen 2013 und 2016 sollen die Beschuldigten diese Rezepte dann von größtenteils noch unbekannten Mittätern in dutzenden Apotheken in Berlin gegen die verschriebenen Medikamente eingetauscht haben. Mit den Medikamenten sollen sie dann zu zwei eingeweihten Apothekern mit Großhandelslizenz gegangen sein, denen in einem anderen Verfahren der Prozess gemacht wird.

Der Deal sah offenbar folgendermaßen aus: H. Verkauft die Präparate zum Großhandelspreis und zahlte ihnen einen sogenannten „Kickback“ von 30 Prozent des Preises. Das heißt: Die Apotheker haben den vollen Preis an H. überwiesen, dieser hob dann 30 Prozent des eingegangenen Preises von seinem Konto ab und übergab den Apothekern das Geld in bar. Die Bande, die an diesem Prozedere verdiente, soll insgesamt aus zehn Männern und einer Frau im Alter zwischen 31 und 64 Jahren bestanden haben. Unter den Tatverdächtigen sind fünf Apotheker.

Der Hauptangeklagte H. lebte zuletzt mit Galya S. in Bulgarien und soll für die Vorbereitungen und Ausführungen der Taten eigens nach Berlin gereist sein. Das Duo wurde im Juli 2017 in einem Hotel in Treptow festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Nicht nur war der Hauptangeklagte, Apotheker H., umfassend geständig, er belastete auch Edin S. im Weiteren schwer: Er sei die treibende Kraft hinter dem großangelegten Betrug gewesen. H.s berufliche und private Situation sei 2012 äußerst angespannt gewesen. Er stand nach eigener Aussage kurz vor dem wirtschaftlichen Ruin, als S. an ihn herangentreten sei. Zuerst habe er nur ein paar Psychopharmaka „übrig gehabt“ und H. gefragt, ob er sie für ihn unter der Hand absetzen könne. So habe Edin S. den Stein ins Rollen gebracht.

Außerdem gibt es unter den 125 Fällen, die H. vorgeworfen wurden, einen, den er abstreitet. Dabei sei Edin S. ohne das Wissen der weiteren Bandenmitglieder tätig geworden – und habe sich zu dilettantisch angestellt, als dass der erfahrene Apotheker H. hätte beteiligt sein können. Unter anderem habe das Rezept zwei Medikamente enthalten, deren gemeinsame Einnahme „erhebliche gesundheitliche Gefahren“ mit sich gebracht hätte, wie H. es ausdrückt. Vor allem aber habe es ein Volumen von beinahe 28.000 Euro gehabt. Das hätte ihnen kein Apotheker abgenommen. „Ich habe 30 Jahre Erfahrung in Apotheken, aber so ein Rezept habe ich noch nicht gesehen“, so der Angeklagte.

Edin S. war jedoch nicht nur Täter, sondern auch Opfer. Denn bei Klaus H. und Galya S. kommt noch der Vorwurf des versuchten Raubs in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung hinzu. 2016 hatten sich die beiden Hauptangeklagten mit ihrem Komplizen Edin S. überworfen. Als dieser versucht habe, sie zu erpressen, habe Galya S. laut eigener Aussage keinen anderen Weg mehr gesehen, als „ihm eine Lektion zu erteilen“, wie sie vor Gericht sagte.

Dazu hatte sie für 2000 Euro zwei Tschetschenen beauftragt, S. zusammenzuschlagen, ihm die Beine zu brechen und das Telefon zu klauen, um mögliche Beweismittel in die Hände zu bekommen. Zu der Tat kam es indes nicht mehr, da sich S. bereits im Ausland aufgehalten hatte. Klaus H. entlastete Galya S. indes. Er habe davon erst im Nachhinein erfahren. Über die Schuldverteilung zwischen Klaus H., Galya S., Edin S. sowie die schwere der Schuld der weiteren drei Angeklagten wird das Gericht in den kommenden Wochen und Monaten Klarheit schaffen müssen. Außerdem steht noch eine Reihe unbekannter Mittäter zu ermitteln.

Der im November erhobenen Anklage gingen monatelange Untersuchungen der Polizei voraus, unter anderem wurden einige der Beschuldigten beschattet und Telefone abgehört. H. ist den Ermittlern zufolge ein „einschlägig vorbestrafter Apotheker“, der bereits 2010 von der Staatsanwaltschaft Neuruppin wegen Abrechnungsbetrugs angeklagt und später auch vom Landgericht Berlin verurteilt worden war.

Im April 2012 wurde er außerdem vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf Kaution war er später auf freiem Fuß. Außerdem stritt er 2013 mit dem Großhändler Gehe, weil er Ansprüche aus Apotheken als Sicherheit parallel an andere Gläubiger abgetreten hatte. Der Apotheker, der auch als Großhändler und in der Automobilbranche tätig gewesen sein soll, hatte zeitweise vier Apotheken geführt.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Vorabausschüttung für Apotheken
AvP: Zweite Tranche sorgt für Enttäuschung
Mehr aus Ressort
regelmäßige Überwachung
Behörde droht mit Revision
Korrekturgrund 367
AOK startet Engpass-Retax
Teilbarkeit des Bruttobetrages
Pennadeln: Rundung, sonst Retax!

APOTHEKE ADHOC Debatte